Arm in Deutschland

Zuwanderer aus Osteuropa

Aus Osteuropa kommen Menschen aus völliger Armut nach Deutschland, um ihrer Not zu entfliehen. Wenn es schlecht läuft, landen sie auf der Straße. Einer von ihnen ist der Rumäne Romeo R. Ihm half das EU-Programm EHAP für verelendete EU-Migranten. Von Pat Christ

Nach 17 Jahren verlor Romeo R. seine Anstellung auf einem Schiff. „Mein Kapitän starb“, erzählt der gelernte Matrose. Arbeit auf einem anderen Schiff fand der heute 42-jährige Rumäne nicht. 110 Euro Arbeitslosengeld blieben ihm: „Doch meine Wohnung hat schon 100 Euro gekostet.“ Romeo wusste nicht, wie er in Rumänien überleben sollte.

Im Mai 2014 machte sich Romeo auf nach Regensburg, weil er hoffte, dort als Matrose anheuern zu können. Bereits unter einem rumänischen Arbeitgeber fuhr Romeo auf der Donau, den Fluss kannte er also schon. Das Wasser- und Schifffahrtsamt in Regensburg erkannte sein Schifferdienstbuch an.

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Der Start war hart, wochenlang lebte er in größter Armut: „Ich übernachtete ohne Decke und Schlafsack illegal in einem Schiffscontainer.“ Schließlich fand Romeo Arbeit und fasste allmählich Fuß. Bis sein letzter Arbeitgeber, wie Romeo erzählt, im Zorn alle Papiere über Bord warf: seine Geburtsurkunde, sein Abiturzeugnis, die Dokumente für die Rentenversicherung, das Schifferdienstbuch.

Fond für Benachteiligte

Nach einem chaotischen Trip durch Bayern landete er schließlich in Würzburg bei dem Projekt „Abseits – nicht mit uns!“ der ökumenischen Christophorus-Gesellschaft. Ihr hat er es zu verdanken, dass er wieder Geld verdient. „Wir organisierten für ihn die notwendigen Papiere“, sagt Projektleiter Michael Thiergärtner.

„Abseits – nicht mit uns!“ ist ein sogenanntes EHAP-Projekt. Die Abkürzung steht für den „Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen“. Mit diesem europaweiten Förderprogramm mit einem Volumen von insgesamt 93 Millionen Euro über zunächst sechs Jahre sollen Armut und soziale Ausgrenzung in den EU-Mitgliedsstaaten bekämpft werden. Bundesweit 81 EHAP-Teams helfen verarmten EU-Ausländern in Deutschland.

Wo kann ich schlafen?

Romeo ist einer von rund 400 Zuwanderern aus Osteuropa, die das Würzburger EHAP-Team unterstützt. Er konnte in der städtischen Obdachlosenunterkunft übernachten. Zweimal täglich ging er zum Essen in die Bahnhofsmission. Außerdem sammelte er Pfandflaschen ein.

Wo kann ich schlafen? Wo bekomme ich etwas zu essen? Wo gibt es Kleidung? Wo werde ich ohne Krankenversicherung behandelt? In Stuttgart wenden sich EU-Ausländer mit diesen Fragen an das EHAP-Projekt „OBS – Beratung und Begleitung zur Orientierung von Unionsbürgern als Ratsuchende in der Wohnungsnotfallhilfe“. Getragen wird die Initiative von der Evangelischen Gesellschaft (eva). „Viele unserer Klienten leben auf der Straße“, sagt Fachberater Peter Gerecke.

Nachfrage steigt

Die Nachfrage steigt: In den ersten fünf Monaten dieses Jahres kamen 250 Menschen in die Beratungsstelle. Bei jedem vierten handelte es sich laut Gerecke um einen Rumänen, fast jeder fünfte stammt aus Bulgarien. Das EHAP-Team begleitet seine Klienten zur Wohnungsnotfallhilfe oder auch zur mobilen Arztpraxis „MedMobil“.

In München engagieren sich acht Sozialpädagogen und Psychologen, die selbst einen Migrationshintergrund haben, für das EHAP-Projekt „IntegrationsBrücke“ (PIB) der Caritas. Die Mitarbeiter sprechen Bulgarisch, Griechisch, Mazedonisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Russisch und Serbokroatisch. Aktuell werden in jedem Quartal um die 170 Neuzugewanderte aus der EU beraten.

Überlastung

Die Hilfesuchenden kommen laut Projektleiterin Joanna Stridde mit einem Bündel von Problemen an. Sie sind meistens obdachlos und nicht krankenversichert, viele sprechen kaum Deutsch, manche sind psychisch krank. „Etwa die Hälfte unserer Klienten hat zumindest ein Kind, in drei Viertel der Fälle sind die Kinder minderjährig“, sagt Stridde.

Das sechsköpfige MIA-Team in Frankfurt am Main klagt über Überlastung. Fast 2.000 Menschen hätten sich seit März 2016 an die „Multinationale Informations- und Anlaufstelle für EU-Bürger“ (MIA) gewandt, ein gemeinsam von der Caritas und der Diakonie getragenes EHAP-Projekt. Nicht immer seien die EHAP-Vorschriften nachvollziehbar, sagt Darija Kämmerer vom MIA-Team. „Wir dürfen Menschen, die eine Arbeit haben, nicht beraten.“ Das gelte selbst dann, wenn diese Menschen einer unsicheren oder illegalen Beschäftigung nachgehen oder wenn sie trotz Arbeit wohnungslos sind. (epd/mig)