Klassenfahrten

Wichtig, verdammt wichtig!

Klassenfahrten unterliegen der allgemeinen Schulpflicht und erfüllen gleich mehrere pädagogisch sinnvolle Aufgaben, sofern sie durchdacht und von kompetenten Personen begleitet werden.

Nicht nur die Klassengemeinschaft wird gestärkt, den Schülerinnen und Schülern wird auch die Übernahme von Verantwortung für sich selbst und andere vermittelt. Für viele Kinder und Jugendliche ist die erste Klassenfahrt gleichbedeutend mit der ersten Trennung von den Eltern und vom gewohnten Heim – die erste Fahrt zur Selbstständigkeit, zur Emanzipation. Eine wichtige Erfahrung.

Geht es um die Teilnahme bzw. Nichtteilnahme muslimischer Mädchen und Jungen, erlangen Klassenfahrten besondere, ganz andere Dimensionen. Neben die pädagogischen kommen integrations- und kulturpolitische Aspekte hinzu. Bei Bekanntwerden solcher Fälle schöpfen Politiker nicht selten das gesamte integrationsrhetorische Arsenal aus, halten freie Reden über die Grundwerte der freiheitlich demokratischen Grundordnung, die Bedeutung der Integration und fordern bei Nichtteilnahme sogar Sanktionen für Eltern und Schüler. Die allgemeine Schulpflicht und der Bildungsauftrag des Staates avancieren zu juristischen Schwergewichten und erklimmen den Gipfel der Normenhierarchie. Weder das Selbstbestimmungsrecht der Eltern, noch die Religionsfreiheit können der künstlich aufgebauschten „neuen Werte-und Rechtsordnung“ dann noch das Wasser reichen.

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Verkehrte Welt?
Das wäre weniger schlimm, wenn betroffenen Muslimen nicht das Gefühl vermittelt werden würde, es gehe tatsächlich um das Wohl ihrer Kinder als um deren Religion. Dass dem so ist, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Bremen (OVG). Dort mussten zwei in Deutschland geborene und aufgewachsene Jugendliche – von denen einer sogar aufgrund sehr guter schulischer Leistungen mit einem Stipendium ausgezeichnet wurde – ihre Teilnahme an einer Klassenfahrt gerichtlich erstreiten. Grund: Sie sind lediglich geduldet und könnten nach einer Ausreise nicht mehr zurück nach Deutschland.

Dass das nicht sein darf, erklärte das OVG und verpflichtete die Ausländerbehörde, dafür zu sorgen, dass die beiden Jugendlichen an der Klassenfahrt teilnehmen können. Außerdem sollen die beteiligten Behörden, so das Gericht, besser Zusammenwirken, um in der Zukunft Schülern in vergleichbaren Situationen eine Teilnahme an Schulveranstaltungen zu ermöglichen.

Einzelfall?
Hätte ein Oberverwaltungsgericht zwei muslimischen Schülern die Teilnahmepflicht an der Klassenfahrt auferlegt, wäre die Entscheidung bereits mehrfach begrüßt worden. Eins nach dem anderen hätten sich Politiker hingestellt, eine Arie vom Gipfel des Rechtsstaates gesungen und stolz ihre gesamte integrationspolitische Phrasensammlung präsentiert. Jetzt aber, wo es um zwei Schüler geht, die ihrer allgemeinen Schulpflicht nachkomme wollen aber nicht dürfen, schweigt die sonst leicht in Wallung geratende Politikerlandschaft. Kein Wort über das Wohl der Kinder, über den Bildungsauftrag des Staates oder über die Schulpflicht. Nichts. Vereinzelte Nachrichten geben den wesentlichen Inhalt der Rechtsprechung wieder ohne Zitate und Statements von den vermeintlichen Beschützern der hiesigen Werteordnung.

Einzelfall? Interessant wäre an dieser Stelle zu wissen, wie viele Jugendliche an einer Klassenfahrt – aus welchen Gründen auch immer – nicht teilnehmen wollen und wie viele nicht dürfen, um auch mal das Ausmaß des Problems und dessen Präsenz in der Öffentlichkeit gegenüberstellen zu können. Wer interessiert sich bzw. interessiert sich nicht für wessen (Nicht)Teilnahme an Klassenfahrten und vor allem wieso?

Diskrepanz – vom Doppelmoral mal abgesehen
Ist es weit hergeholt, wenn an dieser Stelle Zweifel über die verlautbarten Beweggründe der immerwährend Fordernden aufkommt, wenn es um die Teilnahme muslimischer Kinder an Klassenfahrten geht? Ist es abwegig, auch in diesem Fall an den Bildungsauftrag, die allgemeine Schulpflicht und an die Integrationskeule zu erinnern, um anschließend die Frage zu stellen, wieso all diese sonst so wichtigen Aspekte ihre Bedeutung verlieren, wenn es um einen läppischen Aufenthaltstitel geht, der selbst die Werte der freiheitlich demokratischen Grundordnung auf den Kopf zu stellen scheint und offensichtlich weder Kindeswohl noch Pädagogik kennt?

Möglicherweise führt die Diskrepanz zischen Anspruch und Wirklichkeit, Theorie und Praxis, Reden und Handeln – vom Doppelmoral mal abgesehen – dazu, dass Betroffene immer allergischer reagieren, wenn sie angemahnt werden, sich doch an die hiesigen Regeln und Werte zu halten. Dabei wäre es doch so einfach, Misstrauen präventiv zu bekämpfen. Man müsste sich lediglich an der hiesigen Verfassung orientieren. Dort wird in verständlicher Sprache und in aller Kürze erklärt, wie man mit Menschen – egal welcher Herkunft sie sind, welcher Religion sie angehören oder welchen Aufenthaltstitel sie haben – umzugehen hat.