Türkische Presse Europa

22.07.2009 – Ausländerfeindlichkeit, Türkisch, Diskriminierung

Die heutigen Europaausgaben der türkischen Zeitungen berichten unter anderem über den Umgang von Politik und Medien mit Ausländern, die Diskriminierung von Migrantinnen sowie die Zukunft des Türkischunterrichts. Weitere Themen sind die erschreckend hohe Tendenz zur Ausländerfeindlichkeit in Ostdeutschland sowie die Ermittlungen um den Mord an den Deutschen Gregor Kerkeling in Istanbul.

Kinderpornographie-Vorwurf an SPD-Politiker Tauss
Die SABAH berichtet kurz über die Forderung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, die Immunität des SPD-Abgeordneten Jörg Tauss aufzuheben, um gegen ihn ein Verfahren wegen Besitzes kinderpornographischer Bilder einzuleiten. Dazu benötige man aber die Genehmigung des Parlaments. Anfang März habe man in der Wohnung sowie im Büro des Politikers kinderpornographische Bilder aufgefunden, woraufhin Tauss von seinem Amt als Pressesprecher seiner Fraktion zurücktrat, obwohl er die Schuldzuweisungen abwies. Er habe die Bilder lediglich zu Recherchezwecken besessen.

Prof. Dr. Karl-Heinz Meier-Braun kritisiert Umgang der Politik mit Ausländern
Die SABAH berichtet über eine Veranstaltung der türkischen Stiftung für wirtschaftliche Entwicklung (IKV) in Istanbul, bei der der Politikwissenschaftsprofessor von der Universität Thübingen Karl-Heinz Meier-Braun einige Aussagen zur politischen Instrumentalisierung der Ausländer in Deutschland getroffen habe. In seiner Rede „Migration, Wahlkampagnen und Medien in Deutschland“ habe er erklärt, dass das Thema Ausländer, Migration und Integration während den Wahlkämpfen eine zentrale Rolle in der Politik spiele. Allerdings nutze man diese Thematik aus und instrumentalisiere die Ausländer sehr schnell für eigene Zwecke, um mehr Stimmen zu erlangen und bessere Wahlerfolge zu erzielen.

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Zudem habe er betont, dass trotz des neuen Zuwanderungsgesetzes vom 1. Januar 2005 Integrationsprobleme bestünden, gleichzeitig aber der Rechtsextremismus an Zulauf gewinne. Daher müsse die Zuwanderungs- und Integrationspolitik eine wichtige Stellung in der Sozial-, Bildungs- und Gesellschaftspolitik einnehmen.

Aiman Mazyek: „Wo ist Necla Kelek?“
Die ZAMAN schildert die Kritik des Generalsekretärs des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD) Aiman Mazyek, der Aussagen der Frauenrechtlerin Necla Kelek bzgl. der Ermordung Marwa Al-Shirbinis vermisse und sich die Frage stelle, weshalb sie nicht auch die Rechte muslimischer Frauen beschütze. Er habe gesagt, dass in den letzten Jahren ein Anstieg islamfeindlicher Übergriffe insbesondere gegen Muslimen und Moscheen zu verzeichnen sei und dies besonders Personen betreffe, die deutliche religiöse Zeichen tragen. Am meisten davon seien muslimische Frauen aufgrund ihres Kopftuches betroffen. Die Frage, wo denn bei diesen Fällen Necla Kelek, die sich als Frauenrechtlerin bezeichne, bleibe, während die Ausgrenzung und Diskriminierung der Muslima hierzulande ständig zunehme, sei weiterhin offen. Dabei sei sie doch diejenige gewesen, die die muslimischen Frauen „retten“ wolle. Man könne nicht verstehen, weshalb sie sich nun mit ihren Parolen wie „Frauenzusammenhalt“ und „Solidarität“ zurückhalte.

Ausländische Frauen werden eher diskriminiert
Die ZAMAN berichtet über ein Symposium unter dem Titel „Gleichheit für Frauen im Beruf und Lohn – Ausländische Frauen im Berufsleben“, das vom Münchener Ausländerbeirat organisiert worden ist. Darin hieß es, dass die Ungleichheit bzgl. der Arbeitschancen und des Lohnniveaus zwischen Frauen und Männern mit einer Studie der Vereinten Nationen belegt worden sei und dass diese Ungleichbehandlung besonders ausländische Frauen betreffe. Dies hänge damit zusammen, dass zum einen ausländische Schulabschlüsse nicht anerkannt werden und zum anderen diese Frauen aufgrund ihrer äußeren Erscheinung (Hautfarbe, Kopftuch usw.) oft benachteiligt werden.

Die Regionalverbandsvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Heide Langguth habe in ihrer Rede betont, dass sowohl Migrantinnen als auch deutsche Frauen auf dem Arbeitsmarkt die gleichen Rechte erhalten müssen wie Männer. Leider müsse man aber auch zugeben, dass Frauen mit Migrationshintergrund öfter von Diskriminierungen betroffen sind als Deutsche. Diese Ungleichbehandlung schlage sich vor allem in den Renten nieder. Daher fordere sie, dass das Kinderbetreuungsprogramm ausgeweitet wird und ausländische Schulabschlüsse von der Bundesrepublik anerkannt werden. Zudem solle man den in Deutschland geborenen Kindern die doppelte Staatsbürgerschaft erlauben und jenen Menschen, die länger in Deutschland leben, die politische Teilhabe ermöglichen.

Flüchtlinge kommen über die Türkei
Die SABAH berichtet über einige Aussagen des EU-Komissars für Justiz Jacques Barrot, wonach eine Kooperation mit der Türkei unabdingbar sei, um den Flüchtlingsstrom nach Europa stoppen zu können. Diese Kooperation sei in gewisser Hinsicht auch ein Test für künftige Arbeiten mit der Europäischen Union. Zur Behebung des Problems müsse man mit den Ursprungs- und Übergangsländern zusammenarbeiten. Daher wolle er in den kommenden Tagen nach Ankara reisen. Zudem habe er die Politik der EU-Länder kritisiert, die in dieser Thematik keine gemeinsame Politik betrieben, sondern mit nationalen Regelungen dem Flüchtlingsstrom entgegenzuwirken versuchten.

Hinter dem Mord an Deutschen steckt möglicherweise mehr als 47 Cent
Die MILLIYET und ZAMAN berichten über die Ermittlungen im Falle des in Istanbul ermordeten Deutschen Gregor Kerkeling (42), der in den vergangenen Tagen von einem Bettler niedergestochen wurde, weil er ihm keinen Lira (entspricht 47 Cent) geben wolle. Die Tatsache aber, dass Kerkeling einige Zeit zuvor den Zuschlag bei einer Auftragsvergebung erhielt sowie die Einsicht der Polizei, dass es den Videoaufnahmen zufolge den Anschein erweckt, als steche der Täter mit Hass auf das Opfer ein, und seine widersprüchlichen Aussagen bei der Vernehmung habe die Polizei zu tiefgründigeren Ermittlungen bewegt. Sie gehe nun davon aus, dass der Täter auf einen Auftrag hin Kerkeling ermordet habe. Um mehr Klarheit in den Ermittlungen zu schaffen, habe man Kontakt mit dem Bekanntenkreis des Mörders aufgenommen und ärztliche Berichte des Krankenhaus in Bakirköy für Geisteskranke eingefordert, in dem er 20 Tage lang behandelt worden war.

Die Zukunft des Türkischunterrichts
Nach Angaben der SABAH und MILLIYET habe das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) beschlossen, die nötigen Schritte für den Erhalt des Türkischunterrichts und der Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung für Türkischlehrer zu gehen. Dies habe die Sprecherin des BMAS Heike Helfer der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mitgeteilt. Man arbeite zusammen mit dem Innenministerium daran, eine neue Regelung für den Türkischunterricht zu entwerfen, so Helfer. Das Problem war entstanden, weil die entsprechende Regelung in der Beschäftigungsordnung am 1. Dezember 2009 abläuft und  Lehrern aus der Türkei keine Aufenthaltsgenehmigung mehr erteilt werden kann. Damit wäre der muttersprachliche Unterricht in vielen Städten Deutschlands nicht mehr möglich.

Zunehmende Ausländerfeindlichkeit in Ostdeutschland
Die MILLIYET berichtet über eine Umfrage des Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrums Berlin-Brandenburg (SFZ), wonach mehr als Ein Drittel der Bevölkerung in Ostdeutschland ausländerfeindlich sei. An der Befragung haben insgesamt 1900 Personen aus den Neuen Bundesländern teilgenommen. Dabei habe sich ergeben, dass 40 Prozent der Befragten Ausländer nicht ausstehen können. Der Vorsitzende des Vereins Volkssölidarität Bundesverband e.V. (VS) Gunnar Winkler habe dies damit begründet, dass die ostdeutsche Bevölkerung während der DDR-Zeit keinen Kontakt mit Ausländern hatte und nach dem Mauerfall jegliche Vorurteile vollständig übernommen habe.

Über die gleiche Umfrage hatte am 21. Juli die ZAMAN berichtet. Darin wurde der Schwerpunkt allerdings auf das Gefälle zwischen Ost- und Westdeutschland gelegt.

Kosten für den Türkischunterricht in Bayern sind für den Freistaat zu hoch
Die HÜRRIYET berichtet über den Türkischunterricht in Bayern, dessen Kosten vollständig den türkischen Konsulaten überlassen worden sind, da der Freistaat Bayern diese nicht mehr tragen könne. Der Unterricht werde nicht als schulisches Angebot eingestuft und erfordere daher auch eine Zusatzversicherung für die Schülerinnen und Schüler während der Zeit, in der sie sich im muttersprachlichen Unterricht befinden. Hinzu kämen noch Mietgebühren für die Unterrichtsräume.

Der Bildungsattache des Generalkonsulats München Mahmut Hackali habe alle türkischen Bürger dazu aufgerufen, sich für die Einstufung des Türkischunterrichts als schulisches Angebot einzusetzen und somit die Hindernisse für die Erteilung muttersprachlichen Unterrichts zu beheben. Er habe erklärt, dass bisher 12 000 Schülerinnen und Schüler ihr Interesse an einer Teilnahme am Unterricht bekundet haben. Dies sei nur möglich, wenn die genannten Kosten nicht aufgebracht werden müssen. Allerdings sei es auch möglich, dass die Eltern in direkten Kontakt mit den jeweiligen Schuldirektoren treten und das Problem schulintern klären.