Türkische Presse Europa

17.07.2009 – Islamfeindlichkeit, Uiguren, Visafreiheit, Özdemir

Die Themenschwerpunkte in den Europaausgaben der türkischen Zeitungen sind heute sehr unterschiedlich. Die ZAMAN bemerkt etwa, der islamfeindliche Mord in Dresden habe dem Wissenschaftsstandort Deutschland geschadet. Die SABAH räumt dagegen den Menschenrechtsverletzungen in der Uiguren-Provinz in China breiten Raum ein.

Der islamfeindliche Mord in Dresden hat das Image des Wissenschaftsstandorts Deutschlands stark beschädigt
Der islamfeindliche Mord an Marwa al-Sherbiny in Dresden habe das Image des Wissenschaftsstandorts Deutschlands stark beschädigt, meint die ZAMAN. Deutschland könne die Sicherheit der ausländischen Wissenschaftler offensichtlich nicht gewährleisten. Die Zeitung beruft sich dabei auf eine Kolumne von Sebastian Willnow in der Wochenzeitung „Die Zeit“. Willnow habe darin die Wissenschaft als „tragischen Kollateralschaden“ bezeichnet.

Denn der Ehemann der Ermordeten, Elwi Ali Okaz, habe als Doktorand am Max-Planck-Institut (MPI) für Zellforschung in Dresden gearbeitet. Die Redaktion hebt hervor, dass Okaz nicht der erste ausländische Wissenschaftler in Ostdeutschland ist, der sich rechtsradikaler Gewalt erwehren musste. Mittlerweile sei die Fremdenfeindlichkeit zum negativen Standortfaktor geworden.

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Türkische Unternehmen schaffen Arbeitsplätze
Jörg-Uwe Hahn, Minister für Integration in Hessen, hat im Rahmen des Projekts „Internationale Unternehmen bilden aus“ (IUBA) die Firma Ludensa GmbH ausgezeichnet, die den 3333. Ausbildungsplatz geschaffen hat, berichtet die ZAMAN. Hahn habe bei der Auszeichnung erklärt, dass die türkischen Unternehmen ihre Lehrlinge nicht nur ausbilden, sondern ihnen auch die türkische Kultur und Sprache näher bringen.

EU hinsichtlich der Menschenrechtsverletzungen in der Uiguren-Provinz träge
Das Europäische Parlament habe am 5. Juli über die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Uiguren und Han-Chinesen in der chinesischen Provinz Xinjiang diskutiert, berichtet die SABAH. Die türkischstämmige Europaabgeordnete Emine Bozkurt habe die Trägheit der EU in dieser Angelegenheit scharf kritisiert. Die EU müsse konkrete Maßnahmen bei der Bekämpfung der Menschenrechtsverletzungen in China ergreifen. Bozkurt ist der meinung, dass die 45-minütige Sitzung abgesehen von wohlgemeinten Bekundungen keine Ergebnisse gebracht hat. „Es ist von großer Bedeutung, dass die Situation der Uiguren im Europäischen Parlament diskutiert wird. Wurde die Angelegenheit aber hinreichend erörtert? Ich glaube nicht. Denn es wurden keine konkreten Schritte erarbeitet. Wir haben stattdessen über Menschenrechte und demokratische Freiheiten geredet. Man wolle dafür den Dialog fortführen. Aber was bedeute der Dialog in diesem Zusammenhang? Hunderte Menschen sind ermordet und Tausende verletzt worden. Es müssen schnell konkrete Maßnahmen ergriffen werden. Ich habe der Kommission gefragt, welche Maßnahmen angedacht sind. Ich habe leider keine Antwort erhalten“, erklärte Bozkurt.

Bilkay Öney (SPD): Türken sind sehr wohl integriert
Bilkay Öney (SPD), Abgeordnete im Berliner Landtag, bezeichnet die Feststellung des Berlin-Instituts, die Türken seien nicht integriert, als falsch, berichtet die SABAH. Sie stützt sich dabei auf eine Antwort (16/13 307) der Landesregierung auf ihre Kleine Anfrage. Aus der Antwort gehe beispielsweise hervor, dass türkische Staatsbürger öfter den Weg zur Selbstständigkeit schlagen, als andere Personengruppen. Bezüglich der in 2008 neuerrichteten Unternehmen weise die Gewerbeanzeigenstatistik des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg etwa eine Zahl von 1.432 Neuerrichtungen von Unternehmen durch Inhaber türkischer Nationalität aus. Viele junge Akademiker mit türkischem Migrationshintergrund seien ferner in den Bereichen Recht, Medizin, Sozialwissenschaften und BWL sehr erfolgreich. Im Bereich der Schulbildung müssten jedoch weiterhin Fortschritte erzielt werden, so Öney.

Ausbürgerung ohne Voranmeldung
Die HÜRRIYET berichtet über ein Einzelschicksal eines nunmehr Staatenlosen in Hamburg. Ein 41-jähriger Migrant türkischer Herkunft habe neulich erfahren, dass der türkische Staat ihn bereits im Jahre 1992 ausgebürgert hat. Infolgedessen könne er jetzt sein Beruf als Fernlastfahrer nicht mehr ausüben, da er als Staatenloser das Bundesgebiet nicht verlassen könne.

Europäische Innen- und Justizminister in Stockholm zusammengekommen
Der türkische Innenminister Besir Atalay und der Justizminister Sadullah Ergin haben an dem informellen Treffen der europäischen Innen- und Justizminister in Stockholm teilgenommen, ist in der SABAH zu lesen. Die Innenminister über die Aufnahme von Bootsflüchtlingen und gemeinsame Asylstandards. Auch die Aufhebung der Visumspflicht für Serbien und Makedonien sei auf der Tagesordnung.

Harms: EU-Kommission diskriminiert bosnische Muslime
Die Vorsitzende der Grünen im Europa-Parlament, Rebecca Harms, kritisierte das Vorhaben der EU-Kommission, Serbien, Montenegro und Mazedonien Visafreiheit zu gewähren und die Menschen aus Bosnien-Herzegowina, Albanien und dem Kosovo hiervon auszuschließen, berichtet die ZAMAN. „Ich halte diese Entscheidung für falsch. Das liefe auf eine neue Spaltung der Bürger auf dem Balkan hinaus. Meine Fraktion ist der Auffassung, dass es sich insbesondere um eine Benachteiligung von bosnischen Muslimen gegenüber den Bürgern, die in Bosnien auch einen serbischen Pass haben, handelt. Das ist sehr gefährlich. Damit diskriminiert man im Grunde die bosnischen Opfer von Srebrenica einmal mehr“, habe Harms erklärt.

Ismail Ertug (SPD) beklagt Druck von Lobbyisten
Der türkischstämmige Europaabgeordnete Ismail Ertug hat sich über den Druck der Lobbyisten im Europäischen Parlament beklagt, berichtet die SABAH. Er sei über den Versuch der Einflussnahme etwa von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden, Medien und NROs überrascht.

Cem Özdemir übt scharfe Kritik an der Politik der Republikanischen Volkspartei (CHP)
Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, hat die Republikanische Volkspartei (Cumhuriyet Halk Partisi, CHP) scharf kritisiert, berichtet die ZAMAN. Die Haltung der sozialdemokratischen Partei der Türkei laufe den Kopenhagener Kriterien zuwider. Die CHP habe große Probleme sich zu modernisieren und gen Europa zu wenden, sagte Özdemir.