Türkische Presse Europa

11.07.2009 – Islamfeindlichkeit, Assimilation, Schäuble

Die Europaausgaben türkischsprachiger Tageszeitungen berichten unter anderem über den Dresdener Mordfall an der Ägypterin Marwa, Äußerungen vom Grünen-Chef Cem Özdemir über Assimilation, Wolfgang Schäuble über Islam und Moscheen in Deutschland.

Regierungssprecher Steg: „In Deutschland gibt es keinen Platz für Islamfeindlichkeit“
Die ZAMAN berichtet über Regierungssprecher Thomas Steg, der am Freitag in Berlin erklärt hat, dass Kanzlerin Angela Merkel bei der G8-Konferenz mit dem ägyptischen Staatspräsidenten Hüsnü Mübarek die Ermordung der 32-Jährigen Marwa Sirbini besprochen habe. Sie habe ihren Zorn über den Vorfall sowie ihr Beileid ausgesprochen.

Zudem habe Integrationsministerin Maria Böhmer den Ehemann Marwas, der während der Gerichtsverhandlung von der Polizei angeschossen worden war, im Krankenhaus besucht. Steg habe in seiner Erklärung zudem versichert, dass es „in Deutschland keinen Platz für Islamfeindlichkeit“ gebe und man dies gemeinsam bekämpfen müsse. Er sei sich sicher, dass die zuständigen Behörden in diesem Fall schnell reagiert und das notwendige getan hätten.

___STEADY_PAYWALL___

Steinmeier möchte Beziehungen zur Türkei verfestigen
Die ZAMAN berichtet über die Aussagen des SPD-Kanzlerkandidats Frank-Walter Steinmeier, in denen er die Bestärkung und Verfestigung der Beziehungen zur Türkei befürworte. Man habe beschlossen, dass die Außenministerien Arbeitsgruppen gründen werden, die regelmäßig zur Erhöhung des strategischen Dialogs zusammenkommen sollen. Man arbeite zurzeit auch am kulturellen Austausch. So hätten die Arbeiten für eine Türkisch-Deutsche Universität in Istanbul sowie eine Künstlerakademie bereits begonnen.

Anwältin Kocakaplan warnt vor Brieffallen an Schulen
Die Anwälting Deniz Kocakaplan aus Illetissen warnt Eltern in der ZAMAN davor, Briefe der Schulen ungelesen zu unterschreiben. Man solle den Inhalt der Briefe erst einmal vollständig verstehen und unklare Gegebenheiten mit einem Anwalt oder einer fachkompetenten Person beseitigen, ehe man sich mit dem Inhalt einverstanden gibt. Dies sei beispielsweise bei Tadelbriefen von größter Wichtigkeit, da viele Schuldirektoren oftmals lediglich die Gesetzesparagraphe abdruckten, ohne auf deren Inhalt zu verweisen. Dies könne erhebliche Folgen mit sich ziehen, die die Zukunft des Kindes negativ beeinflussten. Zudem macht Kocakaplan Eltern darauf aufmerksam, dass die Kinder bei einer Hauptschulempfehlung das Recht hätten, eine Kompetenzprüfung für die Realschule abzulegen. Es sei wichtig, auch von diesem Recht Gebrauch zu machen.

Grünen-Chef Özdemir: „Niemand kann die Zuwanderer zur Assimilation zwingen“
Die ZAMAN berichtet die Veranstaltung „Die Stellung der Zuwanderer in der Gesellschaft“ in Dortmund, bei der Grünen-Chef Cem Özdemir das aktuelle Kommunalwahlrecht kritisiert habe. So sei es inakzeptabel, dass ein seit 3 Monaten in Deutschland lebender Portugiese das kommunale Wahlrecht besitze, andererseits jedoch Menschen, die seit 30 Jahren in Deutschland leben, nicht zur Wahlurne gehen dürfen. Zudem könne es für Deutschland nur von Vorteil sein, wenn immer mehr Zuwanderer die deutsche Staatsbürgerschaft annähmen. Deshalb solle der Übergang zur deutschen Staatsbürgerschaft ähnlich wie in Amerika gelockert werden.

Weiter kritisierte Özdemir den Gehaltsunterschied zwischen Lehrern an Gymnasien und Lehrern an den übrigen Schulformen. Es könne nicht sein, dass ein Gymnasium-Lehrer mehr verdiene als die anderen. Schließlich betonte Özdemir noch, dass keiner das Recht innehabe, die Migranten zur Assimilation zu zwingen oder von ihnen die Assimilation zu erwarten.

Wolfgang Schäuble zu den Moscheen in Deutschland und zur Islamkonferenz
Innenminister Wolfgang Schäuble habe bei einer Veranstaltung der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius sowie der Herbert Quandt-Stiftung in Hamburg ausgesagt, dass die Vielzahl der Moscheen in Deutschland nicht mit der zunehmenden Zahl der Muslime hierzulande zu begründen sei, sondern mit dem erhöhten Bedarf, so die ZAMAN. Er habe gesagt, dass in der modernen Zeit die Religiosität der Menschen zugenommen habe und die Religion eine Notwendigkeit sei. Leider werde diese aber auch häufig missbraucht. Schäuble habe betont, dass die Beziehungen des deutschen Staates zu den Religionsgemeinschaften stets positiv gewesen seien und dass der Islam keine Sache der Muslime oder der Araber sein kann und sie sich auch mit dem Islam beschäftigen müssten.

Die SABAH fokussiert ihren Bericht auf die Aussagen des Innenministers zur Islamkonferenz. Demnach habe Schäuble es beteuert, dass er von muslimischer Seite aus „falsch verstanden worden sei.“ Es sei nur wichtig, dass der Dialog zwischen dem Staat und den muslimischen Religionsgemeinschaften weiter fortgesetzt wird. Die Islamkonferenz stelle diese Brücke her. Während er das Ziel der Konferenz mit der Vereinigung von Menschen verschiedener Weltansichten und diversen Lösungsansätzen definiert habe, habe der Innenminister zudem erklärt, dass der Islam und die Muslime ein unabdingbarer Teil der Gesellschaft sind. SPD-Politikerin Lale Akgün habe in der „Welt am Sonntag“ zu dem Thema erklärt, dass islamische Gemeinschaften wie die DITIB, die eine orthodoxe Richtung des Islams vertrete, keinesfalls zu den Islamkonferenzen eingeladen werden dürften, da dadurch die politische Atmosphäre zum Fanatismus umschlagen könne.

Protestmärsche zum chinesischen Massaker in Xinjiang
Die MILLIYET und ZAMAN berichten über die Protestmärsche in Deutschland zum chinesischen Massaker im Uiguren-Gebiet Xinjiang, bei denen nach offiziellen Angaben rund 150 Menschen gestorben und ungefähr 1000 Menschen verletzt worden sind. In Berlin hätten sich hunderte von Uiguren vor dem chinesischen Konsulat versammelt, während in Frankfurt rund 200 Menschen ebenfalls die chinesische Botschaft aufsuchten. Der Uiguren-Sprecher Asgar Can habe vor dem Brandenburger Tor erklärt, dass in dem Gebiet seit 2006 die uigurische Sprache verboten sei. Die Rechte der Uiguren würden tagtäglich verletzt werden. So stelle es keine Seltenheit dar, wenn nachts chinesische Polizisten ohne eine Begründung uigurische Menschen abschleppten. Verwandte, die sich um Informationen bzgl. der Abgeschleppten bemühten, würden ebenfalls eingesperrt werden. Zudem liege die Zahl der Opfer bei den aktuellen Massakern weit über den offiziellen Angaben der chinesischen Regierung. Das Uiguren-Gebiet sei die einzige Region in China, in der politische gefangene zum Tode verurteilt werden. Laut ZAMAN und MILLIYET seien die Märsche von zahlreichen Verbänden in Deutschland, darunter auch die Türkische Gemeinde Berlin sowie die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs, unterstützt worden.

Der Übergang zur deutschen Staatsbürgerschaft soll erleichtert werden
Die HÜRRIYET berichtet über eine Kampagne im Bundesland Rheinland-Pfalz unter dem Titel „Ja zur deutschen Staatsbürgerschaft“, die die Menschen zur Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft animieren soll. Leider sei die Zahl der Einbürgerungen mit den Gesetzesgebungen der letzten Jahre deutlich gesunken. Die Kampagne sei in den vergangenen Tagen in Ludwigshafen vorgestellt worden. An der Veranstaltung haben Integrationsministerin des Landes Rheinland-Pfalz Maria Weber, der Ludwigshafener Vizebürgermeister Ludwig van Vliet sowie verschiedene Verbände und Organisationen teilgenommen. Weber habe erklärt, dass Rheinland-Pfalz in Sachen Einbürgerung den anderen Bundesländern voran sei und man sich auf der Website www.einbuergerung.rip Infomaterial zu den Regelungen einsehen könne.

Justizministerin Zypries warnt vor Rassismus im Internet
Die SABAH berichtet über die Warnung der Justizministerin Brigitte Zypries, wonach das Internet immer mehr zu einer Plattform rechtsextremistischer propaganda werde. Sie fordere, dass die Zivilgesellschaft ebenfalls daran arbeiten müsse, dies zu verhindern. Andernfalls könne man keine erfolgreichen Lösungsansätze für das Problem ausarbeiten. Stefan Glaser, Sprecher der Website jugendschutz.net, habe zudem erklärt, dass die Zahl der rechtsextremistischen Seiten im Internet zurzeit bei 1.600 sei und dies im Jahre 2006 bei 1.400 lag. Man könne nun auch zunehmenden Einfluss auf Seiten wie „YouTube“ oder „Facebook“ erkennen.

Ole von Beust schließt in Zukunft Kanzler mit türkischen Wurzeln nicht aus
Die TÜRKIYE, SABAH, HÜRRIYET und ZAMAN berichten über den Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU), der ausgesagt habe, dass in Zukunft auch ein deutscher Staatsbürger mit türkischem Migrationshintergrund das Kanzleramt belegen könne. Schließlich hätte es auch keiner in den 90er Jahren ahnen können, dass eine Frau aus dem Osten Kanzlerin werde. In Deutschland hänge das Kanzleramt nicht von der Herkunft oder der Kultur einer Person ab. Egal ob Türke oder Russe – man müsse lediglich die Fähigkeiten dazu mitbringen. Zudem erklärte von Beust, dass er mit den Türken in Hamburg einen guten Kontakt pflege und daher auch von ihren Sorgen und Problemen Bescheid wisse und sich im Klaren darüber sei, wie sie denken und was sie fühlen.

Von Beust habe auch gesagt, dass sich die Anzahl türkischstämmiger CDU-Parteimitglieder sowie aktiver Partizipanten in den letzten Jahren erhöht habe. In Hamburg seien sogar zwei CDU-Abgeordnete Personen mit türkischer Zuwanderungsgeschichte. Darüber hinaus habe seine Partei ein Deutsch-Türkisches Forum errichtet.

Weiter habe von Beust erklärt, dass das die Ausbildung sowie das Erlernen der Sprache für ausländische Jugendliche von größter Bedeutung sei. Während er die Sprachvoraussetzungen bei Ehegattennachzügen unterstützte, habe er schließlich erklärt, dass er Istanbul für eine sehr schöne und lebendige Stadt halte und dort einmal Urlaub machen wolle.

Deligöz: „Auf den Schulhöfen gab es eine Wand, die türkische Kinder von deutschen trennte“
Die HÜRRIYET berichtet über einen Interview der Grünen-Politikerin Ekin Deligöz mit der Nachrichtenagentur dpa, in der sie Fragen über ihre Zuwanderung nach Deutschland, ihre Schulzeit sowie ihre politische Laufbahn beantwortet hat. Sie erzählt von ihren ersten Jahren in der Stadt Senden in Bayern und ihrer Anmeldung auf der Grundschule. Damals habe man eine getrennte Schule für türkische Kinder errichtet, so Deligöz. Der Unterricht habe zwar im gleichen Gebäude stattgefunden, allerdings seien die Räume voneinander unabhängig gewesen. Selbst auf den Schulhöfen seien Wände errichtet worden, damit sich die Kinder nicht begegnen. Sie hätten wöchentlich nur zwei Stunden Deutschunterricht genossen. Ansonsten seien alle Bücher in türkischer Sprache gewesen. Sie sagt, dass es damals unerwünscht gewesen sei, dass die Zuwanderer die deutsche Sprache erlernten. Mit ihrem Ehrgeiz und dem zunehmendem Erfolg in der Schule habe man es ihr ermöglicht, in eine deutsche Klasse überzugehen. Die Fragen nach dieser Segregation, so Deligöz, die sich damals in ihrem Kopf gebildet haben, seien vielleicht sogar ausschlaggebend dafür gewesen, dass sie heute Politikerin ist.

Auch der Übergang zur weiterführenden Schule sei mit Schwierigkeiten verbunden gewesen. Man habe sie aufgrund ihrer Nationalität auf die Hauptschule schicken wollen und gesagt, dass andere Schulformen für Türken nicht zu schaffen sind. Dank der Unterstützung ihrer Mutter sei dies nicht zustande gekommen. Auf die Frage, ob sie Schwierigkeiten in der Zeit nach der Grundschule erlebt habe, erzählte Deligöz einen Vorfall in der 8. Klasse. Damals habe der Deutschlehrer ihre Hausaufgabe mit einer fünf benotet. Auf die Frage, weshalb er diese Note gebe, obwohl die Hausaufgabe doch recht gut gelöst worden sei, habe der Lehrer vor der gesamten Klasse folgendes geantwortet: „Du bist eine Türkin. Dass eine Türkin auf dieser Schule ist, ist so wie wenn ein Behinderter an den olympischen Spielen teilnimmt.“