Merkel für EU-Lösung

Tauziehen im Berliner Asylstreit

Spannung, Spekulationen – und Abwarten: Vor weichenstellenden Sitzungen der Unionsparteien zeichnet sich keine Einigung im Asylstreit ab. Höchstens Aufschub.

Unmittelbar vor entscheidenden Weichenstellungen in Berlin bleiben die Fronten im Asylstreit verhärtet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte am Wochenende erneut die Bedeutung einer EU-weiten Lösung, Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) dringt auf baldige Schritte. Von innerhalb und außerhalb der Union mehrten sich Aufrufe zu einer Einigung.

„Wir stehen vor einer ernsten Situation, was den Zusammenhalt in Deutschland, in Europa und in der Union anbelangt“, mahnte CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer in der „Bild am Sonntag“. „Für eine gemeinsame Lösung lohnt es sich zu kämpfen.“ Innenminister Seehofer hat damit gedroht, im Alleingang Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben, an der Grenze zurückzuweisen. Bereits an diesem Montag will er mit dem CSU-Vorstand darüber beraten.

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Merkel will EU-Lösung

Merkel will hingegen eine europaweite Lösung in der Flüchtlingsfrage. „Das ist eine europäische Herausforderung, die auch eine europäische Antwort braucht“, bekräftigte sie am Samstag in ihrem wöchentlichen Video-Podcast. Darüber will sie auf einem EU-Gipfel Ende Juni mit den EU-Partnern verhandeln. Die „Bild am Sonntag“ berichtete derweil unter Berufung auf Regierungskreise mehrerer EU-Länder, die Kanzlerin bemühe sich um einen Sondertreffen mit einigen besonders betroffenen EU-Staaten noch vor dem EU-Rat am 28. und 29. Juni. Laut dem Boulevardblatt „Bild“ will der CSU-Parteivorstand am Montag Merkel eine Frist von zwei Wochen für eine europäische Lösung einräumen.

Die Einschätzungen, wie hart die Konfrontation zu Wochenbeginn werden würde, gingen auseinander. Laut „Welt am Sonntag“ soll Seehofer am Donnerstag hinter verschlossenen Türen über Merkel gesagt haben: „Ich kann mit der Frau nicht mehr arbeiten.“ Die „Berliner Zeitung“ zitierte hingegen Teilnehmer des Treffens mit einem Dementi.

Juncker warnt vor nationalen Alleingängen

Vor nationalen Alleingängen warnte am Samstag EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. „Wir müssen ein europaweit geltendes Asylrecht haben“, sagte er dem Radiosender B5 aktuell des Bayerischen Rundfunks (BR). Er forderte die Mitgliedsstaaten zu Richtungsentscheidungen auf.

Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) betonte im Deutschlandfunk-„Interview der Woche“, die Flüchtlingskrise sei eine gesamteuropäische Aufgabe. An die Unionsparteien in Berlin appellierte er, ihre Streitigkeiten im Sinne der Verantwortung für Deutschland zu lösen. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig rief die Union auf, ihren Konflikt beizulegen.

Asylstreit überbewertet

Es müssten gemeinsame Lösungen gefunden werden, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der frühere bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein betonte im Bayerischen Rundfunk, in einer Familie müsse man „immer mal wieder unterschiedliche Meinungen aushalten“.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hält den Asylstreit angesichts der aktuellen Situation für überbewertet. „Fakt ist doch: Die Lage ist im Moment ruhig“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Die Zahl von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr werde derzeit nicht überschritten, und das sei auch nicht zu erwarten.

Verwaltungsgerichte fordern Entlastung

Die deutschen Verwaltungsrichter befürworteten hingegen laut „Welt am Sonntag“ Seehofers Kurs. „Zurückweisungen würden sicherlich die Not der überlasteten Verwaltungsgerichte lindern“, zitierte die Zeitung online den Vorsitzenden des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter, Robert Seegmüller.

In den ersten fünf Monaten 2018 stellten nach Berichten der „Passauer Neuen Presse“ rund 78.000 Menschen einen Asylantrag. Bis Mitte Juni seien gut 18.000 Asylbewerber aufgenommen worden, die schon in der sogenannten Eurodac-Datei registriert gewesen seien und damit in einem anderen EU-Land ihr Asylverfahren abschließen müssten. Die Zeitung bezog sich auf Zahlen des Bundesinnenministeriums, die dieses vermutlich am Montag veröffentlicht. (epd/mig)