Auszeichnung und Anklage

Preis für Rettung von Flüchtlingen und Beihilfe zur illegalen Einwanderung?

Die Seenotretter der Iuventa werden am Freitag mit dem Menschenrechtspreis ausgezeichnet für ihren Einsatz im Mittelmeer und für die Rettung von 14.000 Leben. Danach steht für die Crew eine Anklage wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung auf der Agenda.

Die Crew des Seenotrettungsschiffs Iuventa wird am Freitag im schweizerischen St. Gallen mit dem Menschenrechtspreis der Paul Grüninger Stiftung ausgezeichnet. Den mit 50.000 Schweizer Franken (knapp 44.000 Euro) dotierten Preis erhalten die zehn Crewmitglieder für die Rettung von mehr als 14.000 Menschen aus Seenot im Mittelmeer, wie Stiftung und Rettungsinitiative am Montag in Berlin mitteilten. Damit solle ein Zeichen gegen die Kriminalisierung von Fluchthilfe gesetzt werden.

Gegen die zehn freiwilligen Seenotretter – auch Iuventa10 genannt – sowie weitere Personen ermittelt die italienische Staatsanwaltschaft in Trapani wegen Beihilfe zur illegalen Einwanderung. Ihr Schiff Iuventa wurde nach rund einem Jahr im Einsatz am 2. August 2017 im Hafen von Lampedusa beschlagnahmt.

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Humanitäres Versagender EU-Politik

In der Begründung des Stiftungsrates zur Preisverleihung heißt es, die jungen Crew-Mitglieder wirkten mit ihrem Einsatz „dem humanitären Versagen der europäischen Politik entgegen“. Sie hätten damit auch anderen Menschen in Europa Mut gemacht, „nicht in der Ohnmacht zu verharren“. Das Preisgeld soll auch ein Beitrag zu den Prozesskosten sein, die in der ersten Instanz auf mindestens 500.000 Euro geschätzt werden.

Die Paul Grüninger Stiftung erinnert an den ehemaligen Kommandanten der Kantonspolizei St. Gallen und Flüchtlingsretter Paul Grüninger (1891-1972). Er rettete den Angaben zufolge in den Jahren 1938 und 39 mehrere hundert jüdische und andere Flüchtlinge vor der nationalsozialistischen Verfolgung und Vernichtung. Trotz schweizerischer Grenzsperre habe er sie in St. Gallen aufgenommen unter Missachtung von Anweisungen und Gesetzen. Grüninger wurde 1939 deshalb fristlos entlassen und wegen Amtspflichtverletzung und Urkundenfälschung verurteilt. Er wurde erst nach seinem Tod rehabilitiert.

Iuventa: Die Behauptungen sind falsch

Iuventa-Einsatzleiter Sascha Girke verteidigte in Berlin den Einsatz der Iuventa. Die Rettungen hätten unter Einhaltung von Seerecht und internationalem Recht und auf Anweisung der zuständigen Rettungsleitstelle, des Maritime Rescue Coordination Centre (MRCC) in Rom, stattgefunden. Für die Behauptung, die Iuventa habe mit Schleppern kooperiert, gebe es keine Beweise, sagte Girke weiter.

Die Crew verweist dabei auf eine Untersuchung der Goldsmith University London. Die Wissenschaftler hätten die Vorwürfe der Polizei, die auch verdeckte Ermittler und Überwachungstechnik auf der Iuventa eingesetzt haben soll, mit allen verfügbaren Daten, meteorologischen Messwerten, Logbüchern und Aufnahmen verglichen. Die Studie komme zu dem Schluss: „Die Behauptungen sind falsch.“

99 Ermittlungen gegen Helfer

Der Anwalt der Crew, Nicola Canestrini, hofft darauf, dass bis Ende des Jahres klar ist, ob es zu einer Anklage gegen die Iuventa-Crew kommt. „An diesem Urteil wird sich zeigen, ob Europa weiterhin für Grundrechte und Solidarität steht“, sagte Canestrini.

Laut Girke wurden im vergangenen Jahr insgesamt 99 Fälle gezählt, in denen in verschiedenen EU-Staaten strafrechtlich gegen Menschen ermittelt wurde, die Menschen auf der Flucht geholfen haben. Darunter etwa die syrische Rettungsschwimmerin Sarah Mardini. Girke verwies dabei auf eine Zählung des britischen Institute of Race Relations.

Seenotrettung zum Erliegen gekommen

Die Seenotrettung im Mittelmeer durch nichtstaatliche Initiativen ist den Angaben inzwischen fast zum Erliegen gekommen. Aktuell sei nur die „Mare Jonio“ der italienischen Initiative Mediterranea unterwegs, sagte Girke.

Zur Preisverleihung haben die „Iuventa10“ nach eigenen Angaben kriminalisierte Flüchtlingshelfer aus Frankreich, Kroatien und Belgien eingeladen. Der ehemalige Fischkutter Iuventa wurde mit Hilfe privater Spender durch die Berliner Initiative „Jugend rettet“ angeschafft und zu einem Rettungsschiff umgebaut. (epd/mig)