"Ein gäriger Haufen"

AfD-Spaltung vor dem Einzug in Bundestag

Mit mehr als 90 Abgeordneten zieht die AfD ins Parlament ein. Sie feiert den Erfolg, aber nicht alle in der Führung feiern gemeinsam. Frauke Petry sorgt nach der Wahl für eine Überraschung und legt das Bild einer gespaltenen Partei frei.

Der Eklat ließ am Montag keine 15 Minuten auf sich warten. Die AfD-Parteiführung und die Spitzenkandidaten der Rechtsaußen-Partei waren von der Bundespressekonferenz in Berlin eingeladen worden, ihren Wahlerfolg zu interpretieren und Fragen von Journalisten zu beantworten. Parteichefin Frauke Petry, die in Sachsen eines von drei Direktmandaten für ihre Partei holte, sorgte als dritte Rednerin für überraschte Gesichter: Wegen inhaltlicher Differenzen wolle sie der AfD-Fraktion im Bundestag nicht angehören und zu dieser Entscheidung keine Fragen beantworten – verkündete sie, stand auf und ging.

Mit 12,6 Prozent zieht die AfD nach vorläufigem amtlichen Endergebnis ins Parlament ein und der Auftritt am Montagmorgen zeigt bereits eines: Bislang geltende Regeln werden von der neuen Kraft im Bundestag infrage gestellt. Da gibt es beispielsweise die Vorgabe, dass in der Bundespressekonferenz die Journalisten als Gastgeber entscheiden, wann die Podiumsgäste entlassen werden. Die müssen bleiben, solange es Fragen gibt, eine Errungenschaft der Pressefreiheit. Dass Timot Szent-Ivanyi vom Vorstand der Bundespressekonferenz das Verhalten Petrys ausdrücklich missbilligte, schien diese jedoch wenig zu bekümmern.

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Dass eine direkt gewählte Abgeordnete – zumal Parteichefin – bereits am Morgen danach der Fraktion den Rücken kehrt und damit zumindest ein stückweit den Wählerauftrag ignoriert, ist ebenfalls neu. Und ungewöhnlich für eine Partei, die den etablierten Kräften im Bundestag Unglaubwürdigkeit und Missachtung des Wählerwillens vorwirft. Ob Petry ihr Mandat nun abgibt oder fraktionslose Abgeordnete sein will, war zunächst offen.

AfD, eine gespaltene Partei

Offen blieb bei den Erläuterungen der führenden Parteivertreter – neben Petry waren das Co-Parteichef Jörg Meuthen sowie die Spitzenkandidaten Alice Weidel und Alexander Gauland – auch, was konkret nun von der AfD zu erwarten ist, die bereits am Dienstag ihre Bundestagsfraktion konstituieren will. Weidel wiederholte zunächst nur die Forderung nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und kündigte erneut Widerstand gegen die Euro-Politik an.

Zum Thema wurde am Montag vielmehr die bereits im Wahlkampf offenbar gewordene Zerstrittenheit der Partei. Gauland versuchte zu relativieren: „Unsere Partei ist ein gäriger Haufen und jetzt ist jemand obergärig geworden.“ Skepsis blieb, wie eine gespaltene Partei Politik machen will: „Es bleibt abzuwarten, ob eine zerrissene Partei wie die AfD es schafft, sich konstruktiv in den parlamentarischen Arbeitsprozess auf Bundesebene einzubringen“, kommentierte etwa der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm.

Konsens der Demokraten gegen Fundamentalisten

Der scheidende Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hatte in seiner letzten Rede im Parlament den künftigen Abgeordneten mit auf den Weg gegeben, den Konsens der Demokraten gegen Fundamentalisten zu wahren. Die SPD will das nun offenbar als Auftrag verstehen. Nach erneut herben Stimmverlusten bei der Wahl will sie in die Opposition gehen. Dort wären die Sozialdemokraten dann stärkste Kraft und würden – so formulierte es AfD-Vertreterin Weidel – den Rechtspopulisten die Oppositionsführerschaft „verbauen“. Man wolle ein „Bollwerk der Demokratie“ sein, sagte SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nach der verlorenen Wahl.

Auch in der Zivilgesellschaft sind die Erwartungen an die anderen Parteien hoch. „Die Parteien müssen sich fragen, wie sie die Wähler wieder für die Demokratie und ihre Werte begeistern können“, sagte der Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, Timo Reinfrank. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, forderte von den anderen Parteien, „dass sie das wahre Gesicht der AfD enthüllen und die leeren, populistischen Versprechen der Partei entlarven“. Der evangelische Berliner Bischof Markus Dröge warnte indes vor zu hohen Erwartungen an inhaltliche Debatten: „In den Länderparlamenten konnte ich bisher nicht erkennen, dass die AfD-Abgeordneten an sachlichen Auseinandersetzungen und konstruktiven Lösungen interessiert sind.“ (epd/mig)