Polizeiliche Presseauskünfte

Herkunftsnennung bei Straftätern: Länder sind geteilter Meinung

Schutz vor Diskriminierung vs. öffentliches Interesse: Soll die Polizei in Presseauskünften die Nationalität von Tätern und Verdächtigen nennen? Die Bundesländer regeln das unterschiedlich. Relevant ist für die meisten aber der Pressekodex.

Die Initiative Nordrhein-Westfalens, wonach die Polizei bei ihrer Pressearbeit künftig grundsätzlich die Nationalität von Tatverdächtigen nennen soll, stößt in den anderen Bundesländern auf geteilte Reaktionen. In einer Umfrage des „Evangelischen Pressedienstes“ unter den Ländern verwiesen die meisten am Mittwoch auf den Pressekodex des Deutschen Presserates. Dieser empfiehlt, die Herkunft eines Tatverdächtigen nur zu nennen, wenn „ein begründetes öffentliches Interesse“ besteht.

In Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein soll sich die Polizei weiterhin an diese Regelung halten, wie die Innenministerien der Länder mitteilten. Die Orientierung am Pressekodex habe sich bewährt, Änderungen seien derzeit nicht geplant. Es führe nicht zu mehr Transparenz, die Nationalitäten der Tatverdächtigen zu nennen, wenn es für den geschilderten Sachverhalt nicht relevant sei, betonte der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD). „Genauso wenig berichtet die Polizei über Kleidung, Haarfarbe oder Größe der Tatverdächtigen“, sagte er. „Es sei denn, diese Angaben sind relevant.“

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Unterschiedliche Praktiken in Ländern

In Bayern gibt es bislang keine landesweiten Vorgaben zur Herkunftsnennung, wie das Innenministerium in München erklärte. Die Polizei wäge bei ihrer Pressearbeit im Einzelfall „sehr bedacht und sensibel“ ab, ob sie die Nationalität von Tatverdächtigen nenne. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte dazu: „Wir werden uns die beabsichtigte Neuregelung in Nordrhein-Westfalen näher anschauen und gegebenenfalls entscheiden, ob in Bayern Änderungen oder Ergänzungen notwendig sind.“

Auch in Sachsen gibt es nach Angaben des Innenministeriums in Dresden bislang noch kein einheitliches Vorgehen. Dies werde aber künftig angestrebt, hieß es.

Nennung bereits Praxis in Hamburg und Brandenburg

Thüringen plant indes wie Nordrhein-Westfalen eine Änderung seiner bisherigen Praxis. Da es für die Polizei oft schwer sei, den Pressekodex richtig auszulegen, solle in Pressemitteilungen künftig immer die Nationalität angegeben werden, sofern keine ermittlungstaktischen Gründe dagegen sprechen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Erfurt. Auch der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU), erklärte, er könne sich ein Verfahren wie in NRW vorstellen. Aus dem Saarland lag zunächst keine Antwort vor.

In Hamburg, Brandenburg sowie bei der Bundespolizei wird bereits heute grundsätzlich die Staatsangehörigkeit von Tatverdächtigen genannt, wie die Behörden mitteilten. Dies entspreche den Bedürfnissen der Presse, die dann auf Grundlage des Pressekodex eigenverantwortlich abwäge, ob die Information veröffentlicht werde, erklärte die Polizei Hamburg. Ein Sprecher des Brandenburger Innenministeriums sagte, Hintergrund der Regelung sei ein „Missbrauch polizeilich relevanter Taten durch Populisten“ gewesen.

Das steht im Pressekodex

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte am Montag angekündigt, dass künftig die Ermittlungsbehörden immer die Identität von Tatverdächtigen nennen sollen, sofern diese zweifelsfrei feststeht. Das Ministerium wolle mit Offenheit und Transparenz Spekulationen und populistischer Bauernfängerei entgegentreten, hieß es.

Der Presserat hatte seine Richtlinie 12.1 zur Herkunftsnennung vor zwei Jahren geändert. Sie fordert seitdem statt eines „begründbaren Sachbezugs“ nun ein „begründetes öffentliches Interesse“ als Voraussetzung für die Erwähnung der Herkunft. Der Pressekodex empfiehlt, in der Berichterstattung über Straftaten darauf zu achten, „dass die Erwähnung oder Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt“. (epd/mig)