AfD und Bildungspolitik

Bildungsauftrag: Nationalerziehung

Nach den neuesten Umfragen ist die AfD erstmals zweitstärkste Partei im Bund. Im nationalen Zeitgeist spielt sie aber schon länger eine starke Rolle. Sie hat – stimmungsmäßig – viel erreicht und tritt weiter an, um die politische Kultur zu verändern. Von Johannes Schillo.

Für die AfD ist Bildung, speziell politische Bildung, ein Thema von hoher Priorität. Das gilt für provokative Einzelaktionen wie die Dresdener Rede von Thüringens AfD-Chef Höcke, in der er eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad forderte. Das gilt für das AfD-Projekt, im Internet „Meldeportale“ zur Beobachtung des Politikunterrichts und zur Denunziation von Lehrkräften einzurichten. Das gilt aber vor allem hinsichtlich der nationalen Krisendiagnose und Rettungsstrategie, die die Partei anbietet.

Die Deutschen leben der AfD zufolge in einer Art Unrechtsregime, in dem sich die „unantastbare Volkssouveränität als Fundament unseres Staates als Fiktion herausgestellt“ hat, wie es im Parteiprogramm heißt. Dass der Demokratieabbau fast unwidersprochen über die Bühne geht, ist laut Wahlprogramm das Werk einer quasi totalitär agierenden politischen Klasse, die die  Meinungsbildung zentral steuert: „Heimlicher Souverän in Deutschland ist eine kleine, machtvolle politische Oligarchie, die sich in den bestehenden politischen Parteien ausgebildet hat. Sie hat die Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte zu verantworten. Es hat sich eine politische Klasse herausgebildet, deren vordringliches Interesse ihrer Macht, ihrem Status und ihrem materiellen Wohlergehen gilt. Diese Oligarchie hat die Schalthebel der staatlichen Macht, der politischen Bildung und des informationellen und medialen Einflusses auf die Bevölkerung in Händen.“

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Neue Leitbilder für das Land

Dass die AfD in diesem Konstrukt der Bildungsarbeit einen prominenten Platz zuweist, ist Teil eines strategischen Konzepts. Es geht ihr nicht darum, die Lage abzubilden, sondern Schuldige zu identifizieren: neben den „Volksverrätern“ an der Macht die „Volksverführer“, die ihnen zuarbeiten. Mit der Realität der Bildungsarbeit – die natürlich vom Staat gefördert und beaufsichtigt wird, auch wenn sie in „freier“ Trägerschaft stattfindet – hat das kaum etwas zu tun.

Alle Expertisen, Umfragen oder Evaluationen der letzten Jahrzehnte sind sich darin einig, dass politische Bildung, wie sie hierzulande in ihren verschiedenen Abteilungen betrieben wird, gerade nicht die Bevölkerung im Griff, sondern die größte Mühe hat, sie zu erreichen. Der Politikunterricht führt ein Randdasein, die Angebote politischer Jugend- und Erwachsenenbildung sind ein Nischenprodukt – wie sich die Weiterbildungsteilnahme ja überhaupt in überschaubarem Rahmen bewegt –, das politische Interesse bei Jugendlichen ist, bei gewissen konjunkturellen Schwankungen, gering, ebenso die klassische Informationsaufnahme, die meist durch „Politainment“ ersetzt oder durch neue Medienangebote verdrängt wird.

Es muss aber eine Manipulation des guten deutschen Volkskörpers stattgefunden haben, so die AfD. Das Volk, das ihre Berufungsinstanz ist, denkt und handelt mehrheitlich ja gerade nicht im Sinne der Partei, folgt vielmehr antinationalen Kräften. Es ist gespalten, kennt ganz andere Bedürfnisse als die Volkstumspflege, öffnet sich z.B. für eine „Willkommenskultur“.

Wenn ein rechter Politiker beim Blick ins gesellschaftliche Leben die Volksgemeinschaft vermisst, wird er jedoch nicht an seinem Ideal irre und nimmt etwa soziale Gegensätze und Kollisionen zur Kenntnis, sondern wirft eine Schuldfrage auf. Er fahndet nach Kräften, die den wahren Zusammenschluss der Volksgenossen verhindern, und kann logischer Weise nur in einem Einfluss, der letztlich aufs Konto des Auslands oder der Ausländer geht, fündig werden sowie in einheimischen Komplizen, die dem ihre Hand leihen.

Die Prämisse ist das Fazit: Das deutsche Volk ist gut, es ist nur verführt, und zwar durch die volkspädagogische Indoktrinierungskunst einer professionellen Truppe, die sich dem Parteienkartell zur Verfügung stellt.

Dieses wuchtige Manipulationsinstrument muss man also in die eigenen Hände bekommen! Daher auch das Engagement der AfD, eine groß dimensionierte politische Stiftung ins Leben zu rufen oder auf kommunaler bzw. Landesebene Einfluss auf Bildungsprogramme etwa von Volkshochschulen oder in der Jugendarbeit zu nehmen. Im Visier der Alternativ-Deutschen sind dabei vor allem die Themenfelder Migration/Integration, Kampf gegen rechts und deutsche Erinnerungskultur – wo die die bestehenden Leitbilder umgepolt werden sollen.

Ausgrenzung (z.B. ein Raumverbot in Volkshochschulen) wäre hier jedoch kontraproduktiv. Erforderlich ist die Kritik des Nationalismus – Verbieten oder Vereinnahmen machen den Rechtstrend nur schlimmer.