Ein Umdenken in der Debatte um einen EU-Beitritt der Türkei fordert beispielsweise CSU-Chef Horst Seehofer von US-Präsident Barack Obama ein. Für eine zukunftsfeste Sicherheitsarchitektur sei Amerika auf Europa als „verlässlichen und intern gefestigten Partner“ angewiesen. Diese „innere Geschlossenheit“ setze jedoch „gemeinsame kulturelle und geistige Wurzeln voraus“, begründete er.
Seehofer betonte: „Die Türkei als selbsternannter Anwalt der islamischen Welt passt da eindeutig nicht dazu.“ Der jüngste Streit über den Posten des NATO-Generalsekretärs habe „einmal mehr eine große Distanz der Türkei zu unserer europäischen Werteordnung offenbart“, führte der Parteichef weiter aus. Einen EU-Beitritt der Türkei lehne die CSU daher ab.
Auch die Vorsitzende der CSA, der Arbeitnehmervertretung der CSU, und sozialpolitische Sprecherin der CSU Europagruppe, Dr. Gabriele Stauner, widerspricht auf das heftigste der Forderung von US-Präsident Obama nach einem baldigen EU-Beitritt der Türkei. Erstens sei diese Sache die ureigenste Angelegenheit der Europäer und zweitens könne die angemahnte „Brückenfunktion“ zum Islam ja auch durch die Aufnahme der Türkei als 51. Bundesstaat der USA erreicht werden. Stauner wörtlich: „Es grenzt schon an Chuzpe, von den Europäern die Aufnahme der Türkei bei gleichzeitiger Abschottung der USA gegenüber Mexiko durch den Bau einer Mauer zu fordern.“
Da eine Mitgliedschaft der Türkei gravierende soziale und finanzielle Auswirkungen für Deutschland hätte, die in erster Linie den kleinen Mann träfen, unterstützt Stauner voll und ganz die konsequente Haltung des CSU-Parteivorsitzenden Horst Seehofer in dieser Frage. Während die anderen Parteien, einschließlich der Freien Wähler, sich offen für einen Beitritt aussprechen bzw. wie die CDU „herumeiern“, hat die CSU als einzige Partei eine klare Linie. Über die Haltung der Klientelparteien FDP, Grüne und Freie Wähler ist Stauner weiter nicht verwundert, jedoch sehr über die der ehemaligen Volkspartei SPD, die schließlich stets vorgibt, die Interessen des kleinen Mannes zu vertreten. „Vielleicht ist es ja das Kalkül der Genossen, durch türkische Einwanderungsmassen ihr Wählerreservoir aufzufüllen“, so Stauner.
Stauners Hauptargument in dieser Frage lautet schlicht und einfach: Ein Beitritt der Türkei würde die EU durch Überforderung destabilisieren, was vielleicht im Interesse der USA, aber nicht im Interesse Deutschlands liegen dürfte. Überhaupt nicht nachvollziehen kann sie den Populismusvorwurf des SPD-Europarlamentariers Schulz gegenüber der CSU. „Wenn eine demokratische Partei in einer Frage mit einer deutlichen Bevölkerungsmehrheit übereinstimmt, ist das nicht Populismus, sondern gelebte Demokratie“, so die CSU-Sozialpolitikerin.
Ähnlich wie Stauner argumentiert auch Lale Akgün, Islambeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, in einem Interview mit dem Deutschlandradio. Die Entscheidung über einen EU-Beitritt liege allein in Brüssel. Washington verfolgte hier möglicherweise Eigeninteressen. Obama habe ein größeres Interesse an einem EU-Beitritt der Türkei als die EU selbst.
Für einen EU-Beitritt der Türkei sprechen sich hingegen mehrheitlich die SPD, FPD und die Grünen aus. (MiGAZIN)