„Worthülsen“

Kein Cent für den Nationalen Aktionsplan Integration

Für die Umsetzung des groß angekündigten Nationalen Aktionsplans Integration hat die Bundesregierung keine gesonderten Haushaltsmittel vorgesehen. Auch sonst hinkt die Bundesregierung ihren Versprechungen hinterher. Grünen-Politikerin Polat übt scharfe Kritik.

Mit großen Worten wurde der „Nationale Aktionsplan Integration“ (NAPI) auf dem 10. Integrationsgipfel im Juni 2018 vorgestellt. 24 Themen aufgeteilt in fünf Phasen versprachen neue Impulse und zahlreiche Maßnahmen. Ein Schwerpunkt war die Integration in den Arbeitsmarkt. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte auf dem Gipfel: „Wenn es um das Zusammenleben geht, geht es zu allererst um die gleichen Chancen auf Teilhabe- und das im umfassenden Sinne.“ Es fange bei der Bewerbung an, wo unterschiedliche Namen keinen Unterschied machen sollten, so Merkel.

Wie die Bundesregierung jetzt auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen mitteilt, gibt es eineinhalb Jahre nach der großen Ankündigung keine „regelmäßige, umfassende Erhebung zur Diskriminierung“ von Migranten am Arbeitsmarkt“. Eine solche Maßnahme sei nicht einmal in Planung.

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Im Übrigen obliege die Umsetzung des NAPI den zuständigen Ressorts, für die jedoch „keine gesonderten Haushaltsmittel“ vorgesehen sind. Die Aufgaben seien „mit dem vorhandenen Personal und den vorhandenen Haushaltsmitteln zu bewältigen“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung, die dem MiGAZIN vorliegt.

Impulspapier von Migranten wartet auf Umsetzung

Auch das von Migrantenorganisationen bereits zum 9. Integrationsgipfel im Jahr 2016 vorgelegte Impulspapier zur Teilhabe in der Einwanderungsgesellschaft und interkulturellen Öffnung der Verwaltung und Behörden hat der Vorlage zufolge kaum gefruchtet. Die Bundesregierung verliert sich in Verweisen auf Zuständigkeitsfragen und Gesprächsangeboten an Migrantenorganisationen. Konkrete Maßnahmen: Fehlanzeige.

Das stößt bei der integrationspolitischen Sprecherin der Grünen, Filiz Polat, auf Kritik. „Die Beteiligungsprozesse sind kein Selbstzweck. Diese Hinhaltetaktik muss endlich aufhören“, erklärt Polat dem MiGAZIN. Drei Jahre nach Veröffentlichung des Impulspapieres zeuge die Antwort der Bundesregierung von „Ignoranz“. Interkulturelle Öffnung sei „kein Hobby, sondern ein Versprechen der pluralen Gesellschaft, das die Bundesregierung einlösen muss“. Eine diskriminierungskritische und diversitätssensible Verwaltung entstehe nicht von selbst.

Polat: Bekenntnisse der Regierung nur Worthülsen

„Gerade die Tatsache, dass nicht ein Cent in den Haushalt eingestellt wurde, um die Ziele des Nationalen Aktionsplans Integration voranzutreiben, legt offen, dass die Bekenntnisse der Bundesregierung zu ‚gesellschaftlicher Vielfalt‘ und der Verbesserung von Teilhabechancen nur Worthülsen sind“, erklärt Polat diesem Magazin. Dies lege die Vermutung nahe, dass sich der NAPI „nahtlos in die wenig fruchtbare Geschichte der vorherigen Pläne einreiht“.

Tatsächlich werden viele Forderungen von Migrantenorganisationen schon seit vielen Jahren wiederholt, ohne von der Bundesregierung honoriert zu werden. So etwa die Forderung in dem Impulspapier nach einem Bundespartizipations- und Integrationsgesetz, um die interkulturelle Öffnung verbindlich zu regeln. In der Antwort heißt es dazu: „Die Bundesregierung plant derzeit kein solches Gesetz und steht insgesamt Forderungen nach Rechtsänderungen zurückhaltend gegenüber“.

Teilhabe nur in homöopathischen Dosen erwünscht

Ähnlich sieht es mit der Forderung nach einer Ergänzung des Grundgesetzes aus, wonach die gleichberechtigte Teilhabe und Chancengerechtigkeit als Staatsziel formuliert werden sollen. Auch einem Nationalen Rat zur interkulturellen Öffnung nach dem Vorbild des Ethikrates erteilt die Bundesregierung in der Antwort eine Absage.

„Auch nahezu zwei Jahrzehnte nach dem ersten öffentlichen Bekenntnis der Bundesregierung, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, hat sich der Blick und die Einstellungen des Bundesinnenministeriums in Bezug auf Menschen mit Einwanderungsgeschichte leider nicht geändert“, kritisiert Polat. Seitdem werde zwar mehr diskutiert, gehandelt werde aber noch viel zu wenig. Ein gleichberechtigter Diskurs auf Augenhöhe sei offenbar „nur in homöopathischen Dosen erwünscht“. (bk/mig)