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Das Meer © Dom Crossley @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

218 Tote in drei Tagen

Expertin: „Libysche Küstenwache in Menschenschmuggel involviert“

Seit knapp einem Monat gehen Italien und Malta gegen die privaten Seenotretter im Mittelmeer vor. Die EU arbeitet mit Syrien zusammen. Laut Helfern hat dies tödliche Folgen. Im Juni starben fast 700 Menschen auf See. Expertin: "Libysche Küstenwache in Menschenschmuggel involviert".

Mittwoch, 04.07.2018, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 09.07.2018, 17:43 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Das Flüchtlingsdrama auf dem Mittelmeer spitzt sich zu: Während Italien und Malta die private Seenotrettung behindern, starben innerhalb von drei Tagen 218 Menschen während der Überfahrt. Bei Unglücken von Flüchtlingsbooten seien vor der libyschen Küste am Freitag 104 und am Sonntag 114 Menschen ums Leben gekommen, erklärte die Internationale Organisation für Migration (IOM) am Dienstag in Genf. Der Monat Juni, in dem Italien die Häfen für private Rettungsschiffe schloss, war laut Helfern der Monat, in dem seit fünf Jahren die meisten Menschen im Mittelmeer umkamen. Insgesamt verloren dort nach UN-Angaben im Juni 692 Geflohene ihr Leben.

Die privaten Seenotrettungsorganisationen kritisierten das Vorgehen gegen sie durch Italien und Malta, und dass die Seenotrettung der libyschen Küstenwache überlassen werde. Die privaten Rettungsschiffe würden am Auslaufen gehindert, das habe direkte Auswirkungen auf die Zahl der Ertrunkenen im Mittelmeer. „Dass nicht das Sterben sondern die Seenotrettung aktiv verhindert wird, ist nicht nur beschämend, das ist kriminell,“ sagte Pia Klemp, die Kapitänin des Schiffes der deutschen Organisation Sea-Watch, das derzeit in Malta festgehalten wird. Auch das Rettungsschiff „Seefuchs“ der Regensburger Organisation Sea-Eye darf nicht auslaufen.

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Das Flüchtlingsboot am Sonntag geriet laut UN mit 130 Menschen an Bord in Seenot. Die libysche Küstenwache, die den Auftrag zur Hilfe hatte, habe 16 davon gerettet und in die Hauptstadt Tripolis gebracht. Die anderen 114 Insassen seien ertrunken. Insgesamt kamen laut IOM seit Januar 1.405 Menschen auf dem Mittelmeer ums Leben.

Libysche Küstenwache nicht ausgestattet

Der Kapitän des deutschen Rettungsschiffes „Lifeline“, das von Malta beschlagnahmt wurde, Claus-Peter Reisch, sagte, die Einsatzkräfte der libyschen Küstenwache seien nicht professionell ausgestattet, um die Menschen aus überfüllten Booten in Seenot zu retten. So verfügten deren Schiffe nicht über Schwimmwesten.

Reisch steht in Malta vor Gericht, weil die „Lifeline“ angeblich in den Niederlanden falsch registriert ist und er sich behördlichen Anweisungen widersetzt hat. Der Prozess wird an diesem Donnerstag fortgesetzt. Laut seiner Aussage drohte die libysche Küstenwache der „Lifeline“-Crew bei ihrem Einsatz Ende Juni mit dem Tod und wollte die mehr als 230 Flüchtlinge an Bord gewaltsam übernehmen, um sie nach Libyen zu bringen.

Expertin: Küstenwache in Menschenschmuggel involviert

Die Migrations-Expertin Nicole Hirt kritisierte die Zusammenarbeit der EU mit der libyschen Küstenwache. „Die Küstenwache besteht aus unterschiedlichen Warlords, die sich den Namen Küstenwache gegeben haben, um Geld von Europa zu kriegen“, sagte die Wissenschaftlerin am Giga Institut für Afrika-Studien in Hamburg dem Evangelischen Pressedienst. „Sie sind selbst im Menschenschmuggel involviert, retten die Flüchtlinge also, damit sie verkauft werden.“

Die EU legitimiere mit der Finanzierung und Unterstützung der libyschen Küstenwache Personen, die Menschenrechtsverbrechen begingen. Hirt: „Libyen ist ein gescheiterter Staat mit mehreren Regierungen. Es herrscht dort keinerlei Rechtsstaatlichkeit.“ Also unterliege auch die Küstenwache nicht rechtsstaatlichen Prinzipien und werde wegen Menschenrechtsverletzungen nicht belangt.

Ausharren im Mittelmeer

Die Odyssee der privaten Rettungsboote begann in der ersten Juni-Hälfte nach Schließung der Häfen Italiens durch die neue rechtspopulistische Regierung. Als erste musste die von „Ärzte ohne Grenzen“ und SOS Mediterranée betriebene „Aquarius“ mit 629 Flüchtlingen an Boot fast eine Woche im Mittelmeer ausharren, bevor sie im spanischen Valencia einlaufen konnte.

Die „Lifeline“ konnte erst nach sechs Tagen in den Hafen der maltesischen Hauptstadt Valletta, als acht EU-Staaten die Aufnahme der mehr als 230 Geretteten an Bord zugesichert hatten. „Ärzte ohne Grenzen“ erklärte nun, angesichts der politischen Lage auf dem Mittelmeer, bleibe die „Aquarius“ vorerst in Marseille. Ausland Leitartikel

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  1. Lutz Grubmüller sagt:

    Es verwundert kaum, dass die lybische Küstenwache Profit an und mit Flüchtlingen macht; es ist auch zu vermuten, dass selbst FRONTEX in
    solch schmutzigen Menschenhandel verstrickt ist!

  2. FrankUnderwood sagt:

    @Lutz Grubmüller
    Gibt es auch seriöse Quellen, die solche Vorwürfe gegen Frontex tatsächlich belegen können?

  3. wolfgang hippe sagt:

    Ist das nun eine Freud’sche Fehlleistung oder das Ergebnis der Qualiätspropaganda: Wenn die EU denn mit „Syrien“ zusamnmenarbeitet, hat das „tödliche Folgen“. Obwohl: geht es hier nicht um „Lybien“ ????
    Das ganze Zitat im O-Ton:
    Seit knapp einem Monat gehen Italien und Malta gegen die privaten Seenotretter im Mittelmeer vor. Die EU arbeitet mit Syrien zusammen. Laut Helfern hat dies tödliche Folgen. Im Juni starben fast 700 Menschen auf See. Expertin: „Libysche Küstenwache in Menschenschmuggel involviert“.