"Blutiger Boden"

Gropius-Bau zeigt Ausstellung über Orte der NSU-Verbrechen

In München laufen vor dem Oberlandesgericht die Plädoyers im NSU-Prozess. In Berlin widmet sich eine Ausstellung den Opfern der rechtsextremen Terrorgruppe. Die Fotografin Regina Schmeken hat dafür die früheren Tatorte dokumentiert.

Bäume in Schwarz-Weiß spiegeln sich in den Regenpfützen der Schlaglöcher im Asphalt einer Straße in Nürnberg: Hier wurde Enver Simsek am 9. September 2000 Opfer der rechtsextremen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). Ein anderes Foto, eine andere Gegend in derselben Stadt: An der Straßenecke sind ein paar Fahrräder abgestellt, Müllsäcke warten auf die Müllabfuhr. Hier wurde am 13. Juni 2001 Abdurrahim Özüdogru vom NSU erschossen.

Die großformatigen Aufnahmen der Fotografin Regina Schmeken gehören zu einem Zyklus von Fotografien der Orte der NSU-Verbrechen, die den Opfern gewidmet ist und ab diesem Samstag im Berliner Martin-Gropius-Bau gezeigt wird. Unter dem Titel „Blutiger Boden. Die Tatorte des NSU“ sind dort 30 Fotografien zu sehen, die die Künstlerin von 2013 bei 2016 bei Besuchen der Orte aufgenommen hat. Die Ausstellung ist bis zum 29. Oktober zu sehen.

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Der NSU ermordete zwischen den Jahren 2000 und 2007 in Deutschland zehn Menschen überwiegend türkischer Herkunft, bei einem Nagelbombenattentat wurden 22 Menschen verletzt. Die Terrorgruppe wurde im November 2011 zufällig in Thüringen enttarnt. Zwei Haupttäter sind tot, weitere mutmaßlich Beteiligte stehen derzeit in München vor Gericht, Hauptangeklagte ist Beate Zschäpe. Der Prozess soll in diesem Jahr zuende gehen.

Für die Familien der Opfer sei es „unvorstellbar, dass ein Strafmaß unter lebenslänglich festgesetzt werden könnte“, sagte die Ombudsfrau der Bundesregierung für die NSU-Opfer, Barbara John, am Freitag in Berlin anlässlich der Eröffnung der Ausstellung. „Es gibt keine Ex-Opfer, aber es gibt Ex-Täter“, sagte John: „Die Strafe lebenslang haben die Täter über die Opfer bereits verhängt.“

Der Foto-Zyklus richte einen verstörenden Blick auf die Tatorte des NSU, schreibt dazu der Autor Hans Magnus Enzensberger. Das Beklemmendste an den Aufnahmen sei, dass auf ihnen weder die Mörder noch die Mordopfer zu sehen sind. Gerade das Unauffällige, Banale und Gewöhnliche wirke auf Schmekens Aufnahmen unheimlich.

Info: Die Ausstellung ist vom 29. Juli bis 29. Oktober mittwochs bis montags von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Weitere Informationen gibt es hier.

An den Orten der Morde an Mehmet Kubasik in Dortmund, an Habil Kilic in München und an Süleyman Tasköprü in Hamburg hat die Fotografin heruntergelassene Rollläden von Geschäften festgehalten. Reifenspuren auf dem Parkplatz, auf dem 2007 die Polizistin Nicole Kiesewetter in Heilbronn vom NSU erschossen wurde, dokumentieren dort den Alltag.

An den Tatorten habe sich zum Teil viel verändert, sagte Schmeken. Von den ursprünglichen Orten der regelrechten Hinrichtungen durch den NSU sei mitunter kaum noch etwas zu erkennen. Eine Auseinandersetzung „mit dieser schrecklichen jüngsten deutschen Geschichte“ sei dort dennoch möglich.

Die Familien der Opfer seien in Sorge, dass nach Ende des NSU-Prozesses das Geschehen in der Öffentlichkeit verblassen könnte, sagte John: „Die Sorge finde ich berechtigt.“ Es drohe die Entwicklung „aus den Medien, aus dem Sinn“. Dem könnten neben Gedenkorten auch Ausstellungen wie die der Fotoarbeiten von Regina Schmeken entgegenwirken. Die Bilder könnten eine „Barriere bilden gegen das Vergessen“.

Die 1955 in Gladbeck (Nordrhein-Westfalen) geborene Fotografin Regina Schmeken, die für die „Süddeutsche Zeitung“ arbeitet, fotografiert nach eigenen Angaben seit 1976 in schwarz-weiß und wurde bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Ihre Arbeiten finden sich unter anderem in den Sammlungen des Museum of Modern Art in New York, der Bibliothèque Nationale in Paris und des Münchner Lenbachhauses. (epd/mig)