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Flüchtlingsheim darf gebaut werden

Richter erklärt Flüchtlingsgegnern Grundsätze pluralistischer Gesellschaften

Der Bau einer Flüchtlingsunterkunft hängt nicht von den Lebensgewohnheiten der Nachbarschaft ab. Einen Milieuschutz kennt das Gesetz nicht. Mit diesem Richterspruch hat das Verwaltungsgericht Stuttgart Anträge von Flüchtlingsgegnern zurückgewiesen. Auch Kölner gericht weist Anträge ab.

Freitag, 11.09.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 16.09.2015, 19:48 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Im baden-württembergischen Esslingen darf eine Gemeinschaftsunterkunft für 70 Flüchtlinge wie geplant gebaut werden. Eilanträge von vier Nachbarn wurden vom Stuttgarter Verwaltungsgericht in einem jetzt bekannt gewordenen Beschluss vom 20. August zurückgewiesen. Die Richter begründen den Beschluss mit den Grundsätzen pluralistischer Gesellschaften. (Az.: 2 K 2769/15 und 2 K 2692/15)

Die Baugegner wendeten ein, zwischen den Flüchtlingen könne es zu Konflikten kommen könne. Da kämen Menschen unterschiedlicher Kulturkreise und politischer Überzeugungen auf engstem Raum zusammen. Zu befürchten sei, dass diese Konflikte nicht nur auf am Flüchtlingsheim ausgetragen werden, sondern auch in der Nachbarschaft. Außerdem befürchteten die Baugegner illegale Müllentsorgung, Geräuschemissionen und Wertminderung ihrer Grundstücke.

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Das überzeugte die Richter nicht. Der Einwand, die Flüchtlingsunterbringung könne zu Gewalttaten in der Nachbarschaft führen, sei spekulativ. Auch gewährleiste das Baurecht keinen Milieuschutz. Anderweitige Belästigungen seien nicht Gegenstand baurechtlicher Betrachtung, sondern möglicherweise von Relevanz für das Polizei- und Ordnungsrecht oder das zivile Nachbarrecht.

Auch bei den zu erwartenden Geräuschimmissionen handelt es sich laut Beschluss um grundsätzlich hinzunehmende Wohngeräusche, „selbst wenn sich der Lebensrhythmus und die Gewohnheiten von Flüchtlingen teilweise von denen der Ortsansässigen abheben sollten“. Unterschiede in den Lebensgewohnheiten und im Wohnverhalten verschiedener Bevölkerungsgruppen seien ebenfalls baurechtlich ohne Relevanz.

Gleiches gelte für die Frage, welches Verhältnis Eltern von Schulkindern zu Flüchtlingsunterkünften in ihrer Nachbarschaft hätten. „Der Rechtsschutz kann in einer pluralistischen Gesellschaft nicht vom sozialen und kulturellen Hintergrund und den Lebensgewohnheiten des jeweiligen Betrachters abhängen“, teilt die Pressestelle des Gerichts mit. Die Antragsteller könnten sich auch nicht mit Erfolg auf die von ihnen befürchtete Wertminderung ihrer Grundstücke berufen.

Die Richter führen weiter aus, dass die Stadt mithilfe des Bauvorhabens versuche, ihrer gesetzlichen Pflicht nachzukommen, Flüchtlingen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Da die Flüchtlingszahlen offenkundig und auch gerichtsbekannt angestiegen seien, liege es auf der Hand, dass die bisherigen Unterbringungskapazitäten nicht ausreichten und neue Unterkünfte gebaut werden müssten.

Auch Kölner Gericht weist Eilantrag ab

Auch das Verwaltungsgericht Köln hat den Eilantrag mehrerer Anwohner gegen den Bau eines Flüchtlingsheims in Köln-Rondorf abgewiesen. Die Antragsteller hatten erklärt, der Bau der Unterkunft für etwa 150 Asylbewerber in einem Wohngebiet verstoße wegen des zu erwartenden Lärms gegen das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme, wie das Gericht am Mittwoch mitteilte. Dieser Argumentation folgten die Richter nicht: Es sei nicht feststellbar, dass das Flüchtlingsheim unzumutbare Lärmbelästigungen für die zukünftigen Nachbarn mit sich bringen werde. (AZ: 2 L 2072/15)

Die Richter wiesen zudem darauf hin, dass die geplante Asylunterkunft nicht in einem reinen Wohngebiet liege, sondern nur daran angrenze. Die Anwohner hätten keinen Anspruch darauf, dass kein Flüchtlingsheim auf die angrenzende Fläche gebaut wird, weil sich der Anspruch auf Gebietserhaltung nur auf das Wohngebiet selbst beschränke, erklärte das Gericht. Gegen den Beschluss kann Beschwerde eingelegt werden. (es) Leitartikel Recht

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