Türkische Presse Europa

21.07.2009 – Türkisch, Lehrer, EU-Beitritt Türkei, Ost-West

Die heutigen Europaausgaben der türkischen Zeitungen berichten u.a. über eine Umfrage zur Wiedervereinigung Deutschlands, dem Türkischunterricht in Baden Württemberg sowie dem zunehmenden Lehrermangel in der Bundesrepublik. Weitere Themen sind die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, die Bundestagswahlen und ein Interview mit der Kanzlerin Angela Merkel.

Gefälle zwischen Ost- und Westdeutschland
Die ZAMAN berichtet über eine Studie des Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrums Berlin-Brandenburg (SFZ), die die Haltung des ostdeutschen Volkes zum Mauerfall und zur Widervereinigung untersucht. Die Untersuchung, die anlässlich des zwanzigsten Jahres nach der Wiedervereinigung geführt worden sei, habe ergeben, dass 23 Prozent der Befragten bei der Wiedervereinigung negative Folgen für Ostdeutschland sehen. Während 38 Prozent den Mauerfall begrüßen, sei die Wiedervereinigung für 30 Prozent der Befragten gleichgültig – Ostdeutschland habe weder davon profitiert, noch etwas verloren.

Gunnar Winkler, Vorsitzender des Vereins Volkssölidarität Bundesverband e.V. (VS), habe gesagt, dass der Fortschritt in Ostdeutschland besser als geplant gelaufen sei und die Erwartungen der Bevölkerung zu Beginn übertroffen wurden. Dies gelte insbesondere für Bereiche wie Konsum, Lebensraum und Reisefreiheit. Auf der anderen Seite gäbe es im sozialen Bereich große Mängel. So würden lediglich 32 Prozent aller Befragten den jetzigen Zustand für befriedigend halten. 1999 liege dieser Wert aber bei 47 Prozent, so Winkler. Seit der Jahrtausendwende sinke die Zufriedenheit der Bevölkerung konstant weiter. Für die kommenden fünf Jahre sei eine Kehrtwende der Meinungen auch nicht in Sicht. Die Menschen glaubten nicht mehr an die Angleichung des östlichen Lebensstandards an das Westliche.

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Türkischunterricht in Baden-Württemberg soll bis 2014 eingestellt werden
Die SABAH berichtet über den Türkischunterricht in Baden-Württemberg, der nach Angaben des türkischen Generalkonsuls in Stuttgart Ümit Yardim im Jahre 2014 komplett eingestellt werde. Dieses Jahr würden 29 Lehrer zurück in die Türkei reisen und 20 neue Lehrkräfte nach Deutschland kommen, die für fünf Jahre eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung erhalten. Wenn die Beschäftigungsordnung allerdings so bestehen bleibt, werde man Lehrern ab 2014 kein Visum mehr erteilen, weshalb der Türkischunterricht zwangsweise gestrichen werden muss, da somit keine Lehrer mehr vorhanden sein werden. Yardim habe gesagt, dass man bezüglich dieser Thematik mit den Ministerämtern in Kontakt sei.

Lehrermangel in Deutschland nimmt ständig zu
Die TÜRKIYE und ZAMAN berichten ausführlich über den Lehrermangel in Deutschland, der im kommenden Schuljahr um 60 Prozent im Vergleich zum letzten Jahr gestiegen sei. Dies entspreche einem Anstieg von 15 000 fehlenden Lehrern. Insgesamt benötige man rund 40 000 Lehrer mehr. Besonders betroffen seien Fächer wie Informatik, Mathematik und Fächer der Naturwissenschaften. Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes (DPhV) Heinz-Peter Meidinger begründe diese Entwicklung mit dem abnehmenden Ansehen des Lehrerberufes sowie dem sinkenden Interesse der Jugend an einem Lehramtsstudium. Daher müssten die Länder mehr daran setzen, Jugendliche für diesen Beruf zu animieren.

Die ZAMAN führt zudem noch einen Vorschlag des DPhV auf, wonach der Lehrermangel mit Lehrern aus osteuropäischen Ländern zu beseitigen wäre. Diese hätten bereits eine gute Ausbildung genossen. Man müsse sie jedoch in pädagogischer Hinsicht noch etwas unterstützen.

Fischer: EU-Beitritt der Türkei darf nicht abgelehnt werden
Die MILLIYET berichtet über die Sendung „Kamingespräch“ auf dem öffentlich-rechtlichen Sender Phoenix, bei der sich der ehemalige Außenminister Deutschlands Joschka Fischer zum EU-Beitritt der Türkei geäußert habe. Seines Erachtens würde eine Ablehnung der Türkei Deutschland und Europa sehr negativ beeinflussen, da somit der Iran und Russland die Türkei mit offenen Armen empfingen. Es sei engstirnig, wenn Europa die Türkei wie einen Fremden behandelt. Das Land habe eine enorm wichtige geopolitische Stellung, da sie bei energiepolitischen Themen für die Sicherheit Europas im Kaukasus und im mittleren Osten sowie im Irak, Iran und Russland eine zentrale Rolle spiele. Im Angesicht dessen wäre der Preis für einen Verlust der Türkei sehr hoch. Zwar sei es selbstverständlich, dass es auf dem Wege zur vollen Mitgliedschaft noch Handlungsbedarf gäbe und dieser Prozess sehr lange dauern könne. Allerdings sei er sich sicher, dass am Ende dieser Anstrengungen ein Beitritt stattfinden wird. Er könne sich nicht vorstellen, in dem Gebiet die Sicherheit ohne die Türkei herstellen zu können. Wenn man bedenkt, dass die Europäische Union jahrzehntelang den Türken Beitrittsversprechungen gemacht hat, sei es auch ausgeschlossen, dass die Türkei einen niedrigeren Status wie dem des vollen Mitglieds akzeptieren wird.

Auch SPD-Wähler glauben nicht an Steinmeier
Die MILLIYET, SABAH und TÜRKIYE berichten über eine Emnid-Umfrage, nach der 84 Prozent aller Befragten SPD-Wähler ihrem Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier gegen die Kanzlerin Angela Merkel bei den Wahlen am 27. September keine Chance zurechnen. Lediglich 16 Prozent glaubten an einen Sieg Steinmeiers, so die Blätter. Die deutsche Bevölkerung im Gesamten betrachtet sei fast identisch eingestellt. So gehen 80 Prozent davon aus, dass die Kanzlerin ihr Amt weiter behalten wird. Klaus-Peter Schöppner, Vorsitzender der Emnid, habe gegenüber der Bild am Sonntag gesagt, dass die SPD-Wähler nie zuvor so pessimistisch eingestellt gewesen sind. Dies hänge unter anderem auch damit zusammen, dass die SPD noch kein richtiges Wahlkampfthema gefunden habe.

Laut Merkel seien in Zukunft Minister mit Migrationshintergrund möglich
Die TÜRKIYE berichtet über ein Interview der Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sie mit den Schülern Laura Zell, Ayse Akgün und Yasin Eren von der Carl von Ossietzky-Schule geführt habe. Unter Berufung auf die Reportage in Welt am Sonntag führt die TÜRKIYE einige Fragen auf, die der Kanzlerin zum Thema Integration gestellt worden sind. Auf die Frage, wann wir in Deutschland einen Minister mit Zuwanderungsgeschichte sehen werden, habe die Kanzlerin geantwortet, dass Deutschland es geschafft habe, eine Frau aus dem Osten zur Kanzlerin zu wählen. Demnach befinde sich das Land im Wandel. In Zukunft werde es als normal betrachtet werden, wenn ein Pole, Spanier oder Türke ein Ministeramt belege. Ihrer Ansicht nach habe die CDU auch in Anbetracht ihrer Persönlichkeit als Kanzlerkandidatin die anderen Parteien längst überholt.

Die Frage Akgüns, ob sie die Macht besitze, Deutschland gerechter zu gestalten, habe die Kanzlerin dazu bewegt, ihre Arbeiten in diesem Themenfeld darzustellen. So habe man daran gearbeitet, den Zuwanderern bessere Möglichkeiten in Deutschland anzubieten. Beispielsweise seien heute die Bildungsangebote deutlich besser und es existierten auch mehr Deutschkurse als vor ihrer Zeit als Kanzlerin. Die Integration der Migranten hänge vom persönlichen Wille der Menschen ab, die Zukunft des Landes von der Integration, sagte die Kanzlerin in ihren Aussagen. Am 20. Juli hatte die HÜRRIYET über das Interview berichtet.

Hamburger Familie bald möglicherweise ohne Unterkunft
Die HÜRRIYET berichtet über das Schicksal der Familie Can aus Hamburg, die mit der Begründung, ihr vierjähriger Sohn Munzur verursache zu viel Lärm, ihre Wohnung räumen muss. Der arbeitslose Vater Mehmet Can habe gesagt, dass er die Wohnung im Jahre 2001 gemietet habe und im darauf folgenden Jahr seine Frau Bahar geheiratet hat. Bisher habe man nie Probleme mit den Nachbarn erlebt. Seitdem aber 2005 Munzur auf die Welt kam, hätten die Probleme begonnen, da sich die Nachbarn von dem Baby belästigt fühlten. Schließlich habe der Hauseigentümer Gutachter in seine Wohnung geschickt, die Besteck und andere Gegenstände auf den Boden fallen ließen, um zu sehen, wie laut das Kind sein könne. Das Gericht habe die Forderung des Hauseigentümers, die Familie vor die Tür zu setzen, für berechtigt erklärt und der Familie eine Frist bis zum 29. Juli gegeben. Die Familie habe Angst, auf der Straße leben zu müssen, da sie auch keine neue Wohnung finden können. Zudem erwarte die Familie in Kürze auch ihr zweites Kind.