Schleswig-Holstein

Verfassungsschutzbericht: Keine akute Gefahr

Die NPD stellt für die innere Sicherheit Schleswig-Holsteins eines der größten Bedrohungspotentiale dar. Eine akute Gefahr geht von ihnen jedoch derzeit nicht aus. Das ist die Quintessenz aus dem Verfassungsschutzbericht 2008 [pdf], den Innenminister Lothar Hay gestern vor der Presse in Kiel vorstellte.

Mittwoch, 29.04.2009, 8:36 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 21.08.2010, 0:13 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

„Die Sicherheitslage ist stabil“, sagte Hay. Allerdings seien eine erhöhte Wachsamkeit und eine intensive nachrichtendienstliche Beobachtung des extremistischen Spektrums weiterhin erforderlich. Die Szene sei in Bewegung. Veränderungen erfolgten bisweilen sehr rasch. „Wir haben die Gruppen daher genau im Blick und können schnell reagieren“, sagte der Minister.

Die Zahl der Mitglieder in rechtsextremistischen Organisationen und Gruppierungen in Schleswig-Holstein blieb mit rund 1.420 Personen im vergangenen Jahr nahezu unverändert. Die größte Gruppe stellten mit 760 Mitgliedern die subkulturell geprägten und gewaltbereiten Rechtsextremisten. Die NPD mit ihrer Jugendorganisation kam unverändert auf 240 Mitglieder.

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Der Aufwärtstrend der NPD hat sich somit nicht weiter fortgesetzt. Gleichwohl bleibt die Partei die dominierende Kraft im Rechtsextremismus. Die aktionistisch geprägten Kräfte gewinnen weiter an Bedeutung. Der schleswig-holsteinische Landesverband der NPD wird maßgeblich von Personen beeinflusst, die dem neonazistischen Spektrum angehören. Besonders die subkulturell geprägten Rechtsextremisten haben nur wenige Hemmungen, in Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern Gewalt anzuwenden.

Nach Ansicht von Hay lassen sich derzeit noch keine sicheren Aussagen über die künftige Entwicklung der NPD machen. Die Partei sei geschwächt. Der Finanzskandal um ihren ehemaligen Schatzmeister habe dazu ebenso beigetragen wie ausbleibende Erfolge bei Wahlen. Die NPD habe sich im vergangenen Jahr kaum öffentlich gezeigt. Ihre Funktionäre seien nicht in der Lage gewesen, die angekündigte Wortergreifungsstrategie umzusetzen. Damit wollte die NPD politische Veranstaltungen gegnerischer Parteien in ihrem Sinne umzufunktionieren. „Die NPD in Schleswig-Holstein ist kaum noch in der Lage, öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen zu organisieren“, sagte Hay.

Internet
Die Bedeutung des Internets hat in rechtsextremistischen Kreisen weiter zugenommen. Der Verfassungsschutz zählte Ende 2008 in Schleswig-Holstein mehr als 20 verschiedene Internetangebote, bundesweit betreiben deutsche Rechtsextremisten rund 1.000 Internetseiten.

Dass rechtsextremistische Inhalte mehr und mehr in an sich vollkommen unverdächtigen Plattformen im Internet einfließen, ist für Hay ein anwachsendes Problem. Denn junge Leute könnten so unbewusst mit dem Gedankengut der Rechtsextremisten konfrontiert werden. Sehr rasch könnten rechtsextremistische Positionen als Normalzustand wahrgenommen werden. „Von einer zunächst unterschwelligen Akzeptanz bis hin zu einer Aneignung derartiger Gedanken ist es oft nicht weit“, sagte der Minister. So wie die Skinhead-Musik berge auch das Internet die Gefahr, dass Hemmschwellen abgebaut und junge Leute zum Einstieg in die Szene animiert würden.

Die NPD-Verbotsdebatte
Hay sprach sich gegen eine erneute öffentliche Diskussion über ein NPD-Verbot aus. Bei den entsprechenden Forderungen komme man sich inzwischen wie der Hauptdarsteller aus der Filmkomödie „Und täglich grüßt das Murmeltier“ vor: Gefangen in einer Zeitschleife, die zu keinem Ziel kommt. „Ich halte die ständige Wiederholung von Argumenten für und gegen ein Verbot der NPD eher für schädlich, solange nicht alle demokratischen Parteien in der Frage einig sind, ein Verbotsverfahren beim Bundesverfassungsgericht einzuleiten“, sagte der Minister. Er ließ keinen Zweifel an seiner Haltung gegenüber der NPD: „Ich würde die Partei lieber heute als morgen verboten sehen.“ Allerdings gehe es bei einem NPD-Verbot nicht nur um den politischen Willen, es zu beantragen, entscheidend sei, es juristisch auch durchzusetzen. Die Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht für das Verbot einer Partei aufgestellt habe, seien hoch. Ein erneutes Scheitern vor dem Gericht wäre fatal.

Andere Strömungen
Der Verfassungsschutz konnte auch im vergangenen Jahr keine islamistisch-terroristischen Strukturen in Schleswig-Holstein feststellen. Von den so genannten Autonomen aus dem Spektrum der undogmatisch gewaltbereiten Linksextremisten gehe jedoch weiter eine erhöhte Gefahr aus. Es komme je nach Situation immer wieder zu Straftaten insbesondere gegen Polizeibeamte und Rechtsextremisten.

Für Klaus-Peter Puls, innen- und rechtspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion gibt es kein Grund zur Entwarnung, auch wenn von extremistischen Gruppen keine akute Gefahr für die Sicherheit unseres Landes ausgeht: „Die Entwicklung im rechtsextremen Spektrum, insbesondere bei den gewaltbereiten so genannten „Autonomen Nationalisten“ muss beobachtet und konsequent bekämpft werden. Die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, vor einer weiteren Professionalisierung rechter Schlägerbanden geschützt zu werden.“

Der innenpolitische Sprecher und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Peter Lehnert betonte hingegen, dass der Bericht des Verfassungsschutzes erneut deutlich zeige, „dass die Bedrohung unserer Gesellschaft nicht ausschließlich aus einer Richtung kommt.“ Politik

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