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Muslime beim Freitagsgebet unter freiem Himmel nach Brandanschlag auf Moschee

Nach Brandanschlag

Freitagsgebet unter freiem Himmel. Muslime vermissen Solidarität.

Statt Solidarität und Anteilnahme nach zahlreichen Brandanschlägen auf Moscheen wurden Muslime vom neuen Innen- und Heimatminister Seehofer vor den Kopf gestoßen. Eine tiefe Verunsicherung macht sich in der muslimischen Community breit. Von Birol Kocaman.

Von Montag, 19.03.2018, 6:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 21.03.2018, 17:39 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Während bundesweit über die Frage diskutiert wurde, ob der Islam zu Deutschland gehört, versammelten sich vergangenen Freitag an der Berliner Koca-Sinan-Moschee etwa 2.000 Muslime zum Freitagsgebet. Diesmal sollte das Gebet nicht wie gewohnt in der Moschee stattfinden, sondern auf der Straße. Normalerweise zählt die Gemeinde einige Hundert Muslime zu den Freitagsgebeten, diesmal ist der Andrang knapp zehnmal so hoch.

Hintergrund des erhöhten Besucheraufkommens an der Ditib-Moschee im Berliner Stadtteil Reinickendorf ist ein Brandanschlag in der Nacht zum 11. März. Dabei ist die Moschee nahe komplett abgebrannt und ist seitdem nicht nutzbar. Das hohe Besucheraufkommen trotz eisiger Temperaturen ist deshalb auch ein Zeichen der Solidarität der Muslime untereinander. Sie wollen zeigen, dass sie zusammenstehen, sich gegenseitig unterstützen.

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Ein Zeichen, den Muslime seit Wochen vermissen in der deutschen Öffentlichkeit. Seit Jahresbeginn wurden bundesweit bereits mehr als zwei Dutzend Moscheeübergriffe verzeichnet. Es war reines Glück, dass bisher keine Menschen verletzt oder getötet wurden. Bei den angegriffenen Gebäuden handelte es sich teilweise um Wohnhäuser. Sie wurden in frühen Morgenstunden mit Molotowcocktails in Brand gesetzt.

Eine Debatte um die Sicherheit von Muslimen und ihren Einrichtungen ist bisher nicht aufgekommen. Selbst eine Bundespressekonferenz des Koordinationsrates der Muslime blieb weitgehend resonanzlos. Vertreter islamischer Religionsgemeinschaften brachten vor der Presse ihre Sorgen und Ängste zum Ausdruck und bemängelten mangelnde Anteilnahme. Ein Hilferuf, der kaum vernommen wurde und Reaktionen auslöste.

Statt Solidarität mit den Muslimen bekräftigte der neue Bundes- und Heimatminister Horst Seehofer (CSU) in einem Interview mit dem Boulevardblatt „Bild“ pünktlich zum Freitagsgebet noch einmal seine Position: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“. Als die Verantwortlichen der Koca-Sinan-Moschee vor etwa einer Woche zum Freitagsgebet unter freiem Himmel aufriefen, konnte noch niemand ahnen, dass dieser Satz Seehofers erste Amtshandlung sein wird.

Entsprechend groß war die Verunsicherung und Verärgerung bei den Menschen. Sie hörten zwar dem Imam zu, der Gebete aus dem Koran rezitierte, in Gedanken waren viele aber bei Seehofer. Die Smaltalks drehten sich immer wieder um die Frage, ob Deutschland je ihre Heimat sein wird. „Am liebsten würde ich meine sieben Sachen packen und verschwinden aus Deutschland“, sagte ein junger Mann nach dem Gebet. Ein anderer konterte: „Das ist doch genau das, was die AfD will“. Der Erste fragte zurück: „Nur die AfD?“ Aktuell Gesellschaft

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  1. keisner sagt:

    Seehofer ist kein Freund des Ausgleichs und des Miteinander von Menschen verschiedener Kulturen. Er polarisiert gern und seit Jahren gibt er die Stichworte für die AFD, so ist es kein Wunder, daß viele das rassistische Original wählen. Was bleibt das Seehofer übrig, als im Herbst mit diesen eine GroKo in Bayern zu bilden. Darauf zielt offenbar sein wahres Interesse. Wie die Muslime in Deutschland sich dabei fühlen, dürfte ihm reichlich egal sein.