Türkische Presse Europa

18.08.2009 – Moscheekontrollen, Schächten, Doppelbesteuerung

Die Europaausgaben der türkischen Tageszeitungen berichten unter anderem über eine Klage eines türkischen Metzgers für eine unbetäubte Schächtgenehmigung, die Beschwerden zu den verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen, Steinbrücks Erklärung zur Kündigung des Doppelbesteuerungsabkommens, u.v.m.

Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich erneut mit der Schächtung
Der türkischstämmige Metzger Rüstem Altinküpe aus Aßlar-Werdorf in Hessen prozessiert erneut vor dem Bundesverfassungsgericht für eine unbetäubte Schächtgenehmigung, berichtet die HÜRRIYET. Seit über zehn Jahren kämpfe Altinküpe vor Behörden und Gerichten für die Erlaubnis. Im Jahre 2002 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass muslimische Metzger eine Ausnahmegenehmigung für das Schächten erhalten können.

2006 habe das Bundesverwaltungsgericht das Urteil bestätigt. Der zuständige Lahn-Dill-Kreis verweigere oder verzögere aber immer wieder Ausnahmegenehmigungen und versah sie zuletzt mit sehr strengen Auflagen. Altinküpe habe nun vor Kurzem erneut eine Verfassungsbeschwerde eingereicht und einstweiligen Rechtsschutz beantragt, weil er wirtschaftliche Nachteile befürchte. Mit einer Entscheidung im vorläufigen Verfahren sei in Kürze zu rechnen.

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Moscheekontrollen: „Was will die Merkel von uns?!“
Die MILLIYET lässt die Besucher der Moschee in Braunschweig zu Wort kommen, die vor kurzem einer verdachtsunabhängigen Kontrolle ausgesetzt wurde. Sie bringen allesamt ihren Unmut über die Maßnahme zur Sprache und meinen, dass die Moscheekontrolle nicht rechtmäßig war und das Image der Moschee und des Islams geschädigt habe. Eine verdachtsunabhängige Kontrolle vor einer Kirche sei undenkbar, so die einhellige Meinung der Moscheebesucher.

Ali Fidan, Vorstandsmitglied der DITIB-Gemeinde in Feuerbach sieht in den Kontrollen zudem ein Integrationshemmnis. „Der deutsche Staat erwartet von uns jederzeit die Förderung der Integration. Dabei muss sie wissen, dass Integration so nicht möglich ist. Sollten die Kontrollen anhalten, wird das zu großen Reaktionen führen. Die Kirchen hätten solch eine Kontrollmaßnahme nicht zugelassen“, sagte Fidan wörtlich. Ein Moscheebesucher bringt die Bundeskanzlerin in Zusammenhang mit den Moscheekontrollen: „Seitdem Angela Merkel Bundeskanzlerin ist, häufen sich derartige Repressalien gegenüber Muslimen. Wir wollen wissen was die Merkel von uns will? Keiner hat das Recht den Gottesdienst zu erschweren und die Moscheebesucher zu stören.“

Die Grünen-Abgeordnete Filiz Polat habe in der Angelegenheit eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gerichtet. Sie wolle unter anderem wissen, ob die verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen die Radikalisierung unter Jugendlichen fördert und nicht die Religionsausübungsfreiheit einschränkt. In den Vorbemerkungen der Anfrage habe Filiz angemahnt, dass die Stationierung der Polizeieinheiten vor den Moscheen diskriminierende Auswirkungen habe.

Studie: Migrantenkinder strengen sich nicht an
Dass Kinder aus Zuwandererfamilien in der Ausbildung häufiger Probleme hätten, liege vor allem daran, dass die Jugendlichen selbst sich zu wenig anstrengten, meinten ein Großteil der Deutschen, berichten die SABAH und MILLIYET. Das gehe aus der Umfrage „Stand der Integration in Deutschland“, die das Institut dimap im Auftrag der Bundesregierung erstellt hat, hervor. Die Gründerin des Vereins „Deukische Generation“, Aylin Selcuk, habe dagegen kritisiert, dass selbst die dritte Generation der Migranten in Deutschland nicht akzeptiert wird. Selcuk wörtlich: „Es muss sich in Deutschland die Erkenntnis durchsetzten, dass in diesem Land nicht nur Menschen mit blonden Haaren und blaue Augen leben.“

Die Studie zeige ferner, dass 78 Prozent der Befragten von „eher guten Erfahrungen“ mit Migranten im Alltag berichteten und nur 9 Prozent „eher schlechte“ Erlebnisse beklagten.

Gebetsraum in einer Fachklinik
Das Diabeteszentrum Bad Lauterberg im Harz hat in der Fachklinik für Diabetes und Stoffwechselkrankheiten einen Gebetsraum für Muslime bereitgestellt, berichtet die TÜRKIYE.

Steinbrück: Kündigung des DBA nicht überbewerten
Der Finanzminister Peer Steinbrück habe gegenüber der SABAH erklärt, dass die Kündigung des Doppelbesteuerungabkommens (DBA) mit der Türkei nicht überbewertet werden dürfe. Er hoffe, dass sie mit der Türkei bis zum 1. Januar 2011 ein neues Abkommen unterzeichnen können. Das neue Abkommen müsse die Interessen beider Länder berücksichtigen. Von türkischer Seite erklärte der zuständige Beamte Cetin Kara, dass sie bereits über das Außenministerium den Kontakt mit Deutschland pflegen, um das Problem schnell zu lösen.

Oberschulrat fordert Aussonderung von Migrantenkindern
Der Oberschulrat von Berlin Kreuzberg, Gerhard Schmidt, habe sich für ein spezielles Gymnasien für Migrantenkinder ausgesprochen, berichtet die HÜRRIYET. Wie nun die Zeitung berichtet, stößt dieser Vorstoß auf heftige Kritik: „Das ist nicht Pädagogik, sondern Diskriminierung“, „Das sind Kinder, die hier aufgewachsen sind, und keine Außenseiter“ oder schlicht „fatal“, ist von Migrantenvertretern zu hören. Auch Politiker seien einer Meinung: In Stadtteilen wie Moabit oder Kreuzberg gebe es ohnehin Schulen mit 95 Prozent Migrantenkindern zum Nachteil der Schüler. Daher sei der Vorschlag verfehlt. Vielmehr müssten Bildungseinrichtungen die Vielfalt der Stadt wiedergegeben.

Kölner OB-Kandidaten bitten um Unterstützung bei türkischstämmigen Wählern
Sowohl Jürgen Roters, der gemeinsame OB-Kandidat von SPD und Grünen für die bevorstehenden Kommunalwahlen in Köln, als auch der CDU-Kandidat Peter Kurth hätten bei den türkischstämmigen Wählern um Unterstützung gebeten, berichten SABAH und MILLIYET. Roters habe alle türkische Geschäfte, Restaurants und Cafes auf der Weidengasse einzeln besucht. Kurth habe in Vingst eine Ansprache in einem türkischen Cafe gehalten und sich das Fußballspiel  Fenerbahce Istanbul gegen Sivasspor angesehen.

Morde an Türkischstämmige in Belgien und den Niederlanden
Die HÜRRIYET, MILLIYET, TÜRKIYE und SABAH räumen auch heute den Morden an Türkischstämmige in den Niederlanden und Belgien breiten Raum ein. Insbesondere der Foltermord an Mikail Tekin in einer Haftanstalt in Belgien und die Untätigkeit der Regierung wird scharf kritisiert. Der HÜRRIYET-Kolumnist Zeynel Lüle stellt sich die Frage was wäre, wenn nicht sechs Türken in der EU, sondern sechs Europäer in der Türkei in so kurzer Zeit hintereinander ermordet würden. Es gäbe ein Aufschrei in der Europäischen Union, ist sich Lüle sicher. Die Europäische Kommission hätte sich eingeschaltet und der türkische Ministerpräsident sich längst entschuldigt und sein Bedauern kundgetan. Doch die Verantwortungsträger in Belgien ignorierten die menschenverachtende Bluttat. Das sei nicht hinnehmbar. Das gleiche gelte auch für die Niederlande. In nur drei Monaten seien vier türkischstämmige Unternehmer in Holland ermordet worden. Auch die niederländische Regierung schweige, wenn es sich um Türken handele.