Bayern

Streit um Kommunalwahlrecht für Drittstaater

Die bayerische SPD legt einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes vor und fordert das kommunale Wahlrecht auch für sog. Drittstaater. Für den Bayerischen Innenminister Herrmann (CSU) ist das ein „integrationspolitischer Irrweg“.

„Die Mitwirkungsmöglichkeiten von ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern auf kommunaler Ebene müssen verbessert werden“, fordert die integrationspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag, Isabell Zacharias. Die SPD-Politikerin, die zu den Unterzeichnern der Kampagne „Demokratie braucht JEDE Stimme! Kommunales Wahlrecht für alle!“ gehört, bezeichnet es als das Ziel, das kommunale Wahlrecht für alle rechtmäßig und dauerhaft in Deutschland lebenden Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland einzuführen.

Grundlegende Voraussetzung hierfür ist eine Änderung bzw. Ergänzung von Art. 28 Abs. 3 des Grundgesetzes. Dafür werde sich die SPD einsetzen. Zacharias: „Die Einführung des kommunalen Wahlrechts für alle stand im Bundeswahlprogramm 2009 der SPD.“ Bei Kommunalwahlen in Deutschland haben außer den deutschen Staatsangehörigen bisher nur die Bürger der Europäischen Union aktives und passives Wahlrecht, beklagt die SPD-Politikerin. 4,45 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner mit einem anderen Pass, sogenannte Drittstaater, sind von diesem demokratischen Recht ausgeschlossen. Dabei leben von den 6,75 Millionen Ausländern in Deutschland fast die Hälfte länger als 15 Jahre hier.

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In vielen Ländern der EU wie Schweden, Dänemark, den Niederlanden, Belgien, Irland, Ungarn, Estland, Litauen und der Slowakei ist das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländerinnen und Ausländer bereits eine Selbstverständlichkeit geworden. Damit wird den Beschlüssen des Europaparlaments sowie verschiedenen internationalen Vereinbarungen entsprochen. Zacharias: „Für die Integration und für die künftige demokratische Entwicklung auch in unseren Kommunen ist es wichtig, dass alle Bewohner bei den Entscheidungen, die ihr unmittelbares Lebensumfeld betreffen, ein Mitspracherecht haben.“

Mit der Einführung des kommunalen Wahlrechts für EU-Staatsangehörige, so die SPD-Sprecherin, ist ein „Dreiklassenwahlrecht“ mit vollwahlberechtigten deutschen Staatsbürgern, kommunalwahlberechtigten EU-Bürgern und wahlrechtslosen Drittstaatsangehörigen entstanden. „Solange einem großen Teil der Bürgerinnen und Bürger dieses Partizipationsrecht auf kommunaler Ebene vorenthalten wird und diese Bürgerinnen und Bürger von einer demokratisch-politischen Teilhabe ausgeschlossen werden, wird sich dieser Teil viel stärker mit der Politik der Herkunftsländer beschäftigen“, so die integrationspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion.

Auch ist sei mit demokratischen Grundsätzen unvereinbar, dass Menschen, die seit vielen Jahren rechtmäßig in Deutschland leben und ihre staatsbürgerlichen Pflichten erfüllen, bei Kommunalwahlen zu einer Zuschauerrolle verurteilt werden.

Unabhängig von der Einführung des Kommunalwahlrechts auch für Drittstaatsangehörige müssen Diskriminierungen für EU-Bürger im Kommunalwahlrecht in Bayern aufgehoben werden, erklärt Zacharias. Die Wählbarkeit zum ersten Bürgermeister und zum Landrat ist in Bayern auf Deutsche begrenzt, so die SPD-Abgeordnete. Damit haben EU-Ausländer, die in den Gemeinderat oder den Kreistag gewählt werden, auch keine Möglichkeit zu weiteren Bürgermeistern oder zum Stellvertreter des Landrats gewählt zu werden, weil die Wählbarkeit in diese Ämter an die Wählbarkeit in das Amt des ersten Bürgermeisters oder Landrats anknüpft.

Zacharias: „Diese integrationspolitisch nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zwischen Deutschen und Staatsangehörigen der übrigen Mitgliedstaaten der EU beim passiven Kommunalwahlrecht wollen wir aufheben.“ Auch wenn die Einschränkung mit Grundgesetz und europäischem Recht vereinbar sei, so sei sie doch diskriminierend.

Die SPD-Politikerin stellt einen entsprechenden Gesetzentwurf ihrer Fraktion zur Änderung des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes in Bayern vor. In dem Gesetzentwurf soll auch die Vorschrift über die Bürgerversammlung in der Gemeindeordnung geändert werden. Nicht-EU-Bürger sollen ein Mitspracherecht in der Bürgerversammlung bekommen, ohne dass die Versammlung dies zuvor mit Mehrheit beschließen muss. Zacharias: „Solche Gemeindeangehörige wohnen schon oftmals länger in der Gemeinde als so mancher in der Bürgerversammlung berechtigte Bürger.“

In Thüringen ist vor der Landtagswahl von der CDU-Mehrheit im alten Landtag eine entsprechende Änderung des thüringischen Kommunalrechts beschlossen worden.

Joachim Herrmann: „integrationspolitischer Irrweg „
Als “ integrationspolitischer Irrweg“ bezeichnete der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann die Forderung der SPD. „Das Wahlrecht allein schafft noch keine Integration. Für mich heißt erfolgreiche Integration vielmehr: Klares Bekenntnis zu Deutschland und seiner Werteordnung. Dieses Bekenntnis gibt ab, wer nach Abschluss der Integration die deutsche Staatsangehörigkeit mit allen Rechten und Pflichten erwirbt. Das Wahlrecht steht damit nicht am Anfang, sondern am Ende der Integration“, sagte Herrmann.

Der Innenminister betonte, dass das geltende Recht bereits nach acht Jahren rechtmäßigen Aufenthalts in Deutschland einen Einbürgerungsanspruch vorsehe. Wer von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch mache, lehne die deutsche Staatsangehörigkeit und damit auch wichtige Staatsbürgerrechte ab.

Herrmann weiter: „Es gibt überhaupt keinen Grund, Ausländern, die sich bewusst gegen die deutsche Staatsangehörigkeit entscheiden, das Kommunalwahlrecht nachzuwerfen. Zudem haben auch heute schon alle Ausländer die Möglichkeit einer angemessenen Interessenwahrnehmung auf kommunaler Ebene, so etwa in den Ausländerbeiräten. In der bayerischen Regierungskoalition haben wir uns auch darüber verständigt, Nicht-EU-Bürgern ein Antrags- und Rederecht bei Bürgerversammlungen einzuräumen.“

Schließlich müsse die SPD wissen, dass ihre Forderung politisch nicht durchsetzbar sei. Ein kommunales Wahlrecht auch für Nicht-EU-Ausländer setze eine Änderung des Grundgesetzes und damit jeweils Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat voraus. „Solche Mehrheiten sind nicht im Ansatz erkennbar. Damit sind die SPD-Forderungen von vornherein politisches Wunschdenken ohne Aussicht auf Erfolg“, so der Innenminister abschließend.