Türkische Presse Europa

10.04.2010 – Ausgrenzung, Einbürgerungskampagne, Türkischunterricht

In der türkischsprachigen Presse in Europa vom Samstag werden Ausgrenzungserfahrungen von türkischstämmigen Migranten aufgegriffen. Zudem wird über die Einbürgerungskampagne der Stadt Stuttgart berichtet und über den geplanten Türkisch-Unterricht an bayerischen Gymnasien.

„Ihr gehört nicht zu uns“
In der TÜRKIYE  stellt ein Forscher am Hamburger Weltwirtschaftsinstitut,  Dr. Yaşar Aydın, fest, das größte Problem der Türken in Deutschland sei, dass sie sich der Gesellschaft nicht zugehörig fühlen würden. Aydın erinnerte dabei, dass in Deutschland eine Atmosphäre des „Ihr gehört nicht zu uns“ herrsche. Das größte Problem der Türken wäre deswegen nicht ihre Integration sondern Entfremdung. Sie würden sich in der Gesellschaft nicht als Aufgenommen sondern als ausgegrenzt fühlen. Der Grund dafür lege dafür unter anderem in dem Insistieren auf nationale Identität in Deutschland. In Deutschland wäre der Begriff „Wir“ zwar verbreitet, Türken würden in diesem „Wir“ jedoch nicht gesehen.

Einbürgerungskampagne in Stuttgart
Die MILLIYET greift die Einbürgerungskampagne der Stuttgarter Stadtverwaltung auf. Diese hatte im Rahmen dieser Aktion im letzten Jahr 90 Tausend Migranten angeschrieben. In den Schreiben fragte der Stuttgarter Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster, ob die Angeschriebenen denn schon einmal an eine Einbürgerung gedacht haben. Nach Angaben der Stadtverwaltung hätten sich mit Beginn der Kampagne 10 Prozent mehr Türken eingebürgert als vorher. Im Durchschnitt würden sich jedes Jahr 600 Migranten in Stuttgart Einbürgern lassen, sagte der Leiter der Ausländerbehörde, Harald Zagroll. 300 davon im Rahmen des Optionsmodells und 300 im Rahmen einer Anspruchseinbürgerung. Mit der Einbürgerungskampagne sei diese Zahl im letzten Jahr auf 330 Einbürgerungen gestiegen. 125.000 der 600 Tausend Einwohner Stuttgarts hätten einen Migrationshintergrund, 60 % davon im Alter von 8-40 Jahren. Die Einbürgerungskampagne werde insoweit als Erfolgreich betrachtet. Zagroll kritisierte aber auch das Optionsmodell. 60 der im Alter von 23 Jahren zu einer Entscheidung gezwungenen hätten sich für ihre Herkunftsnationalität entschieden, so Zagroll. Er finde es falsch, dass diese Jugendlichen sich für eine Nationalität entscheiden müssten. Er fände es richtiger, wenn sie beide Staatsbürgerschaften behalten könnten.

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Türkischunterricht an bayerischen Gymnasien
In Bayern soll nach Plänen des bayerischen Kultusministers Türkisch als Wahlfremdsprache an Gymnasien eingeführt werden. Kultusminister Ludwig Spaenle weist in der MILLIYET darauf hin, dass sie Türkisch als Fremdsprache an bayerische Gymnasien einführen wollen, dabei aber die Integration der türkischstämmigen Schüler im Blick behalten wollen. Bei 377 Tausend Schülern an Gymnasien würden derzeit nur an fünf Gymnasium Türkisch-Unterricht abgehalten werden. In München sei dies nur an einer Schule als Wahlfach nach der 10. Klasse der Fall. Diese Zahl sei eindeutig zu wenig, so Spaenle. Wo es keine Lehrer gebe, gebe es auch keinen Unterricht, stellte der Kultusminister fest. Dabei könne der Türkisch-Unterricht eine gute Maßnahme für die Integration der türkischstämmigen Schüler darstellen. Außerdem würde dies auch deutschen Kindern die Möglichkeit bieten, die türkische Sprache und Kultur kennenzulernen.

Milli Görüs-Widersprüche der Deutschen
In seiner Kolumne greift Ismail Kul in der ZAMAN die Widersprüche der deutschen Politik im Umgang mit der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) auf. Ausgehend von der Feststellung Prof. Werner Schiffauers in seinem aktuellen Buch „Nach dem Islamismus“, dass diese islamische Organisation wie keine zweite in Deutschland juristische und politische Sachkompetenz in Deutschland aufgebaut habe, stellt Kul die Frage, warum gerade diese Organisation trotz dieser Kompetenz ausgegrenzt werde, wie zuletzt in der Islamkonferenz. Der Widerspruch sei, dass auf der einen Seite immer wieder vergeblich Gesprächspartner auf muslimischer Seite gesucht würden, aber auf der anderen Seite die kompetentesten in diesem Zusammenhang ausgegrenzt würden. Lege der Grund dafür etwa darin, wie es Ali Kizilkaya vom Islamrat ausdrücke, dass diese der grundsätzlichen Problematisierung der muslimischen Religiosität widersprechen?

80 % der Deutschen vertrauen nicht dem Schulsystem
Die ZAMAN berichtet über eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Forsa, wonach 80 % der Deutschen kein Vertrauen in das öffentliche Schulsystem haben. Demnach würden die Eltern die Zukunft ihrer Kinder in privaten Initiativen sehen. So würden die Eltern über 1,5 Milliarden Euro in außerschulischen Nachhilfeunterricht für ihre Kinder investieren. Wer es sich leisten könne, der schicke seine Kinder auf eine Privatschule. Immer häufiger würden nun auch Kirchen und Elterninitiativen Privatschulen gründen. Immer häufiger würden auch türkischstämmige Eltern Schulinitiativen gründen. Auf diesem Wege seien in unterschiedlichen Eltern private Realschulen und Gymnasien aus solchen Initiativen hervorgegangen. Auch bei deutschen Eltern würden diese Initiativen auf Interesse stoßen.

Konsulatsabteilung im türkischen Außenministerium kümmert sich um Abgeschobene
„Wir verfolgen dieses Thema aus der Nähe“, sagt Songül Ozan in der ZAMAN mit Blick auf die Situation der aus Deutschland abgeschobenen türkischen Staatsbürger. Ozan ist stellvertretende Leiterin der Konsulatsabteilung im türkischen Außenministerium. „Wir tun alles nötige, damit ihre Rechte aus der Sozialversicherung gewahrt werden“, so Ozan. Auf einer Tagung der türkischen Konsule in Deutschland informierte Ozan über die Arbeiten der Konsulate und über die Änderungen beim neuen türkischen Reisepass.