Türkische Presse Europa

19. und 20.07.2009 – Türkisch, Visafreiheit, Islamfeindlichkeit, Jugendamt

Die Europaausgaben der türkischen Zeitungen berichten unter anderem über das Auslaufen des Bildungsabkommens zwischen dem Freistaat Bayern und der Türkei aus dem Jahre 1986, das u.a. den Türkischunterricht regelte. Weitere Themen sind die Protestmärsche gegen das Massaker in Xinjiang und der Trauerzug für die im Dresdener Landgericht ermordete Ägypterin.

19.07.2009

Bayern verhindert Türkischunterricht ab dem kommenden Schuljahr
Die Sonntagsausgaben der SABAH, HÜRRIYET und MILLIYET berichten über das Auslaufen des Bildungsabkommens zwischen Bayern und der Türkei aus dem Jahre 1986, das u.a. auch den Türkischunterricht an Schulen regelte. Ab dem kommenden Schuljahr allerdings solle der Türkischunterricht an Schulen gestrichen und keine neuen Türkischlehrer mehr eingestellt werden, da Bayern die Kosten nicht mehr tragen könne.

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Ab dem 31. Dezember 2009 werde man den aus der Türkei neu gesandten Lehrern auch keine Aufenthaltsgenehmigung mehr erteilen. Die Türkische Bildungsplattform Bayern habe nun eine Unterschriftenkampagne gestartet, um gegen die Streichung des Türkischen aus dem Lehrplan die Stimmen zu erheben. 21 verschiedene Nichtregierungsorganisationen unterstützten die Kampagne, so die HÜRRIYET. Die Sprecherin der Plattform Nükhet Kivran habe gesagt, dass man mit dieser Regelung lediglich den Türkischunterricht zu verhindern versucht. Man müsse vehement dagegen vorgehen.

Auf der Versammlung der unterstützenden Organisation, an der auch Eltern teilgenommen haben, hätten einige Eltern gesagt, dass die türkische Sprache für die Entwicklung der Identität der Kinder von äußerster Wichtigkeit sei. Darüber hinaus sei Türkisch eine Sprache, die außerhalb der Türkei in sechs anderen Ländern Amtssprache ist und von rund 300 Millionen Menschen gesprochen werde. Tausende Arbeitgeber würden von ihren Bewerbern Türkischkenntnisse verlangen. So sei die Sprache auch eine Notwendigkeit für die Zukunft der Schüler, um bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erlangen.

Kolat bittet Bundesminister für Arbeit und Soziales Olaf Scholz um Weiterführung des Türkischunterrichts
Die TÜRKIYE berichtet über den Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde Deutschland, Kenan Kolat, der in einem Brief den Bundesminister für Arbeit und Soziales Olaf Scholz um Unterstützung im Bildungsstreit um den Erhalt des Türkischunterrichts an bayrischen Schulen bitte. Kolat habe in seinem Brief vor Augen geführt, dass durch die neue Regelung die Weiterführung des Türkischunterrichts enorm gefährdet sei. Er habe erklärt, dass das Problem mit in Deutschland ausgebildeten Türkischlehrern zu beseitigen sei. Allerdings müsse man dazu die Frist von ursprünglich fünf Jahren seit 2004 um einen Jahr verlängern.

Bosniaken erbost über Visumspflicht
Die TÜRKIYE berichtet anhand eines Einzelschicksals eines Bosniaken über die Haltung der bosnischen Bevölkerung zur Visumspflicht bei der Einreise in Länder der Europäischen Union, während kürzlich Länder wie Serbien und Kroatien von der Visapflicht befreit worden waren. Es wird über Seda Domanagic erzählt, eine 61-Jährige Rentnerin, die ihre Schwester in Slowenien besuchen möchte. Dazu müsse sie aber den Behörden acht verschiedene Papiere zu verschiedenen Angelegenheiten vorlegen können. Beispielsweise müsse ihre Schwester garantieren, dass sie für sie in Slowenien finanziell aufkommen kann. „Wenn es nicht um meine Schwester ginge, würde ich mir den Stress gar nicht gefallen lassen“, so Domanagic gegenüber der TÜRKIYE. Ein Student namens Emir Basic habe gesagt, dass die Differenzierung zwischen den Bosniaken und den Serben sowie Kroaten lediglich dazu diene, die Kluft zwischen diesen Bevölkerungsgruppen zu vertiefen. Deshalb habe er einen Brief an die EU geschrieben, in der er diese Ungleichbehandlung rüge.

Protestmarsch gegen das Massaker in Xinjiang
Die SABAH und MILLIYET berichten über eine Protestveranstaltung in München gegen das chinesische Massaker an die Uiguren in „Ost-Turkestan“, das von der Ost-Turkestanischen Union veranstaltet worden sei. Es haben sich im Zentrum Münchens rund 2 000 Demonstranten versammelt, um gegen den „Völkermord“ ihre Stimme zu erheben. Der Vorsitzende des Welt-Uigurenkongresses Askar Can habe in seiner Rede den Zustand seines Volkes nochmals vor Augen geführt. Demnach lebten die Uiguren unter chinesischer Knechtschaft in ständiger Unterdrückung und Folter, so Askar Can. Er fordere, dass man dem „Völkermord endlich ein Ende setzt.“ Es treffe ihn hart, dass im 21. Jahrhundert die gesamte Welt den Massakern in Xinjiang lediglich zusieht. Die chinesische Regierung müsse die Unterdrückung und die Ermordung von Uiguren endlich einstellen. Am Samstag hatte die TÜRKIYE über den Protestmarsch in München berichtet.

Die MILLIYET berichtet zudem auch über eine Protestbewegung gegen das chinesische Massaker in London, an der ebenfalls zahlreiche Verbände teilgenommen haben. Man habe bei dem Marsch gefordert, den „Völkermord“ endlich einzustellen. Anschließend sei man zur chinesischen Botschaft gegangen und dort die Proteste fortgesetzt. Schließlich liefen die Demonstranten zur 10 Downing Street, dem traditionellen Wohnhaus des Premierministers, um dort Gordon Brown einen Brief zu überreichen.

Trauern um Marwa
Die HÜRRIYET berichtet kurz über einen Trauerzug für die im Landgericht von einem Russlanddeutschen aus rassistischen Motiven ermordete Ägypterin Marwa Al-Shirbini, bei der in Berlin rund 300 Menschen anwesend waren. Der Zug sei von der Islamischen Föderation Berlin sowie der Initiative Berliner Muslime veranstaltet worden.

20.07.2009

Islamophobie soll bekämpft werden
Die ZAMAN berichtet ausführlich über den Berliner Trauermarsch für die im Gerichtssaal ermordete Marwa Al-Shirbini mit Fokussierung auf die Aussagen der Sprecher der Islamischen Föderation Berlin (IFB) sowie der Initiative Berliner Muslime (IBMUS). Burhan Kesici von der IFB habe gesagt, dass die Berichterstattung der Medien nicht zu begrüßen sei. So habe man anfangs keine Details über den Fall gegeben und die Ermordung harmlos dargestellt. Diese Haltung habe den Eindruck erweckt, als wolle man den Fall bewusst herunterspielen. Solche Vorfälle werde man in Zukunft noch öfter erleben, wenn die Politiker und die Mehrheitsgesellschaft die Islamophobie in Deutschland weiterhin ignorieren und leugnen, so Kesici in seinen Aussagen. Es sei traurig, dass die deutschen Medien nicht ausreichend über die Ermordung berichtet hätten. Wenn eine Muslima als Terroristin und Islamistin beschimpft werde und daraufhin in einem Gerichtssaal mit 18 Messerstichen ermordet wird, obwohl dort sogar Sicherheitskräfte und Polizisten anwesend waren, sei dies ein Signal dafür, dass die Islamfeindlichkeit in Deutschland keinesfalls zu unterschätzen sei.

Ismet Misirlioglu, Generalsekretär der IBMUS, habe ebenfalls erklärt, dass die deutschen Medien bei dem Fall Shirbini nicht sensibel genug waren und sich nicht ausreichen um die Ermordung gekümmert hätten. Zudem sei es unverständlich, dass deutsche Politiker von Muslimen oftmals Entschuldigungen für Vorkommnisse im Ausland erwarteten, bei diesem Fall jedoch, das in ihrem eigenen Land passiert ist, kein Wort von sich gäben.

Ministeramt für Integration geplant
In der heutigen SABAH ist ein Bericht über mögliche Pläne der CDU, in der kommenden Amtsperiode einen Ministeramt für Integration einzurichten. Dies bedeute allerdings, dass der Zuständigkeitsbereich des Innenministers Wolfgang Schäuble eingeschränkt werde. Der Kölner Stadtanzeiger habe zudem spekuliert, dass dieses Amt möglicherweise von einem Minister mit Migrationshintergrund belegt werde, so die SABAH.

Menschenunwürdige Zustände für illegale Einwanderer
Die SABAH berichtet über den Zustand der illegalen Einwanderer in Deutschland und bezeichnet sie als „Sklaven Deutschlands.“ So würden sehr viele Menschen unter menschenunwürdigen Zuständen illegal arbeiten und könnten auch nicht dagegen klagen, da sie womöglich abgeschoben werden. Vor allem im Bereich der Prostitution aber auch bei landwirtschaftlichen, gastronomischen und häuslichen Arbeiten seien illegale Einwanderer stark vertreten. Das Institut für Menschenrechte in Deutschland plane nun systematische Hilfe für diese Opfer. Der Sprecher des Instituts, Martin Salm, habe gesagt, dass man den Betroffenen zunächst klarmachen muss, dass auch sie Rechte besitzen. Darüber hinaus muss eine gesellschaftliche Aufklärung erfolgen, infolgedessen die Unterdrücker der illegalen Einwanderer eingeschüchtert werden, so Salm.

Deutsche Lehrer sind zu alt
Die TÜRKIYE berichtet über eine Studie der Europäischen Union, nach der Deutschland nach Italien die älteste Lehrerschaft besitzt. Demnach sei jeder zweite Lehrer in Deutschland über 50 Jahre alt. In Italien liege dieser Wert bei fast 60 Prozent. Am besten hätten Polen und Portugal mit rund 20 Prozent abgeschnitten. Experten zufolge werde Deutschland in spätestens 10-15 Jahren unter enormem Lehrermangel leiden, da ein Großteil der jetzigen Lehrer sich in die Rente verabschieden werden. Darüber hinaus stelle dies auch ein Problem bei der Anwendung moderner pädagogischer Lehrmethoden dar. Der EU-Kommissar für Schulwesen und Kultur, Ján Figel, habe gesagt, dass der Lehrerberuf kein allzu angesehener Beruf sei und dies als das grundlegende Problem zur Beseitigung der zukünftigen Lehrerlücken zu verzeichnen sei. Das Alter der Lehrer habe auch enorme Auswirkungen auf die Qualität des Unterrichts, weshalb man schnellstmöglich junge Leute dazu animieren sollte, ein Lehramtsstudium anzugehen.

Imame sollten Deutsch sprechen können
Die Imame der DITIB-Moscheen in Stuttgart und Umgebung nehmen an Deutschkursen teil, die vom Religionsattache des Generalkonsulats in Stuttgart sowie dem Goethe Institut Schwäbisch-Hall zur Verfügung gestellt werden, so die TÜRKIYE. Demnach nähmen ausnahmslos alle Imame jeglicher DITIB-Moscheen in Stuttgart an den Sprachkursen teil, die in den Räumlichkeiten der Feuerbach-Moschee stattfinden. Der Religionsattache Cevdet Celen habe erklärt, dass die Kurse am 2. März begonnen haben und bis zum 17. Dezember dieses Jahres fortgeführt werden. Die Imame seien je nach Sprachkenntnis in zwei Kurse unterteilt worden. Celen habe zudem noch gesagt, dass Deutschkenntnisse für Menschen, die hierzulande leben, eine Pflicht sei.

Protest gegen Rechtsextremismus in Berlin nach Prügelattacke von Neonazis
Die MILLIYET berichtet über einen Berliner Protestmarsch gegen Neonazis und Rechtsextremismus in Berlin, das nach einer Attacke von vier Nazis auf einen 22-Jährigen in den letzten Tagen erfolgt sei. Rund 4 000 Menschen, darunter anti-faschistische Organisationen, Linke sowie auch zahlreiche türkischstämmige Menschen hätten an dem Marsch teilgenommen. Unter den Demonstranten sei auch Grünen-Abgeordneter Hans-Christian Ströbele gewesen.

Die Polizei habe die Demonstranten, die sich in Berlin-Friedrichshain getroffen haben, gründlich durchsucht. Das Opfer der Attacke habe innere Blutungen im Gehirn und einen gebrochenen Rücken. Er liege zurzeit im Krankenhaus.

Deutsche finden Deutschland ungerecht
Die TÜRKIYE schildert eine Studie des GfK für die Welt am Sonntag, bei der 1 000 Personen zur Gerechtigkeit in Deutschland befragt worden sind. Das Ergebnis sei sehr negativ ausgefallen. So haben 75,1 Prozent aller Befragten die Frage, ob ihrer Ansicht nach in Deutschland alles mit Gerechtigkeit gehandhabt wird, mit „Nein“ beantwortet. Dabei sei es aufgefallen, dass besonders in den neuen Bundesländern die Menschen pessimistischer eingestellt sind. Demnach glauben in Ostdeutschland lediglich 17 Prozent aller Befragten an die Gerechtigkeit in Deutschland. Experte Klaus Hilbinger von der GfK erkläre sich die Diskrepanz zwischen Ost und West mit dem Lebensstandard und der finanziellen Lage der Menschen. So könne man sagen, dass die Menschen den Begriff der Gerechtigkeit über Finanzen definieren.

Zudem habe man Jugendliche zwischen 14-19 Jahren danach befragt, ob sie für sich in Zukunft gute Einstiegschancen in das Berufsleben sehen oder eher pessimistisch eingestellt sind. 41,5 Prozent der Jugendlichen hätten ausgesagt, dass es für sie gute Chancen gäbe, während der Rest ihre Zukunft eher schwarz sähe.

Deutschland möchte die Große Koalition nicht
Die SABAH berichtet in Anlehnung an eine Umfrage der Bild am Sonntag über die Einstellung der Bevölkerung in Deutschland zur Großen Koalition. Die Umfrage der Emnid – Medien und Sozialforschung habe ergeben, dass 56 Prozent der 502 Befragten sich wünschen, dass bei den Wahlen am 27. September keine schwarz-rote Koalition zustande kommt.

Mutter aus Hannover möchte ihr Kind vom Jugendamt wieder zurück
Die HÜRRIYET berichtet über das Einzelschicksal einer Mutter aus Hannover, die das Jugendamt um Hilfe gebeten habe, sie beim Umgang mit ihrem problematischen Kind Ozan (13) zu unterstützen. Nach einer Zeit aber habe das Jugendamt die Mutter vom Sohn getrennt. Das letzte Mal habe Gülistan Yamalak ihren Sohn vor neun Monaten sehen dürfen. Ihr Anwalt Alptekin Kirci habe gesagt, dass die Gerichtsverfahren gegen das Jugendamt liefen und sie zuversichtlich seien, das Verfahren zu gewinnen. Schließlich gehe es um Mutter und Sohn, die sich liebend gern wieder treffen würden. Er denke nicht, „dass da weitere Hindernisse aufgestellt werden.“

Merkel: „Ausländische Minister werden in Zukunft die Regel sein“
Die HÜRRIYET berichtet über ein Interview der Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sie mit den Schülern Laura Zell, Ayse Akgün und Yasin Eren von der Carl von Ossietzky-Schule geführt habe. Unter Berufung auf die Reportage in Welt am Sonntag führt die HÜRRIYET einige Fragen auf, die der Kanzlerin zum Thema Integration gestellt worden sind. Auf die Frage, wann wir in Deutschland einen Minister mit Zuwanderungsgeschichte sehen werden, habe die Kanzlerin geantwortet, dass Deutschland es geschafft habe, eine Frau aus dem Osten zur Kanzlerin zu wählen. Demnach befinde sich das Land im Wandel. In Zukunft werde es als normal betrachtet werden, wenn ein Pole, Spanier oder Türke ein Ministeramt belege. Ihrer Ansicht nach habe die CDU auch in Anbetracht ihrer Persönlichkeit als Kanzlerkandidat die anderen Parteien längst überholt.

Die Frage Akgüns, ob sie die Macht besitze, Deutschland gerechter zu gestalten, habe die Kanzlerin dazu bewegt, ihre Arbeiten in diesem Themenfeld darzustellen. So habe man daran gearbeitet, den Zuwanderern bessere Möglichkeiten in Deutschland anzubieten. Beispielsweise seien heute die Bildungsangebote deutlich besser und es existierten auch mehr Deutschkurse als vor ihrer Zeit als Kanzlerin. Die Integration der Migranten hänge vom persönlichen Wille der Menschen ab, die Zukunft des Landes von der Integration, sagte die Kanzlerin in ihren Aussagen.

Hessischer Rundfunk streicht muttersprachliche Sendungen
Die HÜRRIYET berichtet über den Beschluss des Hessischen Rundfunks, ab dem 1. Januar 2010 die muttersprachlichen Sendungen auf der Mittelwelle einzustellen. Grund dafür seien finanzielle Nöte. Hörfunkdirektor Heinz Sommer sei der Meinung, dass muttersprachliche Sendungen ohnehin für die Integration der Menschen hierzulande nicht notwendig seien. Den Bedarf an muttersprachlichen Sendungen deckten die Menschen mit Sendungen aus ihrem Herkunftsland. Bisher wurden die Sendungen von Montag bis Freitag 3,5 Stunden lang angeboten. In Zukunft sollen relevante Themen in der deutschsprachigen Sendung „Kulturen“ behandelt werden.

Der ehemalige Redaktionsleiter der Ausländerprogramme, Günther Schneider, sehe die komplette Streichung der muttersprachlichen Programme als ein falsches Signal für die Integration. Nach seiner Auffassung sind die muttersprachlichen Sendungen wichtig, um den Menschen mit Migrationshintergrund das Gefühl zu vermitteln, dass sie mit ihrer Mehrsprachigkeit akzeptiert werden.

Laut Angaben des Rundfunks werden die 20 Mitarbeiter, die für die Gestaltung der Ausländerprogramme zuständig waren, in anderen Bereichen eingesetzt.