Sami Omar, Heimat, Buch, Buchcover, Rassismus
"Sami und die liebe Heimat" von Sami Omar

Buchtipp zum Wochenende

Sami und die liebe Heimat

Wie auf Zigarettenschachteln müsste auf dem Cover des neuen Buches von Sami Omar ein Warnhinweis angebracht werden: „Die Lektüre dieses Buches kann Ihren Rassismus töten!“ Im Gespräch mit MiGAZIN erklärt Sami Omar sein Verständnis von Heimat und was er sich vom gleichnamigen Ministerium wünscht.

Freitag, 23.03.2018, 6:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 26.03.2018, 16:59 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

MiGAZIN: Herr Omar, man kennt Sie aus diversen Medien. Auch im MiGAZIN sind zahlreiche Texte von Ihnen erschienen. Sie schreiben oft aus Ihrem Leben, Ihrer Kindheit und über Alltagsrassismus, den Sie erlebt haben. Für Ihr Buch „Sami und die liebe Heimat“ haben Sie nur 18 Texte ausgewählt. Was waren die Auswahlkriterien?

Sami Omar: Für das Buch habe ich Texte ausgewählt, an deren Grundgedanken ich auch heute noch Gefallen finde und die mir wichtig sind. Das trifft nicht auf Alles zu, was ich schreibe, denn ich passe mich manchmal meinen Erkenntnissen an.

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Außerdem bekomme ich auf manche Texte mehr Reaktionen als auf andere. Ich kriege so eine Rückmeldung darüber, welche Artikel Dialog fördern und neue oder ungewohnte Blickweisen eröffnen. Als ich über die Kulturgeschichte der Banane im Kontext rassistischer Verunglimpfung schrieb, zum Beispiel. Oder wenn ich zu erklären versuche, was an gängigen Formulierungen verletzend sein kann.

Heimat steht in Ihren Texten oft im Zentrum. Warum ist das Thema Ihnen so wichtig?

Sami Omar: Mit der Heimatfrage verbindet sich ein Bekenntnis zur Heimat. Das ist es, was mich daran oft stört. Sie ist nicht frei zur Verfügung dessen, der sie beantwortet. Menschen haben Erwartungen. Unter solchen Erwartungen stehen besonders solche Menschen, deren Kulturkreis vermeintlich oder tatsächlich dem hiesigen ferner ist.

„Ein Schwede oder eine Schwedin kann problemlos behaupten, seit 30 Jahren in Deutschland zu leben, seine/ihre Heimat aber in Schweden zu sehen. Bei einem Eritreer/einer Eritreerin wird das oft als Mangel an Integrationsbereitschaft gesehen.“

Ein Schwede oder eine Schwedin kann problemlos behaupten, seit 30 Jahren in Deutschland zu leben, seine/ihre Heimat aber in Schweden zu sehen. Bei einem Eritreer/einer Eritreerin wird das oft als Mangel an Integrationsbereitschaft gesehen. Andererseits gibt es aber auch die Erwartung mangelnder Identifikation mit Deutschland. Sie äußert sich in der immer wiederkehrenden Frage nach der Heimat, die an Menschen mit Migrationsgeschichte gestellt wird. (Wo kommen sie wirklich her?)

Die Heimatfrage ist also häufig keine, die dem Kennenlernen dient, sondern vielmehr ein Gradmesser für Integrationsleistung. Und Integration ist ein Bringschuld-Konstrukt aus der seehoferschen Philosophie des Wir-und-die.

Ich selber arbeite mich an dem Wort nicht ab. Ich schreibe aber tatsächlich viel über die Sehnsucht nach ethnischer und kultureller Selbstbestimmung in einer pluralen Gesellschaft.

Was halten Sie davon, dass es in Deutschland jetzt ein Heimatministerium gibt?

„Ich wünschte mir, dass ein Heimatministerium sich auch mit der Fortentwicklung des deutschen Selbstbildes als ethnisch, religiös und geschlechtlich vielfältig befassen würde.“

Sami Omar: Ich wünschte mir, dass ein Heimatministerium sich auch mit der Fortentwicklung des deutschen Selbstbildes als ethnisch, religiös und geschlechtlich vielfältig befassen würde. „Heimat“ könnte dann auch in meinen Ohren einen positiveren Klang bekommen. Ich fürchte, dass mit dem Ministerium und seiner Besetzung die Deutungshoheit über den Begriff bei denen liegt, die Macht über die Negation dieser Pluralität generieren wollen. Ich weiß noch, als Menschen ihre freundliche Gesinnung mir als schwarzem Mann gegenüber mit dem Wort „Toleranz“ bekunden wollten. Diese Zeiten wünsche ich mir nicht zurück!

Deutschland ist Ihre Heimat und in Ihrer Heimat scheint Rassismus Alltag zu sein. Diesen Eindruck gewinnt man jedenfalls, wenn man Ihre Texte liest. Oft geht es um die Hautfarbe. Wie stark ist die Intensität des Rassismus, mit der man als People of Color in Deutschland tatsächlich konfrontiert wird?

Sami Omar: Ich bin Experte in Bezug auf den Rassismus, der mir als Individuum widerfährt. Und weil ich damit schon lange umgehe, abstrahiere ich von meinen Erfahrungen auf Wirkungsmechanismen, die in größeren Zusammenhängen greifen – so bin ich überzeugt. Das ist der Rahmen, in dem ich schreibe. Ich kann also sagen, dass der Rassismus, den ich sehe durchaus zugenommen hat. Das liegt an dem Erstarken rechter Strömungen im Land und der Ermutigung ganz gewöhnlicher Feiglinge, sich daran stark zu machen.

Es liegt aber auch an der wunderbaren Emanzipation, die viele Einwanderer meiner Generation durchlaufen (haben). Wir sind als Teil dieser Gesellschaft selbstlokalisierend und -identifizierend. Wir klagen Missstände an und fordern Anerkennung. Vor allem aber kämpfen viele um ihre Teilhabe am Deutschsein. Die Deutungshoheit über das Deutschsein kann nicht bei denen belassen werden, die einerseits Integration fordern, andererseits aber alle zu Fremden erklären, die nicht in ihr Bild eines völkisch homogenen Deutschland passen.

Ich behaupte also solange Schwabe zu sein, bis die Leute das nicht mehr lustig finden, sondern mir daraufhin sagen, aus welchem Bundesland sie kommen. So sollte das nämlich laufen!

Ihre Texte sind nicht selten politisch, Sie prangern an: Politik, Behörden, Ämter… Wie fühlt sich die aktuelle Flüchtlingspolitik an. Was empfinden Sie, wenn Sie sie verfolgen?

„Wenn ich 2015 Menschen zum Ausländeramt begleitet habe, sind mir Dinge passiert, die anderen Helfern nicht passiert sind. Ich wurde für einen Geflüchteten gehalten und in einem entsprechenden Ton angegangen. Manchmal war das hart an der Grenze des Erträglichen.“

Sami Omar: Ich gehöre einem Fachdienst für Integration und Migration an, dadurch habe ich auch einen Blick für die großartige Arbeit der Zivilgesellschaft für geflüchtete Menschen entwickelt. Ich freue mich sehr über die Menschen und ihren Einsatz für andere Menschen. Wir können uns bei der Auseinandersetzung mit geflüchteten Menschen und anderen Zuwanderern noch mal neu die Frage nach der Würde stellen, die wir anderen zugestehen wollen und wo für uns der Maßstab ist.

Wenn ich 2015 Menschen zum Ausländeramt begleitet habe, sind mir Dinge passiert, die anderen Helfern nicht passiert sind. Ich wurde für einen Geflüchteten gehalten und in einem entsprechenden Ton angegangen. Manchmal war das hart an der Grenze des Erträglichen.

Ich glaube, dass Antidiskriminierung nicht ohne praktischen Einsatz für schwächere oder schwächer gestellte Menschen gedacht werden kann und andersherum. Das wünschte ich mir in manchen Köpfen vielleicht noch präsenter.

Was glauben Sie? Wird Deutschland auch in 50 Jahren noch über Rassismus diskutieren oder werden wir das Problem irgendwann in den Griff kriegen?

Sami Omar: Ich hoffe sehr, dass wir in 50 Jahren noch über Rassismus diskutieren. Denn er wird nicht verschwunden sein und wir brauchen so dringend eine Auseinandersetzung mit ihm. Fortlaufend, aufrichtig und auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Ich hoffe, dass schwarze Deutsche und alle anderen Menschen über die heute gesprochen wird, die Diskussion dann als gleichberechtigte Bürger und Diskutanten mitprägen. Aktuell Feuilleton Interview

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