Türkische Presse Europa

27.08.2009 – Blutbad, Bundeswehr, Doppelbesteuerung, Wahlkampf

Die heutigen Europaausgaben türkischer Tageszeitungen berichten uneinheitlich und sprechen viele Themen an. Der Doppelbesteuerungsabkommen ist nach wie vor Thema. Außerdem wird über ein Blutbad vor dem Gelsenkirchener Familiengericht oder über ein Selbstmordfall eines Türkischtämmigen bei der Bundeswehr berichtet.

Doppelbesteuerungsabkommen Türkei-Deutschland
Die ZAMAN berichtet auf der Titelseite der Europaausgabe über die jüngsten Äußerungen Deutschlands zur Kündigung. Der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Michael Köhler, habe mitgeteilt, dass Deutschland bereits seit fünf Jahren mit der Türkei über ein neues Abkommen verhandeln wolle, die Türkei aber untätig geblieben sei. Insofern sei die Türkei verantwortlich für die Kündigung des Doppelbesteuerungsabkommens und habe nun den Ball. Ankara hingegen sei der Auffassung, dass die bisher vorgelegten Bedingungen nicht akzeptabel gewesen seien. Man werde nun versuchen Deutschland zu überreden, von den ursprünglichen Bedingungen abzukommen.

Köhler habe weiter ausgeführt, dass man diese Angelegenheit nicht politisieren dürfe. Deutschland habe das Abkommen gekündigt, um die Verhandlungen für ein neues Abkommen zu beschleunigen. Zwischen der Türkei von 1985 und der Türkei von heute bestünden erhebliche Unterschiede. Die Türkei habe sich merklich weiterentwickelt, weswegen das Doppelbesteuerungsabkommen nicht mehr zeitgemäß gewesen sei.

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Tod während des Wehrdienstes
Die SABAH meldet über einen türkischstämmigen Jugendlichen (19), der bei der Bundeswehr während seines Wehrdienstes tod aufgefunden worden sei. Der Vater des Jugendlichen habe zweifel an der offiziellen Todesursache gemeldet. Laut SABAH sei Selbstmord attestiert worden. Der Vater allerdings sage, dass sein Sohn kein Mensch gewesen sei, der hätte Selbstmord begehen können. Er hätte keinerlei Anlass und Grund für Selbstmord gehabt.

In den deutschen Medien würden vereinzelt Liebeskummer als Motiv für den Selbstmord angegeben. Der Vater allerdings könne das nicht nachvollziehen. Sein Sohn habe sie an Wochenenden sehen können. Außerdem habe er drei Tage vor seinem angeblichen Selbstmord Antrag auf Verlängerung der Wehrdienstzeit gestellt.

Staatsminister Buhlmann beim Mittagsgebet
Unter dieser Überschrift berichtet die MILLIYET über den Besuch des Staatssekretärs Edelgard Buhlmann und des Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy (beide SPD) bei der „Hayibayram Moschee“ in Hannover. Dort hätten sich die beiden Politiker Zeit für Türken und deren Sorgen genommen. Außerdem habe Buhlmann zum ersten mal in seinem Leben an einem muslimischen Mittagsgebet teilgenommen. Er habe, nachdem der den Gebet verfolgt habe, gesagt, dass er zwar nicht verstanden habe, was gepredigt worden sei, aber es sich anders als wie in der Kirche angehört habe.

Kommentar: Mildernde Umstände für den Mörder von Marva
Ismail Kul geht in seiner heutigen Kolumne der Frage nach, ob sich der Mörder von Marva, die im Dresdener Gerichtssaal mit Messerstichen umgebracht wurde, möglicherweise auf mildernde Umstände berufen kann. Folgendes spreche dafür.

Zunächst aber stellt Kul die Frage, ob dem Mörder irgendwelche Erkenntnisse über Marva vorlagen, als er sie als „Terroristin“ und „Islamistin“ bezeichnete. Natürlich nicht. Er kannte die Apothekerin nicht. Auf der anderen Seite, so Kul, hatte der Mörder aber auch keine Erkenntnisse darüber, dass sein Opfer eben keine „Terroristin“ oder „Islamistin“ war. Marva hatte einen dunklen Teint und trug ein Kopftuch. Insofern könnte sie tatsächlich „Islamistin“ und „Terroristin“ gewesen sein. Wie hätte sich der Täter sicher sein können, dass Marva wirklich unbescholten war?

Schließlich werden von Uwe Schünemann in Niedersachsen, so Kul weiter, von Zeit zu Zeit nach dem Freitagsgebeten Muslime von der Polizei kontrolliert. Werden diese Moscheekontrollen nicht durchgeführt, weil unter den Muslimen Terroristen sein könnten, obwohl keinerlei Erkenntnisse in diese Richtung vorliegen – sog. verdachtsunabhängige Kontrollen? Nur um das Gefühl zu vermitteln, dass die Polizei wachsam ist – wir beobachten euch?

Wenn selbst gebildete Menschen und sogar Ministerpräsidenten so handeln, wie solle sich dann ein Einzelner wie Alex W. verhalten, wenn der Frieden und die innere Sicherheit gefährdet ist? Ist es sehr abwegig, so Kul weiter, wenn er mit dem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, selbst tätig zu werden? Nein, sagt Kul.

Mit diesen Ausführungen wolle Kul den Anwälten vom Mörder keine Tipps in die Hand geben. Wenn sie aber die Moscheekontrollen aus Niedersachsen als Beispiel aufführen, könnten das mildernde Umstände sein.

Importärzte
Aufgrund des demografischen Wandels müsse Deutschland in den kommenden Jahren Ärzte aus dem Ausland importieren, meldet die ZAMAN unter Berufung auf den Pressesprecher der Bundesärztekammer. Die meisten ausländischen Ärzte kommen der Meldung nach aus Österreich, Griechenland, Polen, Russland und aus dem Iran.

Anerkennung ausländischer Qualifkationen
SPD-Abgeordneter Gerd Anders hat einer Meldung der ZAMAN zufolge versichert, nach den Wahlen die Problematik mit der Anerkennung ausländischer Qualifikationen in die Hand zu nehmen. Es würden bedeutende Potenziale verschwendet, was man sich nicht mehr leisten könne.

Keine Zusicherung für die nächste Legislaturperiode
Unter dieser Überschrift berichtet die ZAMAN über Nordrhein-Westfalen, das Land mit den meisten Migranten. Dennoch, so die ZAMAN, befinde sich im Landtag kein einziger Abgeordneter mit Migrationshintergrund. Auch die nächste Legislaturperiode, gebe kein Anlass für Hoffnung. Bis auf die Grünen hätte keines der großen Parteien versichert, einen Kandidaten mit Migrationshintergrund aufzustellen bei den nächsten Wahlen im Mai 2010.

„Wenn wir mitregieren, werden wir das Staatsangehörigkeitsrecht reformieren“
Mit dieser Schlagzeile zitiert die ZAMAN Grünen-Chef Cem Özdemir, der auf einer Wahlkampfveranstaltung in Dortmund eine Rede gehalten habe. Nach den bevorstehenden Kommunalwahlen gehe es weiter mit den Bundestagswahlen. In diesem Zusammenhang habe er alle wahlberechtigten dazu aufgerufen, an der Wahl teilzunehmen. Das Wahlrecht sei auch eine Bürgerpflicht.

Angriff auf Türkiyemspor
Die Jugendmanschaft sei einer Meldung in der MILLIYET zufolge während eines Trainingslageraufenthaltes in Lindow von Neonazis angegriffen worden. Ein Spieler sei mit einer Axt angegriffen worden und habe schwere Verletzungen am Bein erlitten.

Blutbad vor Gericht
Auf der Titelseite der Europabeilage der MILLIYET wird über ein Blutbad vor einem Gelsenkirchener Familiengericht berichtet. Eine Türkin habe seinen scheidungswilligen Ehemann vor dem Scheidungstermin mehrfach angeschossen. Der Ehemann sei schwer verletzt, die Täterin kurz nach der Tat festgenommen worden.

SPD: „Wir sind Deutschland“ Kampagne
Über die SPD-Offensive mit der stellvertretenden Vorsitzenden Andrea Nahles berichtet die heutige HÜRRIYET. Neben dem kommunalen Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer wolle die SPD auch die doppelte Staatsbürgerschaft erlauben. Außerdem sei Mehrsprachigkeit für Deutschland ein Gewinn, dass gefördert werden müsse.

Wir sind gegen die doppelte Staatsbürgerschaft
In der SABAH und MILLIYET hingegen wird der hamburgischen CDU-Abgeordneten Aygül Özkan Platz eingeräumt, die noch einmal die CDU-Position bekräftigt habe. Der Vorstoß der SPD sei lediglich Wahltaktik. Jeder solle die Staatsbürgerschaft des Landes haben, in der er lebe.

Bald keine Familienzusammenführungen mehr
Der beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für Integration zuständige Experte Oliver Steinert habe einer kurzen Meldung in der SABAH zufolge gesagt, dass die Familienzusammenführung eines Tages enden werde. Im Jahre 2008 seien 8100 Ehegatten im Wege der Familienzusammenführung nach Deutschland eingereist.