Rassismus

Özils Rücktritt ist ein Super-GAU und eine Chance für Deutschland

Özils Abgang ist ein Super-GAU für Deutschland. Er ist aber auch eine Steilvorlage, um eine ehrliche Debatte über Rassismus zu führen. Bleibt das aus, darf sich niemand wundern, wenn „türkische“ Kids sich in Zukuft für das Triko mit dem Halbmond entscheiden und nicht für Schwarz-Rot-Gold.

Ganz Deutschland hat auf eine Erklärung von Mesut Özil gewartet, jetzt liest die ganze Welt mit. Özil hat im Netz erklärt, warum er in Zukunft nicht mehr für Deutschland spielen will: Rassismus. „Ich bin Deutscher, wenn wir gewinnen, und Immigrant, wenn wir verlieren“, schrieb der Weltmeister in einem Dreiteiler in englischer Sprache. Gerichtet ist das Schreiben nicht an die deutsche Öffentlichkeit, sondern an die internationale Gemeinschaft. ‚Seht her! Ich bin Opfer einer rassistischen Kampagne.‘

Ein Super-GAU für das internationale Ansehen Deutschlands und seines sportlichen Aushängeschildes, der Fußball-Nationalmannschaft. Ein Super-GAU für die deutsche Bewerbung um die Fußball-Europameisterschaft im Jahre 2024 – ausgerechnet im Wettrennen mit der Türkei. „Nein zu Rassismus“, ist das Leitmotto der UEFA.

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Die Reaktion deutscher Medien fällt erwartbar aus. Sie sind immer noch beim Erdoğan-Foto. Dass es inzwischen um Rassismus geht, scheint man in den Redaktionsstuben deutscher Medien noch nicht registriert zu haben – oder man blendet es aus, um sich nicht mit dem eigenen Rassismus beschäftigen zu müssen – unangenehm. Stattdessen stört man sich – mal direkt, meist indirekt -, dass Özil sich in Englisch erklärt hat und nicht in der hiesigen Amtssprache. Dabei ist es vermutlich diese Reaktion, warum Özil sich auf Englisch verabschiedet hat.

Denn anders als in deutschen Medien, steht in den meisten internationalen Medien Özils Vorwurf im Mittelpunkt der Berichterstattung. „Racism“ und „disrespect“ prangen in großen Lettern über den Meldungen. Sie gehen auf die Erklärung Özils ein und blenden das Unangenehme nicht aus. Allen voran das Boulevardblatt-Bild scheint sich von Özils Medienschelte angesprochen gefühlt zu haben. Das Springer-Blatt blendet Rassismus nicht nur aus, sondern spricht ihn sogar ab.

„Bild ist, wenn sechs sehr deutsche Boys einem deutschen mit türkischen Wurzeln erklären, dass er sich Rassismusvorwürfe nur ausdenkt“, twittert etwa Lisa Ludwig. Shahak Shapira stellt „Bild“ vor seine eigenen Schlagzeilen: „Er pilgerte nach Mekka und liebt eine Miss Türkei“.

Es liegt an Deutschland, der Politik, dem DFB, der Gesellschaft und den Medienmachern, diese Steilvorlage von Özil zu nutzen und eine ehrliche Debatte über Rassismus zu führen. Es wäre so wichtig.

„Das Wichtigste am Rücktritt von Mesut #Özil ist nicht die Bedeutung für das DFB-Team oder der Konflikt mit Grindel. Es sind die Millionen Türken in Deutschland, die sich nach wie vor nicht willkommen fühlen. Özil gibt ihnen eine Stimme“, schreibt Martin Hoffmann auf Twitter. Recht hat er. Am Umgang Deutschlands in der Causa Özil wird sich zeigen, ob Kids mit türkischen Wurzeln sich in Zukunft für das Trikot mit Schwarz-Rot-Gold oder für den mit dem Halbmond entscheiden.