“Wir bedienen keine Zigeuner!“

Jahresbericht dokumentiert Diskriminierung von Roma in Berlin

Abwertung, Ausgrenzung, Benachteiligung. Immer wieder sind Roma in Berlin mit Diskriminierung und Stigmatisierung in allen Lebensbereichen konfrontiert, nicht zuletzt durch Behörden. Kritik muss auch der Presserat einstecken.

In Deutschland lebende Roma sind im Alltag, im Kontakt mit Behörden und in den sozialen Medien massiver Diskriminierung ausgesetzt. Das geht aus dem Jahresbericht des Berliner Vereins Amaro Foro hervor. Dokumentiert werden darin antiziganistische und diskriminierende Vorfälle aus dem Jahr 2016. Insgesamt wurden 568 Fälle erfasst – in Behörden, Schulen, Hausverwaltungen, Banken und viele mehr.

Eine Mitarbeiterin des Jobcenters etwa antwortete einer Frau aus Bulgarien, die zu ihrem ALG-Antrag in Englisch vorsprach: „Es ist verboten, im Jobcenter Englisch zu reden. Kommen Sie zurück, sobald sie Deutsch gelernt haben.“ Ähnlich endete eine Vorsprache einer Roma-Familie beim Finanzamt. Ein Paar beantragte den Wechsel der Steuerklasse und wurde weggeschickt mit der Begründung, dass keine ausreichenden Deutschkenntnisse vorhanden seien.

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„Mit euch kann man nicht reden. Ihr kapiert nichts!“

In einem anderen Fall endete eine Vorsprache bei einer Hausverwaltung mit einem Rauswurf: „An Rumänen vermieten wir nicht!“, hieß es. Nicht besser erging es einer Frau aus Rumänien bei dem Versuch, bei der Bank ein Girokonto zu eröffnen. Die Frau bekam umgehend ein Dokument ausgehändigt mit folgender Begründung: „Nach sorgfältiger Prüfung sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass wir von einer Geschäftsbeziehung Abstand nehmen wollen.“ In einem anderen Fallbeispiel wird ein Verbotszeichen an einer Ladentür dokumentiert. Auf dem runden Schild ist das Wort „Roma“ durchgestrichen.

Auch in der Schule sind Roma massiver Diskriminierung und Abwertung ausgesetzt. So verwendet eine Lehrerin das Wort „Zigeuner“ und legitimiert die Verwendung mit Verweis auf das Wörterbuch. Die betroffenen Schulkinder schreit sie immer wieder an: „Mit euch kann man nicht reden. Ihr kapiert nichts!“

Kritik an Presserat

Der Bericht befasst sich auch mit diskriminierender Medienberichterstattung. „Jetzt müssen die Bosse von Klau-Kindern in den Knast“, titelte beispielsweise die Berliner Zeitung am 14.06.16. Beschimpfungen und Ausgrenzungen sind Roma dem Bericht zufolge auch in Kommentarspalten und sozialen Medien ausgesetzt. Kritik muss auch der Deutsche Presserat einstecken für die Aufweichung der Diskriminierungsrichtlinie im Pressekodex. Die Nennung der ethnischen Herkunft in der Kriminalitätsberichterstattung wirke sich fatal auf die ohnehin schon prekäre Lebenssituation der in Deutschland lebenden Roma aus, kritisiert Amaro Foro.

Der Verein appelliert an die Politik auf Landes-, Bundes und EU-Ebene, den Menschen diskriminierungsfreie Teilhabe in der Gesellschaft zu ermöglichen. Nachbesserungen seien dringend erforderlich im Asylrecht durch die Rücknahme der sicheren Herkunftsstaatenregelung. Zudem müssten Schulpersonal, Ordnungsbehörden, Hausverwaltungen sowie Journalisten und andere Akteure der Zivilgesellschaft sensibilisiert werden.

Auswertung von rassistischen Ressentiments

Auf 48 Seiten werten die Verfasser die jeweiligen Fallbeispiele aus und decken bewusste und unbewusste rassistische Ressentiments auf. Sie vermitteln die diskriminierenden Mechanismen dahinter und ermöglichen eine kritische und nachhaltige Auseinandersetzung mit dem Thema Antiziganismus.

Der Berliner Justizsenator, Dr. Dirk Behrendt, sieht ebenfalls Handlungsbedarf. Bei der Veröffentlichung des Berichtes sagte er: „Sinti und Roma sind die wohl am stärksten benachteiligte und diskriminierte Minderheit in Europa. Sie verdienen unsere Solidarität. Es ist die demokratische Pflicht von Medien, Politik & Zivilgesellschaft, aktiv gegen Antiziganismus vorzugehen.“ (ci)