Die Grünen hatte in ihrem Antrag (Drucksache 16/12437) dargelegt, dass aufgrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 19. Februar 2009 in der Rechtssache C-228/06 („Soysal“) klar geworden sei, dass von vielen türkischen Staatsangehörigen kein Visum für die Einreise nach Deutschland verlangt werden dürfe, weil dies gegen das Assoziationsrecht verstoße. Daher sollte die Bundesregierung aufgefordert werden, die deutschen Auslandsvertretungen und Grenzbehörden dahingehend zu instruieren, türkischen Staatsangehörigen, die in Deutschland die Dienstleistungsfreiheit in Anspruch nehmen wollten, die visumfreie Einreise zu erlauben.
Die Grünen untermauerten ihre Forderung damit, dass man lediglich von Kurzaufenthalten spreche. Das Auswärtige Amt habe bereits die Visumfreiheit für eine ganze Reihe von Berufsgruppen, nicht nur für Lkw-Fahrer, angekündigt. Da die aktuellen Vorschriften klar im Widerspruch zum europäischen Recht stünden und die Grenzbeamten daher wissentlich rechtswidrig handeln müssten, sei eine schnelle Anpassung unerlässlich.
Union und SPD gegen Visumfreiheit für Türken
Die CDU/CSU stimmte gegen den Antrag mit der Befürchtung, dass das Soysal-Urteil des Europäischen Gerichtshofes als Hebel für eine ungesteuerte Zuwanderung nach Deutschland genutzt werden könnte. Daher müsse das Urteil im engsten möglichen Rahmen umgesetzt werden, möglichst beschränkt auf Lkw-Fahrer. Eine überzogene Visumfreiheit habe sehr negative Folgen. Gerade für Speditionen drohe hier weitere Billigkonkurrenz. Das Bundesministerium des Innern solle eng mit dem Auswärtigen Amt zusammenarbeiten, um die Visastellen über eine entsprechende restriktive Auslegung zu instruieren.
Die SPD sah hingegen Schwächen im Antrag der Grünen, da darin insgesamt nicht klar genug auf dienstleistungsbezogene Kurzaufenthalte abgestellt werde. Andererseits teile man aber auch nicht Befürchtungen, dass nunmehr türkische Staatsangehörige in größerem Umfang versuchen könnten, sich als Lkw-Fahrer auszugeben, um in den Genuss der Visumfreiheit zu kommen. Eine mit Augenmaß an der europäischen Rechtslage orientierte Praxis werde keine Probleme aufwerfen. Im Ergebnis lehnte die SPD den Antrag jedoch ab.
Unterstützung der Linken bei Stimmenthaltung der FDP
Unterstützt wurde der Antrag von der FDP, die die Zielrichtung des Antrags, das Urteil des Gerichtshofes schnellstmöglich umzusetzen unterstütze. Allerdings hege man ebenfalls die Befürchtung, dass damit zu weitgehende Folgen verbunden sein könnten. Eine Einbeziehung auch der passiven Dienstleistungsfreiheit – etwa von Touristen etc. – halte man nicht für richtig. Daher enthielt sich die FDP.
Einzig befürwortet wurde der Antrag der Grünen von der Linksfraktion, die ebenfalls auf schleunige Umsetzung des Soysal-Urteils drängte. Ohnehin bleibe die Einreise zu längerfristigen Aufenthalten visumpflichtig. Soweit die Bundesregierung die Visumfreiheit für türkische Staatsangehörige nach dem Urteil restriktiv handhaben wolle, handele sie klar im Widerspruch zur Mehrheitsmeinung in der juristischen Literatur.
Der mitberatende Auswärtige Ausschuss, der Ausschuss für Tourismus sowie der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union lehnten den Antrag mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD ebenfalls ab.