Weiterer schwerer Anschlag

Abschiebungen nach Afghanistan zunehmend in der Kritik

Zehn Kandidaten sind bereits bei Anschlägen gestorben, am Donnerstag erschossen die Taliban weitere Politiker und einen mächtigen Polizeichef: Die Parlamentswahlen am Samstag in Afghanistan drohen in Gewalt zu versinken. Hilfswerke fordern Abschiebestopp in das Land.

Zwei Tage vor den Parlamentswahlen in Afghanistan hat ein weiterer Anschlag das Land erschüttert: In der südlichen Provinz Kandahar wurden der mächtige Polizeichef und zwei weitere einflussreiche Politiker getötet. Wie afghanische Medien am Donnerstag berichteten, wurde General Abdul Raziq erschossen, als er das Haus des Gouverneurs nach einem Treffen verließ. Neben Raziq kamen auch der Provinzgouverneur und der Provinzchef des Nachrichtendienstes NDS ums Leben. Die aufständischen Taliban bekannten sich kurz darauf zu dem Attentat. Das katholische Hilfswerk Misereor forderte angesichts der anhaltenden Gewalt, keine Afghanen mehr in das Bürgerkriegsland abzuschieben.

Einer der Attentäter soll der Bodyguard des Polizeichefs sein. Mit der Ermordung von Raziq ist den Taliban ein entscheidender Schritt zur Beherrschung des Südens von Afghanistan gelungen: Der 39-Jährige Raziq, der einer einflussreichen Familie entstammt, galt als Bollwerk gegen die Extremisten. Ohne seine Präsenz in der Provinz dürfte sich die Sicherheitslage weiter verschlechtern.

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Bayern schiebt alle ausreisepflichtigen ab

Kurz vor der Parlamentswahl am Samstag sendet der Anschlag ein fatales Signal aus. Die Taliban haben gedroht, die Abstimmung zu stören und Wähler, Wahlhelfer, Polizei und andere Sicherheitskräfte umzubringen. Bereits zehn Kandidaten für die Wahl sind in den vergangenen Wochen getötet worden. Misereor zufolge ist mit weiterer Gewalt zu rechnen. Abschiebungen an den Hindukusch müssten daher ausgesetzt werden. „Die Sicherheitslage und die Armutssituation in Afghanistan sind seit Jahren katastrophal und verschlimmern sich täglich“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Hilfswerks, Pirmin Spiegel, in Aachen. In Deutschland habe es trotzdem noch Anfang Oktober einen Abschiebeflug von Niedersachsen nach Afghanistan gegeben, kritisierte er.

Aktuell ist Bayern das einzige Bundesland, das grundsätzlich alle ausreisepflichtigen Afghanen abschiebt. Die überwiegende Mehrheit der Bundesländer dagegen hält an Einschränkungen für Abschiebungen nach Afghanistan fest und fliegt nur oder vorrangig Gefährder oder Straftäter nach Kabul. Spiegel forderte die Bundesregierung auf, verstärkt auf Integration zu setzen, statt Flüchtlinge zurückzuschicken.

Konflikt seit 17 Jahren

Der Konflikt zwischen der vom Westen gestützten Regierung in Kabul und den aufständischen Taliban dauert inzwischen mehr als 17 Jahre. Die Provinz Kandahar gilt als spirituelle Heimat der Taliban. Während der Taliban-Regimes, das Ende 2001 gestürzt wurde, saß die afghanische Regierung in Kandahar, der zweitgrößten Stadt Afghanistans.

Die Parlamentswahlen waren in den vergangenen drei Jahren immer wieder verschoben worden, bevor sie für den 20. Oktober angesetzt wurden. In einigen Orten werden aus Angst vor Anschlägen keine Wahlen abgehalten. Es ist erst das dritte Mal seit dem Sturz der Taliban-Regierung, dass in Afghanistan ein Parlament gewählt wird. (epd/mig)