Obergrenze reloaded

CSU entfacht erneut Grundsatzstreit in der Asylpolitik

Die CSU will Asylsuchende an der deutschen Grenze zurückweisen. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist dagegen, sie setzt auf eine europäische Lösung. Wann der Streit beigelegt wird, ist offen. So lange bleibt wohl auch Seehofers angekündigter Masterplan in der Schublade. Von Corinna Buschow

Es dauerte nur knapp drei Monate bis zum ersten großen Streit. Als am 14. März die Bundesregierung vereidigt wurde, lag ein Koalitionsvertrag vor, der vor allem die Differenzen in der Flüchtlingspolitik geklärt haben sollte. Über Kompromisse in diesem Kapitel wurde besonders hart und lange verhandelt, versicherten Beteiligte danach immer wieder. Mitte Juni wirkt es rückblickend wie ein Burgfrieden. Mit ihrer Forderung nach einer Zurückweisung Asylsuchender an der deutschen Grenze hat die CSU einen Grundsatzstreit über die Asylpolitik wieder entfacht.

Das Abweisen von Flüchtlingen, die über das System Eurodac bereits in einem anderen EU-Staat registriert wurden, sollte Teil des „Masterplans Migration“ von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) werden. CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Dobrindt, bestätigte am Dienstag in Berlin, dass seine Partei diesen Punkt als wesentlichen Bestandteil des angekündigten Pakets sieht, als „Teil der Neuordnung des Asylsystems“. „Wir setzen den Punkt durch“, zeigte sich Dobrindt überzeugt.

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Gegen den Willen von Merkel

Durchsetzen hieße in diesem Fall gegen den Willen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Zurückweisungen an der Grenze bislang ablehnt und auf eine europäische Lösung hofft. Erst am Sonntag hatte sie in einem Fernsehinterview einseitig nationale Maßnahmen abgelehnt. Der dritte Koalitionspartner SPD steht dabei hinter Merkel. „Es wäre fatal, wenn wir die Fehler aus dem Herbst 2015 wiederholten und die Lösung des Problems wieder nur einigen wenigen Staaten überlassen und diese damit überfordern“, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Burkhard Lischka, dem epd.

Dobrindt äußerte sich unterdessen überzeugt davon, dass auch Teile der CDU hinter Seehofers Forderung nach einer Zurückweisung an der Grenze stehen. Die Ministerpräsidenten von Sachsen und Sachsen-Anhalt, Michael Kretschmer und Reiner Haseloff (CDU), signalisierten in der „Welt“ (online) Unterstützung für Seehofer. „Natürlich müssen die Menschen, die in der Bundesrepublik Deutschland keine Chance haben auf Asyl, an der Grenze wieder zurückgewiesen werden“, sagte Kretschmer. Die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke lehnte das dagegen ab. Dies würde den Beginn vom Ende der EU-Freizügigkeit markieren, sagte sie.

Zurückweisung zentraler Streitpunkt

Inwieweit das Thema am Dienstag in der Sitzung der Unionsfraktion diskutiert werden sollte, blieb zunächst offen. Formell wurde der Punkt Dobrindt zufolge gestrichen, nachdem Seehofer auch die öffentliche Präsentation des Masterplans aufgrund des Streits mit dem Kanzleramt am Montag kurzfristig abgesagt hatte. Die Spitzen von Partei und Fraktion würden nun darüber reden, sagte Dobrindt. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), sagte, er hoffe auf eine schnelle und einvernehmliche Lösung.

Die Frage der Zurückweisung an der Grenze ist ein zentraler Streitpunkt in der Flüchtlingspolitik, der letztlich auch an die Obergrenzen-Debatte erinnert. Die Forderung der CSU nach einer starren Grenze führte damals zwangsläufig zu der Frage, was mit Flüchtlingen oberhalb dieser Zahl an der Grenze passieren soll. Die Unionsparteien fanden nach langem Streit einen Kompromiss. Im Koalitionsvertrag mit der SPD heißt es, dass die Zahl der Zuwanderer pro Jahr die Spanne von 180.000 und 220.000 nicht übersteigen soll. Bis Ende April kamen erst rund 55.000 neue Flüchtlinge nach Deutschland.

Streitende offen

Dennoch dringt die CSU jetzt auf die Zurückweisung an der Grenze. Er wolle nicht warten, bis wieder so viele Menschen an der Grenze stünden, sagte Dobrindt. 2015 dürfe sich nicht wiederholen.

Wann der Streit beigelegt wird, ist offen. Es gebe keinen „aktiven Endpunkt“, sagte Dobrindt. Laut Grosse-Brömer soll beim anstehenden Besuch des österreichischen Bundeskanzlers Sebastian Kurz ebenfalls über das Thema gesprochen werden. Für Dienstagabend war ein Treffen mit Merkel geplant, für Mittwoch eines mit Seehofer. Der CSU-Chef wird danach nicht am Integrationsgipfel der Kanzlerin teilnehmen, wie das Bundesinnenministerium bestätigte. Er lässt sich dort vom parlamentarischen Staatssekretär Marco Wanderwitz (CDU) vertreten. (epd/mig)