Landgericht Wuppertal

Geldstrafen für Mitglieder der selbst ernannten „Scharia-Polizei“

Die selbst ernannten „Scharia-Polizei“ wurden knapp fünf Jahre nach ihrem Streifzug durch Wuppertaler Straßen zu Geldstrafen verurteilt. Anders als im ersten Urteil gehen die Richter jetzt von einer einschüchternden Wirkung aus.

Das Wuppertaler Landgericht hat die Mitglieder der selbst ernannten „Scharia-Polizei“ zu Geldstrafen verurteilt. Alle sieben Angeklagten befand die sechste große Strafkammer für schuldig, gegen das versammlungsrechtliche Uniformverbot verstoßen oder Beihilfe dazu geleistet zu haben, wie das Gericht am Montag mitteilte. (AZ: 26 KLs 20/18)

Die sieben Männer mit mutmaßlicher Nähe zur salafistischen Szene, die im September 2014 mit Warnwesten durch Wuppertal gingen, auf denen teilweise der Schriftzug „Sharia Police“ zu lesen war, hätten eine einschüchternde Wirkung auf Muslime ausüben können, begründeten die Richter ihr Urteil. Bei der Wahl des Namens hätten sich die Angeklagten bewusst an ausländische gleichnamige militante Gruppierungen angelehnt.

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In dem Hauptverfahren wurde auch ein sachverständiger Islamwissenschaftler angehört. Dieser habe bestätigt, dass in verschiedenen Ländern eine „echte“ Scharia-Polizei einschüchternd auftrete und unter Umständen auch unter Verwendung von Rohrstöcken gewaltsam zur Einhaltung islamischer Glaubensregeln mahne, erklärten die Richter. Daher sei davon auszugehen, dass die Verwendung des Namens „Sharia Police“ in Verbindung mit den Warnwesten geeignet sei, hier lebende Muslime einzuschüchtern.

Der Staatsanwaltschaft gefolgt

Der Begriff „Scharia“ steht für ein islamisches Rechtssystem, welches bei ganz schwerwiegenden Straftaten auch drakonische Strafen wie Peitschenhiebe oder Abschlagen von Gliedmaßen vorsehen kann.

Mit der Verurteilung der Männer im Alter von 27 bis 37 Jahren aus Wuppertal, Willich und Krefeld zu Geldstrafen sei die Kammer den Anträgen der Staatsanwaltschaft gefolgt, erklärten die Richter. Die Angeklagten erhielten Strafen zwischen 30 und 80 Tagessätze bis zu 40 Euro. Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Eine Revision vor dem Bundesgerichtshof ist möglich.

Bundesweite Empörung

In dem Verfahren war in der vergangenen Woche auch der mutmaßliche Initiator der Aktion, der aus der Haft entlassene ehemalige Salafistenprediger Sven Lau, als Zeuge aufgetreten. Er hatte vor Gericht erklärt, das Ziel sei gewesen, Muslime an ihre Religion zu erinnern, nicht ihnen Angst zu machen. Laus Verfahren im Zusammenhang mit der „Scharia-Polizei“ war 2016 abgetrennt worden, weil er wegen schwererer Straftaten verurteilt wurde.

Der Streifzug der „Scharia-Polizei“ vor fünf Jahren hatte bundesweit Empörung ausgelöst. Mit dem Gang durch die Wuppertaler Innenstadt im September 2014 wollten die selbst ernannten Sittenwächter durch persönliche Ansprache junge Muslime davon abhalten, Spielhallen, Bordelle oder Gaststätten aufzusuchen.

Zunächst Freisprüche

Zunächst hatte im Jahr 2016 die zweite große Strafkammer des Wuppertaler Landgerichts sieben von ursprünglich neun Angeklagten freigesprochen. Nach Ansicht der Richter hatten die Warnwesten keine einschüchternden Effekte. Auch wurden die Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen, gegen das Uniformverbot verstoßen oder Beihilfe dazu geleistet zu haben.

Dieser Auffassung widersprachen jedoch die Richter des Bundesgerichtshofs und bewerteten das Wuppertaler Urteil als „rechtsfehlerhaft“. Das Landgericht habe nicht ausreichend die einschüchternde Wirkung der Gruppe mit den Warnwesten vor allem auf muslimische junge Männer geprüft, urteilten die Karlsruher Richter im Januar vergangenen Jahres. (AZ: 3 StR 427/17) Sie verwiesen das Verfahren zur erneuten Verhandlung an eine andere Strafkammer des Wuppertaler Landgerichts zurück. Die sechste große Strafkammer hatte das Hauptverfahren dann am vergangenen Montag aufgenommen.

„Stadtschutz“ nicht strafbar

In einem ähnlichen Fall hatte das Amtsgericht Dortmund 2015 das Tragen von T-Shirts mit der Aufschrift „Stadtschutz“ als nicht strafbar eingestuft. Eine entsprechende Klage gegen ein halbes Dutzend Nazis wurde vor Eröffnung des eigentlichen Verfahrens abgewiesen. Die Staatsanwaltschaft legte keine Rechtsmittel ein. Rechtsradikale hatten im September 2014 auf den Straßen patrouilliert, einheitliche T-Shirts getragen und sich dabei als „Stadtschutz“ aufgespielt. (epd/mig)