Signale von Bonn

Weltklimagipfel allenfalls Zwischenschritt, kein Meilenstein

Rahmenprogramm mit Südsee-Folklore, Dauer-Debatten auf dem Verhandlungsparkett – der Bonner Klimagipfel ist nach zwei Wochen zu Ende gegangen. Die Ergebnisse sind unter anderem von Bedeutung für die globale Migration. Immer mehr Menschen müssen ihre Heimat verlassen wegen Unwetterkatastrophen und klimatischen Veränderungen.

Während draußen der Morgen graute, war im Plenum manch ein Verhandler entschlummert: Nach einem nächtlichen Sitzungsmarathon hat am Samstagmorgen der Bonner Weltklimagipfel seinen Abschluss gefunden. Zwei Wochen lang hatten Delegierte aus 197 Staaten unter Führung der Fidschi-Inseln um die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens von 2015 gerungen. Sie feilten an Entwürfen, die erst bei kommenden Klimakonferenzen zu Beschlüssen führen sollen. Die Texte waren so komplex, dass selbst der deutsche Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth einräumte: „Ich brauche Experten, um da durchzukommen.“

Zu den Ergebnissen des Gipfels zählen Entwürfe zur Ausarbeitung eines „Pariser Regelbuches“. Es soll im kommenden Jahr bei der Klimakonferenz im polnischen Katowice (Kattowitz) verabschiedet werden und unter anderem die Methoden festlegen, mit denen die Staaten ihren Kohlendioxid-Ausstoß erfassen.

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Konferenz ist Zwischenschritt, kein Meilenstein

Auch trafen die Staaten in Bonn Vorbereitungen für die Überprüfung der globalen Klimaschutz-Maßnahmen im kommenden Jahr. Die Bestandsaufnahme soll die Staaten motivieren, bis 2020 verschärfte nationale Ziele zur CO2-Minderung vorzulegen. Fest steht bereits jetzt: Die bisherigen Reduktionszusagen der Staaten reichen nicht aus, um die Erderwärmung auf 1,5 bis zwei Grad zu begrenzen, wie es das Klimaabkommen von Paris vorsieht.

Die Konferenz von Bonn ist daher mehr als Zwischenschritt denn als Meilenstein zu bewerten. Politisch bedeutsamer als die juristischen und technischen Feinheiten der im Schlussplenum abgesegneten Papiere sind wohl die Stimmungen und Signale der Konferenz.

26,4 Millionen Menschen von Naturkatastrophen geflüchtet

Nach Angaben des International Displacement Monitoring Centre (IDMC) sind seit 2008 aufgrund von Naturkatastrophen jährlich 26,4 Millionen Menschen zur Flucht gezwungen worden. Diese Zahl bedeutet, dass jede Sekunde ein Mensch vertrieben wird. Es gibt zahlreiche regionale Beispiele für Klimawandel als Fluchtverstärkter. So wurden im Nordosten von Syrien bereits vor Ausbruch des Bürgerkrieges 1,5 Millionen Menschen entwurzelt. Grund dafür war eine fünfjährige Dürre, die diese Region heimsuchte. Weitere klimabedingte Vertreibungen finden sich in der sudanesischen Provinz Darfur, im Irak und Somalia.

Bereits in den Jahren 2013 und 2014 flohen Tausende Somalier vor der jahrelangen Dürre und den Anschlägen der Al-Shabaab-Milizen nach Kenia. Auch in diesem Jahr setzte sich die Massenflucht fort: Allein in den ersten vier Monaten von 2017 suchten fast 260.000 Somalier Schutz, Unterkunft und Nahrung in anderen Landesteilen. Sie flüchteten vor Hunger, Trockenheit und marodierenden Banden, die ihre Farmen überfielen und plünderten.

Bad Boy USA noch dabei

Die wichtigste Erkenntnis: Die USA – der neue Bad Boy der Klimapolitik – haben auf Störfeuer verzichtet. Obwohl Präsident Donald Trump den Ausstieg seines Landes aus dem Klimaabkommen angekündigt hat, saßen seine Unterhändler in Bonn mit am Verhandlungstisch. Dort verhielten sie sich „weitgehend konstruktiv-neutral“, wie Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) formulierte. Versuche, andere Staaten ebenfalls zum Paris-Rückzug zu bewegen, blieben aus. Den Trump’schen Blick auf das Thema offenbarte allenfalls ein begleitendes „Side-Event“, bei dem die US-Regierung für „saubere fossile Energieträger“ warb.

Parallel dazu präsentierte sich in Bonn ein anderes, klimafreundliches Amerika: US-Gouverneure, Bürgermeister und Unternehmer luden ins „Climate Action Center“ ein, einem leuchtenden, futuristisch anmutenden Zeltkomplex vor dem Konferenzgelände. Ihre Botschaft: In den USA wird weiter gegen die Erderwärmung gekämpft. „We are still in“ (Wir sind immer noch dabei) lautete ihr Losung.

Deutschland gegen baldigen Kohle-Ausstieg

Deutschland gab derweil den „technischen Gastgeber“, wie es im Konferenzsprech hieß, also den Verantwortlichen für die Logistik, während Fidschi die Verhandlungsführung innehatte. Organisatorisch lief alles glatt – als Klima-Vorreiter jedoch, wie in vergangenen Jahren, konnte die Bundesregierung nicht glänzen. Das deutsche Ziel, den Treibhausgas-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent zu senken, ist nur noch schwer zu erreichen.

Und einer von rund 20 Staaten gebildeten Allianz für einen baldigen Kohle-Ausstieg schloss sich Deutschland auch nicht an. An der Spitze des Bündnisses: Kanada und Großbritannien. Bei der Bundesregierung hatten die Anti-Kohle-Pioniere auch angefragt – vergeblich. Denn über die Zukunft der deutschen Kohle wurde noch bei den Jamaika-Sondierungen in Berlin beraten.

Das Bündnis für den Ausstieg aus dem schmutzigen Energieträger wurde auch von Umweltorganisationen gefeiert. Dabei übersahen einige von ihnen offenbar einen Haken: Die Mitgliedsländer wollen zwar die Kohleemissionen in absehbarer Zeit auf null reduzieren, den Bau von neuen Kohlekraftwerken, die die unterirdische Speicherung von CO2 ermöglichen (CCS), schlossen sie aber nicht aus. Die bislang noch unausgereifte CCS-Technologe ist vor allem in Deutschland hochumstritten. (epd/mig)