Demokratie nicht sicher

Justizministerin: Verfolgungsdruck auf Rechtsextreme erhöhen

Bundesjustizministerin Lambrecht und Ex-Bundespräsident Lammert sprechen sich für eine stärkere und konsequentere Bekämpfung des Rechtsextremismus aus. Stiftung warnt: Demokratie ist nicht sicher.

Angesichts des Mordes an dem CDU-Politiker Walter Lübcke und des Mordversuchs an einem Eritreer in Wächtersbach setzt sich Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) für eine stärkere Bekämpfung des Rechtsextremismus ein. „Wir müssen den Verfolgungsdruck auf Rechtsextremisten massiv erhöhen“, sagte sie der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ, Samstag). Polizei und Staatsanwaltschaften müssten alles tun, um Hasskriminalität im Internet effektiv zu verfolgen. Auch andere Politiker, darunter der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), forderten ein konsequenteres Vorgehen gegen Hassbotschaften.

„Wir sehen, wie Hass im Netz in brutale Gewalt umschlagen kann“, sagte Lambrecht. Strafrechtsreformen hält das Bundesjustizministerium zur Bekämpfung von Hasskriminalität aber nicht für erforderlich. Die zahlreichen Straftatbestände müssten konsequent angewandt werden, sagte ein Sprecher.

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Der frühere Bundestagspräsident Lammert forderte von der deutschen Justiz ebenfalls, konsequenter gegen sprachliche Verrohung insbesondere im Internet vorzugehen. Es gebe nicht nur schlimmste verbale Beleidigungen, Verleumdungen, sondern auch unmissverständliche Bedrohungen von Politikern und Journalisten. „Aber Gerichte schlagen Anzeigen fast immer nieder mit der Begründung, es handele sich um eine virtuelle Bedrohung“, sagte Lammert der „Rheinischen Post“ in Düsseldorf. Klagen der Gerichte über Personalmangel ließ er nicht gelten: Dies dürfe „kein ernsthafter Einwand sein, die deutsche Rechtsordnung nicht ernst zu nehmen“.

Stiftung. Demokratie nicht sicher

Der Vorsitzende der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung warnte in diesem Zusammenhang davor, sich der Demokratie in Deutschland zu sicher zu sein. „Die Demokratie ist gefährdet, wenn wir sie für selbstverständlich halten“, sagte er und erinnerte an den Zerfall des demokratischen Systems in der Weimarer Republik und die Machtergreifung der Nazis.

Wie das Justizministerium sehen auch SPD und Grüne laut FAZ keinen gesetzgeberischen Reformbedarf. Die für die Strafverfolgung zuständigen Länder müssten aber über die Justizressorts und die Generalstaatsanwaltschaften „für ein einheitliches Vorgehen und einheitliche Maßstäbe“ sorgen, forderte die Netzpolitikerin Renate Künast (Grüne).

FDP: Recht nicht Facebook überlassen

Die FDP betonte, die Durchsetzung geltenden Rechts dürfe man nicht den Plattformbetreibern überlassen. „Sie sind keine Zensurbehörden. Polizei und Staatsanwaltschaft müssen finanziell und personell angemessen ausgestatten werden, um das Strafverfolgungsmonopol des Staates konsequent durchsetzen zu können“, sagte der FDP-Rechtspolitiker Jürgen Martens. Grüne, FDP und SPD wollen sich für mehr Schwerpunktstaatsanwaltschaften einsetzen, wie es sie in Nordrhein-Westfalen etwa schon gibt.

Bei zwei Gewaltverbrechen in diesem Monat gehen Polizei und Staatsanwaltschaft von einem rechtsextremen beziehungsweise rassistischen Hintergrund aus: Im Falle des Mordes an dem CDU-Politiker Lübcke Anfang Juli ist ein Rechtsextremist aus Kassel dringend tatsverdächtig. Von fremdenfeindlichen Motiven geht die Franfurter Generalstaatsanwaltschaft im Falle der lebensgefährlichen Schüsse auf einen Eritreer in Wächtersbach (Hessen) aus. Wie das ARD-Magazin „Fakt“ vor kurzem berichtete, haben Rechtsextremisten im Internet sogenannte Feindeslisten veröffentlicht, auf denen die Namen von rund 200 Politikern, Journalisten und Aktivisten stehen sollen. (epd/mig)