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Untersucht

Können Medien Einfluss auf die Integration von Flüchtlingen nehmen?

Medien wirken in viele gesellschaftliche Bereiche hinein. Das ist belegt. Doch können Medien auch Einfluss auf die Integration von Flüchtlingen nehmen - positiv wie negativ? Nadine Ranger ist dieser Frage in ihrer Dissertation nachgegangen. Ihre Ergebnisse stellt sie im MiGAZIN vor.

Von Dienstag, 21.08.2018, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 23.08.2018, 18:09 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

„Was wir über unsere Gesellschaft […] wissen, wissen wir durch die Massenmedien“, sagte Luhmann bereits 1996. Seine Worte sind zu einem der am häufigsten genannten Zitate geworden, wenn es um die Frage geht, ob Medien das Leben von Menschen beeinflussen.

Menschen beziehen einen Großteil ihrer Informationen aus den Massenmedien. So halten Medien nicht nur Einheimische und Zugewanderten über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden, sondern vermitteln beiden Gruppen ebenso Kenntnisse übereinander. Hierzu gehört auch, dass sie hiesige Normen bzw. Verhaltensweisen näherbringen können.

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Das Konzept der medialen Integration

So wirken Medien in viele gesellschaftliche Bereiche hinein. Rainer Geißler stellte daher das Konzept der medialen Integration auf. Dabei schreibt er den Massenmedien drei Aufgaben zu: Erstens sollen sie einen Beitrag zur gesellschaftlichen Integration von Migranten leisten, zweitens deren Integration in das Mediensystem fördern und sie drittens in die medial hergestellte Öffentlichkeit integrieren.

Um diese Anforderungen zusammenzubringen, müsse es eine interkulturelle mediale Integration im Bereich der Medienproduktion, der Medieninhalte sowie der Mediennutzung geben, entsprechend ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung.

Mediennutzung von Geflüchteten: eigene Erkenntnisse

Im Zuge meiner Dissertation habe ich an den dritten Bereich von Rainer Geißlers Konzept der medialen Integration angeknüpft und die Mediennutzung von Geflüchteten sowie deren Auswirkung auf ihre Integration untersucht. Hierfür wurden Leitfadeninterviews mit 27 Flüchtlingen geführt, 22 Männer und fünf Frauen zwischen 18 und 38 Jahren aus Syrien, Afghanistan, Eritrea sowie dem Irak. Zum Zeitpunkt der Befragung hielten sie sich zwischen einem und drei Jahren in Deutschland auf, ihr Sprachniveau erstreckte sich von A2 bis B2. Auffällig war, dass die meisten Befragten ein hohes Bildungsniveau vorweisen konnten.

Eruiert werden konnte, dass die Mehrheit der Flüchtlinge sowohl auf deutsch- als auch auf muttersprachliche Massenmedien sowie Social Media-Plattformen zurückgreift. Von deutschen Angeboten wird dabei vorrangig Gebrauch gemacht, um unterhalten zu werden oder Informationen über die Bundesrepublik einzuholen. Des Weiteren werden deutsche Medien rezipiert, um etwas über die Lebensweise der Einheimischen zu erfahren und das Fehlen von sozialen Kontakten zu kompensieren.

Eine besondere Rolle nimmt das Radio ein: Obwohl eher selten darauf zurückgegriffen wird, stellt es für diejenigen, die es hören, eine gute Möglichkeit dar, die eigenen Deutschkenntnisse und insbesondere das Hörverstehen zu verbessern. Zurückführen lässt sich dies auf die deutliche Aussprache der Radio-Nachrichtensprecher, die meist frei von Dialekten ist. Den Medien kann somit eine weitere Funktion zugeschrieben werden: Sie unterstützen das Lernen einer neuen Sprache.

Letztendlich überwog hinsichtlich der Rezeption von deutschen Medien für die meisten Studienteilnehmer jedoch der Vorteil der Bewegtbilder im TV, die das Verständnis der Inhalte wesentlich erleichtern. Besonders schwer fällt den Zugewanderten das Verstehen von Zeitungen. Eine Erklärung hierfür ist laut der Befragten, dass Zeitungsartikel oftmals in der Vergangenheitsform geschrieben sind und verstärkt unbekannte Wörter enthalten. Ferner führt die Silbentrennung am Ende einer Zeile mitunter zu Problemen beim Verstehen eines Textes. Folglich werden diese auch so gut wie nie gekauft und können nur einen geringen Einfluss auf die Integration ausüben.

Darüber hinaus nutzen fast alle Interviewpartner gelegentlich Medienangebote, die speziell für Zugewanderte produziert werden, um etwas über die aktuellen Geschehnisse in der Bundesrepublik zu erfahren oder um Hilfe beim Deutschlernen zu bekommen. Besonders häufig zurückgegriffen wird dabei auf die Onlineangebote der Deutschen Welle.

Bemühungen seitens der Medien und Geflüchteten notwendig

Als Fazit kann festgehalten werden, dass den Massenmedien im Integrationsprozess eine große Bedeutung zukommt. Begründen lässt sich dies damit, dass sie dem Einzelnen Informationen darüber vermitteln, was sich außerhalb seiner subjektiven Erfahrungswelt ereignet und dieses Wissen wiederum als Voraussetzung für eine gelingende Integration angesehen werden kann. Zudem haben die eben beschriebenen Erkenntnisse des Dissertationsprojekts gezeigt, dass die deutschen Medien dazu beitragen, Flüchtlingen Einblicke in die deutsche Lebensweise zu geben und die deutsche Sprache näherzubringen. Hierzu werden oft auch Medienangebote genutzt, die speziell für Zugewanderte produziert werden und somit leicht verständlich sind.

Dennoch sind die Medien kein Integrations-Garant, da etwa die Vermittlung von Normen daran scheitern kann, dass Geflüchtete die deutschen Medien nicht bzw. falsch verstehen oder gar nicht erst auf diese zurückgreifen. Letzteres schließt dann auch aus, dass durch die Rezeption deutscher Medien die Sprachkenntnisse verbessert werden können. Umgekehrt muss aber auch danach gefragt werden, ob die Medien hierzulande geltende Werte überhaupt ausreichend bzw. korrekt vermitteln.

Nicht vernachlässigt werden darf überdies, dass Massenmedien vermutlich ebenso integrationshemmend sein können, indem sie beispielsweise verstärkt negativ über Flüchtlinge berichten. Und dass eine solche unausgewogene Berichterstattung stattfindet, wurde bereits durch diverse Studien bewiesen.

Folglich tragen die Medien eine große Verantwortung im Eingliederungsprozess der Zugewanderten, da sie durch ihre Beiträge die in der Gesellschaft vorherrschenden Vorurteile weiter verstärken können. Zugleich obliegt ihnen allerdings auch die Möglichkeit, die Debatte um das Pro und Contra der Integration von Flüchtlingen zu versachlichen und somit einem zunehmenden Rassismus in Teilen der Bevölkerung entgegenzuwirken.

Empfehlenswert erscheint es zudem, die Geflüchteten selbst öfter in den Medien zu Wort kommen zu lassen. So könnte der einheimischen Bevölkerung ein anderer Blick auf Zugewanderte ermöglicht und gleichzeitig dazu beitragen werden, dass sich die Geflüchteten ernst genommen fühlen und einen Anreiz haben, deutsche Medien zu konsumieren.

Es wäre daher wünschenswert, dass sich die Medienmacher auf der einen und die Geflüchteten auf der anderen Seite darüber bewusst werden, dass Integration nur dann gelingen kann, wenn jeder einen Teil dazu beiträgt. Aktuell Meinung

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  1. Ute Plass sagt:

    „Empfehlenswert erscheint es zudem, die Geflüchteten selbst öfter in den Medien zu Wort kommen zu lassen. So könnte der einheimischen Bevölkerung ein anderer Blick auf Zugewanderte ermöglicht und gleichzeitig dazu beitragen werden, dass sich die Geflüchteten ernst genommen fühlen und einen Anreiz haben, deutsche Medien zu konsumieren.“

    Eine Empfehlung, von der zu hoffen ist, dass „Qualitätsmedien“ sie beherzigen
    Das Medium Internet dürfte mit dazu beitragen, dass Menschen mit Fluchtbiografien sich als selbst bestimmte Subjekte auch medial zunehmend einbringen werden.