Ausgerechnet Heimat

Ministerium für Heimat ohne Platz für Familie

Das neue Heimatministerium will die Familienzusammenführung von Menschen mit subsidiären Schutz weiterhin in vielen Fällen unmöglich machen. Was sagt das über den Begriff der ‚Heimat‘ aus?

Heimat bedeutet für mich das Haus, in dem ich aufgewachsen bin, und die umliegenden Felder und Wiesen. Für andere ist es die Stadt, in der sie geboren sind, manch anderer verbindet mit dem Begriff vielleicht auch einen Urlaubsort, der früher oft besucht wurde. Heimat ist also etwas absolut Subjektives: ein Gefühl, oft verbunden mit einer sentimentalen Rückblende.

Politik braucht unterdessen Objektivität: Zustände, die man in der Zukunft ändern will mit Maßnahmen, die man messen kann. Wie Herr Seehofer meine gefühlte zu Heimat organisieren und verwalten möchte, weiß ich nicht. Außerdem möchte ich die Politik doch bitten, sich aus meinen persönlichen Erinnerungen fernzuhalten – herzlichen Dank!

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Sich zuhause fühlen

Man könnte ein Heimatministerium aber auch so deuten, dass es eine neue Heimat bieten möchte; einen Ort, an dem man sich geborgen fühlen kann. Ganz so, wie man die eigene Heimat in Erinnerung hat und wie man sich sein Zuhause wünscht. Zuhause fühlen kann ich mich nämlich nicht nur in meiner Heimat; das geht überall, wo Familie und Freunde mich auffangen.

Ohne diese Bezugspersonen fällt es mir allerdings äußerst schwer, mich an einem Ort zuhause zu fühlen und den meisten Menschen auf der Welt geht es wohl genauso. Und so weisen alle Anzeichen darauf hin, dass das Schaffen einer neuen Heimat, oder besser eines neuen Zuhauses, keineswegs ein Ziel des neuen Heimatministers ist. Jedenfalls nicht für die circa 200.000 Menschen, die zurzeit mit subsidiären Schutz in Deutschland leben (IAB, 2017).

Keine Heimat ohne Familie

Subsidiären Schutz bekommen Menschen, die persönlich nicht verfolgt werden, denen aber in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht (BAMF, 2016). Das heißt, subsidiär Schutzberechtigte müssen zwar keine Angst haben, dass sie in ihrem Herkunftsland ermordet oder gefoltert werden, weil sie zum Beispiel in der Opposition aktiv sind. Nur hilft es in einem Krieg nicht, dass die auf das Wohnhaus fallende Bombe keinen speziellen Adressaten hat. Der Schaden, bis hin zum Tod, ist der Gleiche, auch wenn er nicht persönlich gemeint war. Deshalb soll der subsidiäre Schutz dafür sorgen, dass Menschen, die vor einem Krieg flüchten, für eine gewisse Zeit in einem sicheren Staat leben können. So lange bis es wieder sicher ist nach Hause zu gehen. Das kann Jahre oder auch Jahrzehnte dauern.

In dieser Zeit sind Menschen mit subsidiären Schutz in Deutschland in vielerlei Belangen (z.B. beim Arbeitsmarktzugang oder bei Sozialleistungen) deutschen Staatsbürgern gleichgestellt (Flüchtlingsrat Niedersachsen, o.d.). Auf ein Zuhause haben sie allerdings scheinbar kein Recht, ist doch der Familiennachzug wohl auch in Zukunft nur für ein paar wenige möglich (ZEIT Online, 2018). Wie gesagt: ohne Familie wird Deutschland für die wenigstens ein Ort, an dem sie leben, zu einem Zuhause.

Ausgerechnet Heimat

Gut möglich, dass genau dieser Zustand das Ziel von Herrn Seehofers Gesetzesvorschlägen zum Familiennachzug ist. Das Ministerium, aus dem diese Vorschläge kommen, ausgerechnet den Begriff ‚Heimat‘ beizufügen, ist allerdings höchst zynisch. Da wäre man doch besser beim schlichten ‚Bundesministerium des Inneren‘ geblieben. Hier kann man wunderbar zwischen ‚Innen‘ und ‚Außen‘ und zwischen ‚deutschen Staatsbürgern‘ und ‚Ausländern‘ unterscheiden, ohne auch noch den bei Rechtsextremen äußerst beliebten und instrumentalisierten Begriff der ‚Heimat‘ zu benutzen.

Meine Vorstellung von ‚Heimat‘, lieber Herr Seehofer, hat stattdessen nichts mit Ausgrenzung zu tun und ich würde mich sehr freuen, wenn ich damit weiterhin vor allem schöne Kindheitserinnerungen assoziieren dürfte. (epd/mig)