Flüchtlinge, Kenia, Dadaab, Afrika, Asyl, Armut, Wüste
Flüchtlingslager in Kenia/Dadaab (Archiv-Foto) © Samenwerkende Hulporganisaties @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Migrationsforscher

Abschottung gegen Flüchtlinge ist kurzsichtig

Migrationsforscher Oltmer kritisiert das deutsche und europäische Flüchtlingspolitikin scharfem Ton. Das Leid der Menschen interessiere nicht, so lange die Abschottung Europas politisch den gewünschten Effekt bringe.

Von Martina Schwager Freitag, 14.07.2017, 4:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 16.07.2017, 11:39 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Der Osnabrücker Migrationsforscher Jochen Oltmer hält die zunehmend erfolgreiche Abschottung Europas gegenüber Flüchtlingen für politisch und humanitär höchst fragwürdig. Sie sei zudem eine weitere Gefahr für die Krisengebiete in Afrika und schaffe neue Fluchtursachen. „Es interessiert in Deutschland kaum jemanden, dass die vor Gewalt fliehenden Menschen in einem zerfallenen Staat wie Libyen zurückgehalten werden, der nicht einmal die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet hat“, sagte Oltmer dem Evangelischen Pressedienst. Weder das Europaparlament noch der Bundestag hätten bislang die Strategie der zunehmenden Vorverlagerung der europäischen Grenzen in andere Staaten diskutiert.

Libyen, aber auch andere nord-, ost- und westafrikanische Staaten bekämen viel Geld dafür, dass sie Flüchtlinge vom Weg nach Europa abhielten, erläuterte der Historiker vom Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Uni Osnabrück. Dennoch seien die meisten Länder nicht in der Lage, die Schutzsuchenden auch nur halbwegs menschenwürdig unterzubringen. „Das ist ein enormes Risiko auch für die Länder, in denen die Flüchtlinge gegen ihren Willen aufgehalten und in Lager gesteckt werden“, sagte Oltmer Dadurch erhöhe sich das Gewalt- und Konfliktpotenzial deutlich. „Europa exportiert Probleme, die weitere Fluchtursachen schaffen“, kritisierte der Wissenschaftler.

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Die derzeitigen Hilferufe aus Italien angesichts der im Sommer wieder steigenden Zahl der Menschen, die aus Libyen kommend das Mittelmeer überqueren, sind aus Oltmers Sicht eher innenpolitisch motiviert. Sie dürften nicht darüber hinwegtäuschen, dass die vorgeschobene Sicherung der europäischen Grenzen immer besser funktioniere. Die Balkanroute sei seit Monaten geschlossen. Auch über die westlichen und östlichen Mittelmeerrouten kämen kaum noch Flüchtlinge.

„Das Leid wird nicht wahrgenommen“

In Europa und Deutschland führe die Abschottung zu dem von der Politik gewünschten Effekt, kritisierte der Forscher: „Das Leid der Menschen und die Gewalt als Hintergrund der Fluchtbewegungen werden nicht mehr wahrgenommen, weil sie nicht mehr so sichtbar sind. Die kritischen Fragen aus der Zivilgesellschaft, mit welchen autoritären und korrupten Staaten Deutschland und die EU da eigentlich Abkommen unterzeichnet haben, bleiben aus.“

Dennoch warnte Oltmer davor, an eine hundertprozentige Schließung der Grenzen zu glauben: „Solange die Konfliktherde nicht entschärft sind, werden Menschen auf der Suche nach Schutz und Sicherheit neue Wege finden.“ Schon gebe es Anzeichen, dass die Fluchtbewegungen aus Ägypten und Tunesien, das vor 2013 schon einmal wichtiges Transitland gewesen sei, wieder zunehmen. (epd/mig) Aktuell Politik

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