Gefängnis, Haft, Gitter, Knast, Justizvollzugsanstalt
Gefängnis © Ichigo121212 @ pixabay.com (CC0)

Zweiter Jalloh-Fall?

Feuertod eines Syrers: Druck auf NRW-Justizminister wächst

Der Tod eines syrischen Flüchtlings in einer nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalt wirft immer mehr Fragen auf. Die offizielle Selbstmord-These bröckelt zunehmend. Der Fall ruft Erinnerungen an den Feuertod des Asylbewerbers Oury Jalloh in einer Polizeizelle.

Montag, 22.10.2018, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 25.10.2018, 16:25 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Nach dem Tod eines unschuldig in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Kleve inhaftierten syrischen Flüchtlings wächst der Druck auf NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU). Der SPD-Fraktionsvize im Landtag, Sven Wolf, forderte am Freitag in Düsseldorf den Rücktritt des Ministers, weil er Öffentlichkeit und Parlament „an der zentralen Stelle falsch informiert hat“. Biesenbach habe seine Glaubwürdigkeit verspielt.

Auch die Grünen kritisierten den Minister, weil er wichtige Informationen zu dem Vorfall in der JVA „scheibchenweise und immer erst mit Verzögerung mitteilt“. Insgesamt biete der Fal „viel zu viel Raum für Spekulationen“. Wenn der Justizminister nicht schnellstmöglich die Widersprüche auflöse und die offenen Fragen umfassend beantworte, „werden wir für die notwendige Transparenz in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss sorgen.“, erklärte Stefan Engstfeld, rechtspolitischer Sprecher der Grünen. Ein Sprecher des Justizministeriums wies die Vorwürfe zurück.

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Hintergrund der Rücktrittsforderung und der Kritik sind Medienberichte, wonach der 26 Jahre alte Syrer den tödlichen Brand in seiner Zelle möglicherweise doch nicht selbst gelegt hatte. Das soll die Auswertung eines internen Berichts des Justizministeriums ergeben, wie der WDR meldete. Demnach soll der Häftling über die Gegensprechanlage seiner Zelle versucht haben, Hilfe zu rufen. Möglicherweise war zudem das mit dem Notruf gekoppelte Lichtsignal deaktiviert. Sollten sich die Berichte bestätigen, wäre die bislang vom Ministerium vertretene Suizid-Theorie im Kern erschüttert.

Zweiter Oury Jalloh-Fall?

Der 26-Jährige war Ende September in einem Krankenhaus an den Folgen eines in seiner Zelle ausgebrochenen Feuers gestorben. Ob, wann und wie die Gegensprechanlage ausgelöst wurde, sei derzeit Gegenstand der Ermittlungen, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Krefeld dem „Evangelischen Pressedienst“. Der Syrer hatte wochenlang unschuldig in der JVA Kleve eingesessen, weil er Opfer einer Namensverwechslung der Ermittler geworden war.

Der Feuertod des Syrers weckt Erinnerungen an einen Fall in einer Dessauer Polizeizelle. Dort war der Asylbewerber Oury Jalloh ebenfalls durch einen Feuertod ums Leben gekommen. Auch dort hieß es zunächst, das Opfer habe sich selbst angezündet. Erst nach massivem Druck privater Initiativen bröckelte die offizielle Version sowie die Glaubwürdigkeit von Justiz und Polizei zunehmend. Der Fall soll nun von zwei Sonderberatern neu aufgerollt werden. Es steht der Verdacht im Raum, dass der Asylbewerber in der Polizeizelle ermordet wurde. (epd/mig) Leitartikel Panorama

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  1. Vielen Dank für diesen Hinweis. Wir haben den Text entsprechend geändert. – Die Redaktion

    Ihre Aussage „Inzwischen wird der Fall von zwei Sonderermittlern neu aufgerollt“ ist sachlich (in der Zeitform) so nicht zutreffend, denn der Arbeitsauftrag der SonderBERATER (nicht „Ermittler“) ist an den Abschluss des derzeit noch laufenden Klageerzwingungsverfahrens gekoppelt worden!
    Die Sonderberater erhalten somit erst nach dem Abschluss des Verfahrens überhaupt Akteneinsicht…und das Klageerzwingungsverfahren hängt letztlich ja auch keineswegs allein von der Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg ab – entweder sie beginnt nach der „Prüfung“ der Einstellungsverfügung aus Halle selbst Ermittlungen oder es wird zu einer gerichtlichen Entscheidung zur Rechtmäßigkeit der Einstellung kommen, die dann leicht vorhersehbar auch wieder Jahre des Aktenstudiums durch die Richter*innen benötigen wird und ggf. dann eben erzwungene Ermittlungen durch die GenStA nach sich ziehen kann!

    Zitat Anfang Juni 2018: >>„Aufgrund des Gewaltenteilungsprinzips beginnen die Berater ihre Arbeit erst nach Abschluss der Ermittlungen des Generalstaatsanwaltes.“ Das könnte nach Einschätzung aus dem Landtag in zwei bis drei Monaten der Fall sein.<< (Quelle: https://www.mz-web.de/dessau-rosslau/fall-oury-jalloh-zwei-top-juristen-pruefen-als-sonderermittler-alle-akten-30576366)
    …und dass sich die zeitliche Prognose von damals "2-3 Monaten" auch nicht bestätigt werden konnte, ist da nur ein Aspekt der andauernden Verschleppungstaktik!