Hauptkritikpunkt des Europarates ist die enge Auslegung des Begriffs „Rassismus“. Vor deutschen Gerichten gelte häufig nur derjenige als Rassist, der Kontakt zur rechtsextremen Szene habe, meint die Kommission. Das bestätigt auch das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR). Zur Veröffentlichung des 4. Deutschland-Berichtes der Europarats-Kommission gegen Rassismus und Intoleranz erklärt der Direktor des DIMR, Heiner Bielefeldt, dass es „hierzulande eine Tendenz besteht, den Begriff Rassismus eng – zu eng – zu fassen und im Wesentlichen mit Rechtsextremismus gleichzusetzen.“ Dass ethnische und kulturelle Minderheiten in Deutschland – abgesehen von rechtsextremistisch motivierten Attacken – alltägliche und strukturelle Formen von Diskriminierung, zum Beispiel auf dem Wohnungsmarkt, im Arbeitsleben oder innerhalb des Schulsystems erlebten, komme aufgrund der zu engen Problemdefinition nicht angemessen in den Blick.
So hätten vor allem bei regionalen Wahlen rassistische und antisemitische Ansichten und Positionen einen Zulauf erfahren. Kritisiert wird auch, dass Asylbewerber, Juden, Schwarze, Sinti und Roma und Muslime im täglichen Leben weiterhin diskriminiert und rechtsextremistische Straftaten oft nicht als solche identifiziert und verfolgt würden. Die Kommission schlägt daher vor, rassistisch motivierte Straftaten strenger zu bestrafen.
Scharfe Kritik übt die Europaratskommission gegen Rassismus auch am deutschen Schulsystem. Kinder mit Migrationshintergrund hätten deutlich geringere Chancen auf schulischen Erfolg als andere Kinder, heißt es in dem Bericht. Besonders bedenklich sei mit Blick auf das dreigliedrige Schulsystem, dass manche Lehrer muslimische Schüler diskriminierten und ihnen deshalb keine Empfehlung fürs Gymnasium gäben. Die Europakommission gibt ferner zu bedenken, dass seit dem Kopftuchverbot für Lehrerinnen in mehreren Bundesländern es für Kopftuchträgerinnen auch im Privatsektor schwieriger geworden sei, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Verbote hätten eine Signalwirkung. Die Kommission stellt ferner fest, dass nur wenige Muslime hochrangige Positionen in den politischen Parteien innehaben und nur sehr wenige in den Bundestag gewählt bzw. als Kandidaten aufgestellt werden.