Afrika, Hunger, Armut, Hilfe, Hungersnot
Straßenaktionen von Gemeinsam für Afrika: Gemeinsam gegen die Hungersnot! © Gemeinsam für Afrika / Jonas Walter

Vor Afrika-Gipfel

Kritik an Entwicklungspolitik der Bundesregierung

Hilfsorganisationen und Oppositionsparteien sehen die deutsche Entwicklungspolitik kritisch. Vor einem Afrika-Gipfel in Berlin warnen sie vor einer Fokussierung auf Investitionen.

Dienstag, 19.11.2019, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 24.11.2019, 17:08 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Vor dem Afrika-Gipfel in Berlin kritisieren Hilfsorganisationen und Oppositionsparteien die Entwicklungspolitik der Bundesregierung. Vor allem der starke Fokus auf Investitionen stieß am Montag auf Widerspruch. Die Hilfsorganisation medico international betonte, schon die Grundidee sei „falsch und fatal“. Afrika-Referentin Anne Jung erklärte: „Probleme des Kontinents sollen gelöst werden, in dem ausländisches Kapital durch hohe Profitaussichten und niedrige rechtliche Standards angelockt wird.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) berät am Dienstag mit afrikanischen Staats- und Regierungschefs über künftige Investitionen auf dem Kontinent. Es ist die dritte Konferenz der Initiative „Compact with Africa“, in deren Mittelpunkt Partnerschaften mit Ländern stehen, die sich verpflichten, Korruption zu bekämpfen. Bisher gibt es zwölf Partner: Ägypten, Äthiopien, Benin, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Ghana, Guinea, Marokko, Ruanda, Senegal, Togo und Tunesien.

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Kritik an Ausrichtung

Medico-Referentin Jung betonte, es gebe kein einziges Beispiel, wo diese Politik die Lebensbedingungen der Bevölkerungen verbessert hätte. „Im Gegenteil: Staatseinnahmen sinken, die Abhängigkeit von Hilfe steigt und der Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung wird erschwert.“

Die Entwicklungsorganisation One forderte, Deutschland solle sich verpflichten, die Ziele und Pläne der afrikanischen Partnerländer in den Mittelpunkt zu stellen und die Initiative stärker auf die Reduzierung extremer Armut auszurichten.

Gipfel „Bankrotterklärung“

Der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Uwe Kekeritz, erklärte, durch den Fokus auf Privatinvestitionen bestehe die Gefahr, das Gemeinwohl zu vernachlässigen. Der „exklusive Gipfel“ könne nicht über die Kraft- und Ideenlosigkeit der deutschen Afrikapolitik hinwegtäuschen. Zählbare Entwicklungserfolge gebe es bislang nicht.

Die Obfrau der Linksfraktion im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Eva-Maria Schreiber, bezeichnete den Gipfel als „Bankrotterklärung“, da er die deutsche Afrikapolitik allein an den Interessen von Investoren ausrichte. Sie kritisierte zugleich, dass die Bundesregierung dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi, „an dessen Händen viel Blut klebt, beim Gipfel zum wiederholten Mal eine besonders prominente Rolle“ zuweise.

Regierung sieht Verbesserungsbedarf

Für Al-Sisi stand bereits für Montag eine Begrüßung im Bundestag sowie in Schloss Bellevue auf dem Programm. Die Organisation Human Rights Watch wirft al-Sisi vor, in Ägypten die „schlimmste Menschenrechtskrise“ seit Jahrzehnten ausgelöst zu haben. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte, dass es in dem nordafrikanischen Land nach wie vor Verbesserungsbedarf gebe bei der Meinungsfreiheit sowie bei den Arbeitsmöglichkeiten von Zivilgesellschaft und Nichtregierungsorganisationen.

„Compact with Africa“ wurde im Juni 2017 gestartet, als Deutschland die Präsidentschaft der G20 innehatte, der führenden Industrie- und Schwellenländer. Ziel ist es, in Afrika Zukunftsperspektiven zu eröffnen, damit die Menschen nicht als Flüchtlinge oder Migranten nach Europa kommen.

Entwicklungsminister für Digitalisierung

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will sich indes verstärkt auf die Digitalisierung konzentrieren. „Mit der Digitalisierung kann Afrika riesige Entwicklungssprünge machen“, sagte Müller dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. Mit der Initiative „Digitales Afrika“ setze das Entwicklungsministerium bereits rund 40 Projekte mit einem Volumen von 165 Millionen Euro um. Insgesamt investiere das Ministerium 268 Millionen Euro in 227 Digitalprojekte in Afrika.

Bein Abendessen für afrikanische Staats- und Regierungschefs anlässlich der „Compact-with-Africa“-Konferenz in Schloss Bellevue hob Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier derweil die gemeinsamen Herausforderungen hervor. „Wir, Afrika und Europa, brauchen einander, um gemeinsam die Zukunft zu gestalten.“ Denn viele Herausforderungen machten nicht an Landesgrenzen halt. Als Beispiele nannte er den Klimawandel und die Migration. (epd/mig) Leitartikel Politik

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  1. Peter Enders sagt:

    Entwicklungspolitik war und ist Außenwirtschaftspolitik. Afrika will ausgerechnet eine Regierung digitalisieren, die das im eigenen Land nicht schafft (ich erinnere an die heute fast totgeschwiegene Initiative D21), ha, ha, ha! Was tun die reichen Afrikaner?!

  2. Ute Plass sagt:

    „Medico-Referentin Jung betonte, es gebe kein einziges Beispiel, wo diese Politik die Lebensbedingungen der Bevölkerungen verbessert hätte. „Im Gegenteil: Staatseinnahmen sinken, die Abhängigkeit von Hilfe steigt und der Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung wird erschwert.“

    Das ist die „marktkonforme Demokratie“, der amtierenden Kanzlerin oder
    deutlicher: Profitorientiertes Wirtschaften im Zeitalter des Kapitalismus.
    Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll von „Entwicklungspolitik“ schweigen.