Türkische Presse Europa

04.12.2009 – Fatih Akin, Minarett, Milli Görüs

In der türkischsprachigen Presse in Europa vom Freitag dominieren wiederum die Debatten zum schweizer Minarett-Verbot die Themenfelder. Neben dem Boykott Fatih Akis werden auch der Protest einer Baseler Kirche und aus der muslimischen Welt thematisiert. Zudem wird über die Durchsuchungen bei der IGMG und der Anerkennung von ausländischen Abschlüssen berichtet.

Fatih Akin geht nicht in die Schweiz
Der Regiseur Fatih Akin wird nicht in die Schweiz gehen. Darüber berichten SABAH und MILLIYET. Am 16. Dezember werde die Premiere seines neuesten Films „Soul Kitchen“ in der Schweiz stattfinden. An dieser will der Filmemacher jedoch auf Protest gegen das Minarett-Verbot nicht teilnehmen, teilte er in einem offenen Brief mit (wir berichteten). Dieser Volksentscheid widerspreche seinem Verständnis von Humanismus, Toleranz und dem Glauben daran, dass ein harmonisches Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Rasse und Religion möglich sein muss.Da er ein Kind moslemischer Eltern sei, die in Minaretten keinen politischen Islam, sondern lediglich die vollständige Architektur ihrer Gotteshäuser sehen, fühle er sich durch den Volksentscheid auch persönlich betroffen.

Minarett-Verbot verletzt die Demokratie
Zu diesem Schluss kommt der Vorsitzende des Interreligiösen Rates Schweiz, Hanspeter Ernst in ZAMAN und HÜRRIYET. Das Ergebnis des Minaretten-Referendums würde gegen die Schweizer Verfassung verstoßen. Mit dem Verbot von Minaretten würden Muslime diskriminiert und ausgegrenzt. Vor 160 Jahren schon hätte die Religionsfreiheit Eingang in die Schweizer Verfassung gefunden, und darauf sei man auch stolz. Das Verbotsreferendum verstoße gegen diese Regelung und schade dem inneren Frieden im Land. Jürgen Miksch, Vorsitzender des Interkulturellen Rates Deutschland warnte davor, dass auch ein Referendum in Deutschland zu einem ähnlichen Ergebnis kommen würde. Die Ablehnung gegenüber dem Islam gehe soweit, dass dafür sogar die Menschenrechte dafür mit Füßen getreten werden.

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Kirchenturm ist auch ein Minarett
Die historische Elisabethen Kirche in Basel hat ihren Kirchturm aus Protest zum Minarett-Verbot symbolisch zum Minarett erklärt, berichtet die HÜRRIYET. Am Eingang der Kirche wurde von der Kirchenleitung ein Plakat angebracht auf dem Stand „Der Kirchturm der Offenen Kirche ist auch ein Minarett“. Außerdem wurde zusammen mit Muslimen ein gemeinsames Gebet in der protestantischen Kirche veranstaltet.

Schwache Reaktion in der muslimischen Welt
Die MILLIYET beobachtet nur eine schwache Reaktion in der muslimischen Welt zum  Verbots-Referendum in der Schweiz. So hätte sich in keinem muslimischen Land außer der Türkei die Staatsführung zu dem Thema geäußert. So hätten sich noch die Organisation der Islamkonferenz (OIC) und die Arabische Liga als Institutionen gegen das Verbot gewandt. Die Nachrichtenagenturen hätten aber sonst von keinem Regierungschef außer dem Türkischen ein Statement zu dem Thema publiziert.

Vierte Durchsuchung in 14 Monaten
ZAMAN, MILLIYET und SABAH berichtern am Freitag über die Durchsuchungen bei der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG). Es würde sich dabei um die vierte Durchsuchung in 14 Monaten in den gleichen Räumlichkeiten handeln. Neben der Zentrale in Kerpen wurden auch zahlreiche Regionalverbände durchsucht. Es gehe um Spendenbetrug und nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge von 500 Imamen, sagte der Kölner Staatsanwalt Günther Feld. Die IGMG wehre sich in einer eigenen Stellungnahme gegen die Durchsuchungen, wo diese als Rufmord bezeichnet werden. Seit 2006 würden diese Verfahren gegen die Organisation laufen, mit unterschiedlichen ehrenrührigen Vorwürfen, aber bisher ohne Erfolg. Diese Maßnahmen wären auch keine Überraschung, da man immer wieder die Warnung erhalten habe, der Ermittlungsdruck werde erhöht, wenn die Organisation nicht von ihrer integrationspolitischen Linie und ihrer Kritik an der Präventionspolitik der Sicherheitsbehörden abrückt. Die Zeitungen weisen auch darauf hin, dass in den deutschen Medien zwar über die Durchsuchungsmaßnahme berichtet wurde, der Position der Betroffenen aber kaum Platz eingeräumt wurde.

Ausländische Abschlüsse sollen anerkannt werden
Der Vorstoß der SPD, ausländische Abschlüsse anzuerkennen, wird auch von anderen Parteien unterstützt, berichtet die HÜRRIYET. So sollen ausländische Abschlüsse unabhängig vom Herkunftsland innerhalb von sechs Monaten anerkannt werden. Außerdem solle ein zentrales „Anerkennungszentrum“ eingerichtet werden, um eine bundesweite Praxis umsezten zu können. Die CDU/CSU-Fraktion wies darauf hin, dass im Koalitionsvertrag solch eine Regelung vorgesehen sei und die Opposition den Maßnahmekatalog der Regierung, der noch ausgearbeitet werden müsse, unterstützen solle.