Rechtsextremismus, Neonazis, Hitlergruß, Konzert, Versammlung, Demonstration
Bei einem Rechtsrock-Konzert in Themar zeigen Neonazis den Hitlergruß (Archivfoto)

"Rechts rockt nicht"

Im sächsischen Ostritz formiert sich breiter Protest gegen ein Neonazifestival

Seit einigen Wochen steht die kleine Stadt Ostritz im östlichen Zipfel Sachsens in den Schlagzeilen. Neonazis haben sie als Schauplatz für ein Rechtsrockfestival ausgesucht. Doch es gibt Widerstand. Von Katharina Rögner

Von Katharina Rögner Mittwoch, 18.04.2018, 6:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 19.04.2018, 14:44 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Das beschauliche Ostritz in Ostsachsen steht vor einer Bewährungsprobe: Der idyllisch gelegene Ort an der Neiße zwischen Görlitz und Zittau soll am Freitag und Samstag Treffpunkt von Neonazis aus Deutschland und Polen werden. Auf dem Gelände des in die Jahre gekommenen Hotels „Neißeblick“ werden rund 800 Teilnehmer erwartet. Es liegt direkt am Bahnhof und an der Grenze zu Polen.

Parallel zu den Konzerten mit gewaltverherrlichenden Liedern, die zum Teil verboten sind, findet der sogenannte Kampf der Nibelungen statt. Die Kampfsportschau gilt als Magnet für Neonazis und die Hooligan-Szene. Das als politische Versammlung angemeldete Festival mit dem Titel „Schild und Schwert“ wird von dem Thüringer Neonazi Thorsten Heise organisiert.

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Stadt mit 2.300 Einwohnern

Ostritz, eine kleine Stadt im Dreiländereck Deutschland, Polen und Tschechien mit rund 2.300 Einwohnern, ist vor allem wegen seines Klosters St. Marienthal bekannt. Zum Konvent gehören aktuell zwölf Schwestern. Am Samstag laden sie zum Tag des offenen Klosters ein.

Info: Das Ostritzer Friedensfest findet auf dem Marktplatz in Ostritz statt. Es wird am 20. April, 20 Uhr, eröffnet. Um 20.30 Uhr soll eine Menschenkette um den Marktplatz gebildet werden.

Doch der Blick der Öffentlichkeit dürfte an diesem Wochenende in Richtung Stadtzentrum gehen. Gegen das Neonazifestival formiert sich breiter Protest. Ein Bündnis aus Vertretern von Kirchen, Vereinen und lokalen Akteuren lädt von Freitag bis Sonntag zu einem „Friedensfest“ auf den Marktplatz ein. Das Motto lautet „Zeichen setzen-Hinsehen-Handeln“. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat die Schirmherrschaft übernommen und wird am Freitag in Ostritz erwartet.

Proteste in Hör- und Sichtweite

Das Fest sei ein Statement, „wir wollen dem Ort Frieden bescheren“, sagt der Mitorganisator und Gemeindereferent der Katholischen Pfarrei in Ostritz, Stephan Kupka. Der „Friedensfest“-Sprecher Markus Kremser betont: „Es soll nicht der Eindruck entstehen, Ostritz sei ein Nazistädtchen.“

Zudem soll es Proteste in Hör- und Sichtweite geben. Auf einer dem „Neißeblick“-Hotel nahe gelegenen Wiese heißt es am Freitag und Samstag: „Rechts rockt nicht„. Prominentester Teilnehmer des musikalischen Gegenfestivals wird wohl „Prinzen“-Sänger Sebastian Krumbiegel sein. Die Protestaktion wird vor allem von linken Gruppen veranstaltet. Die Bühne werde so ausgerichtet, dass Reden und Musik „bei den Nazis zu hören sein werden“, kündigen diese an.

Festival am Geburtstag Adolf Hitlers

Das Datum des „Schild und Schwert“-Festivals am 20. April, der Geburtstag Adolf Hitlers, dürfte kein Zufall sein. Ebenso wenig beliebig sehen Beobachter der Neonaziszene den Veranstaltungsort Ostritz. Nach Einschätzung des Kulturbüros Sachsen besteht in Ostsachsen eine langjährige Kontinuität organisierter neonazistischer Strukturen.

Zum Teil sei die rechtsextreme Szene bereits seit den 1990er Jahren aktiv, deren Kader verfügten damit über langjährige politische Erfahrungen, sagt Markus Kemper vom Mobilen Beratungsteam des Kulturbüros. Der Nationale Jugendblock (NJB) Zittau etwa habe 2017 sein 25-jähriges Bestehen mit einem rechtsextremen Konzert in seinen Vereinsräumen gefeiert.

Größter Polizeieinsatz seit zehn Jahren

Vor diesem Hintergrund falle das Neonazifestival in Ostritz auf fruchtbaren Boden und sei „das Ergebnis“ dieser Zusammenhänge. Das „Hotel Neißeblick“ war bereits 2012 Schauplatz eines NPD-Landesparteitages. Besitzer ist der hessische Bauunternehmer Hans-Peter Fischer, früher NPD-Mitglied. Er sei aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen, „an alle interessierten Gruppen zu vermieten“, erklärte er in einem Interview mit der „Sächsischen Zeitung“. Dass sich Bands angekündigt haben, deren Lieder zum Teil auf dem Index stehen, weil sie rassistisch und judenfeindlich sind, „ist nicht mein Problem“, sagt Fischer.

Die Polizeidirektion Görlitz rechnet indes mit dem größten Einsatz in Ostsachsen seit zehn Jahren. Sie wird von der Bundespolizei sowie der polnischen und tschechischen Polizei unterstützt. „Gewaltsame Störungen der Versammlungen dürfen und werden wir nicht zulassen“, sagt Polizeidirektor Holger Löwe, der den Einsatz leitet. Jedoch sei „wahrnehmbarer friedlicher Protest in Hör- und Sichtweite vollkommen legitim“. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft

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