Ausgeblendet

Verfassungsschutzbericht ohne NSU

Verfassungsfeinde erhalten in Deutschland immer mehr Zulauf. Der neue Verfassungsschutzbericht warnt vor Aktivitäten in diversen Bereichen. Auf die Nennung des NSU-Komplexes haben die Verfassungsschützer jedoch verzichtet.

Extremisten ziehen in Deutschland immer mehr Menschen in den Bann. Rund 126.000 Menschen hätten im vergangenen Jahr den verfassungsfeindlichen Szenen angehört, neun Prozent mehr als im Vorjahr, sagte Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen am Dienstag bei der Vorstellung des Jahresberichts 2017 seiner Behörde in Berlin. „Das ist aus meiner Sicht eine sehr hohe Zahl“, erklärte er. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte, die Bedrohungen der freiheitlichen Gesellschaft seien vielfältig.

Zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) sagten weder Minister Seehofer noch Verfassungsschutzpräsident Maaßen etwas. Auch im Bericht wird die größte rechtsterroristische Mordserie der deutschen Nachkriegsgeschichte mit keinem Wort erwähnt. Einer der Angeklagten im NSU-Prozess, Ralf Wohlleben, wurde vor wenigen Tagen auf freien Fuß gesetzt, nachdem er zuvor zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde. Das Urteil wurde im Gerichtssaal von einer Gruppe Rechtsextremisten bejubelt.

___STEADY_PAYWALL___

Der Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz gibt einen Überblick über die Aktivitäten in rechts- und linksextremistischer, sogenannter „islamistischer“ und anderen verfassungsfeindlichen Szenen. Bei der rechtsextremen Szene ist der Inlandsgeheimdienst nach wie vor alarmiert über die hohe Gewaltbereitschaft. Zwar ist die Zahl der verübten Gewalttaten 2017 um ein gutes Drittel (34 Prozent) zurückgegangen. Das Personenpotenzial der rechtsextremen Szene hat dem Bericht zufolge aber auf 24.000 Sympathisanten zugenommen. Mehr als die Hälfte von ihnen – fast 12.700 Menschen – gelten als gewaltbereit.

Grüne: Verharmlosung rechter Szene

Auch die sogenannten Reichsbürger seien bereit, „ihre Waffen für schwerste Gewalttaten einzusetzen“, heißt es im Verfassungsschutzbericht. 16.500 Menschen wurden der Szene, die die Bundesrepublik in ihrer heutigen Verfasstheit ablehnt, zugerechnet (2016: 10.000). Aktuell seien es 18.000 Menschen, sagte Seehofer. Wie Rechtsextreme hätten sie eine hohe Affinität zu Waffen, sagte Maaßen. 2017 hätten rund 1.100 „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ über einen Waffenschein verfügt.

Als rechtsextrem wurden nur 900 „Reichsbürger“ eingestuft. Die Grünen-Innenpolitiker Irene Mihalic und Konstantin von Notz sehen darin eine Verharmlosung. Angesichts der teils massiven Bewaffnung der Szene müsse die Gefahr der Bildung neuer rechter Terrorzellen ähnlich dem NSU von Regierung und Behörden „endlich ernst genommen werden“, sagten sie. (epd/mig/es)