Fremde Europäer von der Insel

Ausstellung „Very British“ im Haus der Geschichte in Bonn

Die hochaktuelle Wechselausstellung im Haus der Geschichte in Bonn steht im Zeichen des Brexits. Unter dem Titel „Very British. Ein deutscher Blick“ werden die deutsch-britischen Beziehungen bis in die Gegenwart nachgezeichnet.

Werden die Lastwagen mit den wertvollen Exponaten aus Großbritannien jemals in Bonn eintreffen oder bleiben sie am Ärmelkanal stecken? Diese Frage stellten sich die Historiker im Haus der Geschichte immer wieder. Denn ein harter Brexit hätte das Bonner Ausstellungsprojekt zu Fall bringen können. Doch der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union wurde aufgeschoben und die zahlreichen Leihgaben von der Insel trafen pünktlich am Rhein ein. Die britischen Leihgeber seien sehr entgegenkommend gewesen, sagt der Projektleiter der Ausstellung, Christian Peters. „Wir hatten den Eindruck, dass in britischen Kulturinstitutionen großes Interesse besteht, die kulturellen Kontakte zu halten.“

Eine besondere Geste sei zum Beispiel die Ausleihe des orangefarbenen Fußballs aus dem Finale der Weltmeisterschaft 1966, sagt Peters. Er wird normalerweise nie verliehen. In dem umstrittenen Spiel gewann Großbritannien gegen Deutschland. Der Direktor des National Football Museums in Manchester sei persönlich angereist, um den Ball in die Vitrine zu legen. Dort durfte er allerdings nur zwei Wochen bleiben. Länger konnten die Briten nicht auf das emotional aufgeladene Stück Leder verzichten. Anschließend wurde er durch ein in Plexiglas gegossenes Stück Rasen aus dem Wembley-Stadion ersetzt.

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Andere wertvolle Exponate, etwa aus der Royal Collection, seien sogar mit ausdrücklicher Erlaubnis von Königin Elizabeth II. nach Bonn gesandt worden, betont der Präsident des Hauses der Geschichte, Hans Walter Hütter. So ist zum Beispiel das türkisfarbene, reich bestickte Ballkleid zu sehen, das eigens für den ersten Deutschland-Besuch der Queen 1965 entworfen wurde. Oder die Karkasse der Krone, mit der der Kurfürst von Hannover 1714 zum König von Großbritannien und Irland gekrönt wurde. Die Edelsteine daraus ließ Königin Victoria später in eine zierlichere Krone für sich einarbeiten.

Spielball aktueller Entwicklungen

Dass die Ausstellung über die deutsch-britischen Beziehungen einmal selbst Spielball der aktuellen politischen Entwicklungen werden könnte, hatten die Historiker im Haus der Geschichte nicht auf dem Plan gehabt. Denn die Schau wurde bereits Ende 2016, also rund vier Monate vor dem Brexit-Referendum, beschlossen. Obwohl: Mit Blick auf die Geschichte hätten die Historiker vielleicht etwas ahnen können. Denn, so sagt Ausstellungsleiter Thorsten Smidt: „Der Brexit war kein Unfall, sondern es gibt in Großbritannien eine lange Tradition der Ambivalenz gegenüber Europa.“

Belege dafür finden sich auch in der Ausstellung. Da ist etwa die Karlspreis-Medaille, die 1955 dem damaligen britischen Premierminister Winston Churchill für seine Verdienste um die europäische Einigung verliehen wurde. Doch obwohl Churchill sich bereits 1946 für die Gründung „einer Art Vereinigter Staaten von Europa“ aussprach, machte er zugleich klar, das Großbritannien nicht Teil, sondern lediglich Freund und Förderer dieser Entwicklung sein würde.

Beziehungen über Jahrzehnte gewachsen

Zunächst kam es anders. „A Day in History“ titelte die Zeitung „Daily Mirror“, als Großbritannien am 1. Januar 1973 Teil der Europäischen Gemeinschaft wurde. Damals feierten die Briten das Ereignis noch mit einem mehrtägigen Festival. Die Deutschen freute es. Sie waren ohnehin schon lange die größten Fans des britischen Königshauses außerhalb Großbritanniens. Unzählige Zeitschriftentitel mit Fotos der Royals beweisen das. Zudem waren die Beziehungen durch die in Deutschland stationierten britischen Truppen über Jahrzehnte gewachsen.

BFN, der Radiosender der britischen Streitkräfte in Deutschland, begeisterte auch viele Deutsche, weil er die englischen Hits spielte. Die Liste der Popmusiker, die auch die deutsche Kultur und Musik prägten, ist endlos: Die Beatles, die Rolling Stones, Led Zeppelin oder Amy Winehouse. Am Ende der Ausstellung können die Besucher aus 40 britischen Hits ihre Favoriten wählen.

Ausstellung am Puls der Zeit

Dennoch bleibt das Verhältnis zwischen beiden Ländern ambivalent. Es gibt einerseits Zeichen der Versöhnung, etwa eine Friedensinitiative in Coventry, das im Zweiten Weltkrieg von den Deutschen bombardiert worden war. Andererseits sei weiterhin eine Fixierung der Briten auf den Zweiten Weltkrieg festzustellen, sagt Smidt. Der Krieg zwischen Briten und Deutschen spielt sich nun an den Sonnenstränden Europas ab, wo Urlauber beider Länder sich um die Liegestühle streiten. Die britische Zeitung „Sun“ verteilte Strandlaken mit der Aufschrift „I got to the pool before the Germans“. Der deutsche „Express“ konterte mit einem Tuch mit dem Spruch „Sorry! Dieser Liegestuhl gehört heute mir.“

Der Brexit macht die Briten nun erneut zu Fremden. Auch die Bonner Ausstellungsmacher bringt das ins Rotieren. Da die Schau bis zum 8. März 2020 läuft, müssen sie diese nun mittendrin aktualisieren. Denn am 31. Oktober werden die Briten die Europäische Union endgültig verlassen. Ob es zu einem harten Brexit kommt oder am Ende doch ein Abkommen geschlossen wird, steht noch in den Sternen. Die Historiker im Haus der Geschichte müssen flexibel bleiben: Eine Ausstellung am Puls der Zeit. (epd/mig)