Nicht mit uns?

Der „Friedensmarsch“ hat viel zutage gefördert

Man muss Lamya Kaddor dankbar sein. Ihre Initiative für eine Großdemonstration in Köln hat – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – viele Probleme sichtbar werden lassen. In ihren eigenen Reihen, in den Reihen ihrer Unterstützer und bei allen, die dem Aufruf ablehnend gegenüberstanden. Von Murat Kayman

Den guten Willen, ein Zeichen gegen Gewalt und für eine geeinte Gesellschaft setzen zu wollen, darf man niemandem absprechen. Dieser gute Vorsatz sei allen unterstellt, die sich an der Initiative und den Diskussionen darüber beteiligt haben.

Gleichwohl hat das Scheinwerferlicht dieser Aktion viele Ecken ausgeleuchtet, die sonst eher im Dunkeln bleiben. Diese kurzen Momente des Sichtbarwerdens von Verwerfungen der „Islamdebatte“ gilt es, in diesem Beitrag zu besprechen.

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Zunächst ist da die Ausgangssituation. Marek Lieberberg machte seinem Ärger über die erneute Störung seiner Interessen als Veranstalter beim „Rock am Ring“ lautstark Luft. Bereits im vergangenen Jahr musste das Festival aufgrund schwerer Unwetter abgebrochen werden. Auch damals war Lieberberg von der Entscheidung, das Festivalgelände zu räumen, nicht begeistert. Auch damals war sein Kommentar bissig. Von Fahnenflucht der Fans war die Rede und falschen behördlichen Entscheidungen.

Nach seinem aktuellen Ausbruch am 02. Juni folgte dann der Aufruf Kaddors am 07. Juni zunächst auf ihrer Webseite. In der anschließenden medialen Berichterstattung war davon die Rede, dass für Kaddor der Anschlag von Manchester „das Fass zum überlaufen“ gebracht habe.

Der Anschlag in Manchester fand in der Nacht zum 23. Mai statt. Der Anschlag in London wurde in der Nacht zum 04. Juni verübt.

Info: Dieser Text ist eine von MiGAZIN gekürzte Version. Die Langfassung des Beitrags finden Sie auf www.murat-kayman.de.

Wir werden nie erfahren, ob es einen Demonstrationsaufruf auch ohne die Lieberbergsche Wutrede gegeben hätte. Es gab ihn jedenfalls nicht in den 10 Tagen nach dem Anschlag in Manchester bis zum besagten Ausbruch Lieberbergs. Das Fass war bis dahin offenbar noch nicht übergelaufen.

Dieses Detail mag trivial erscheinen. Bei manchen Muslimen führte es jedoch zu einem ablehnenden Reflex gegenüber dem Demonstrationsaufruf, der in diesem chronologischen Licht der Ereignisse als anbiedernde Pflichtschuldigkeit und Distanzierungsexzess auf Lieberbergschen Zuruf verstanden wurde. Von diesem Makel konnte sich die Aktion bis zum Ende nicht erholen.

Ambivalente Haltung im ZMD-Vorstand

Besonders augenfällig war das gespaltene Stimmungsbild – vielleicht auch exemplarisch für das Meinungsbild innerhalb der Verbände insgesamt – beim Führungspersonal des ZMD zu beobachten. Der ZMD führte offiziell die Unterstützerliste des Demonstrationsaufrufs auf Platz 1 an. Gleichzeitig gingen führende ZMD-Funktionäre bis auf oberster Ebene des Bundesvorstandes auf Distanz zu dem Kaddorschen Demonstrationsaufruf.

Stellvertretender Bundesvorsitzender des ZMD, Mehmet Alparslan Çelebi, postete auf seinem Facebook Account am 11. Juni, die öffentliche Erwartungshaltung gegenüber Muslimen, sich deutlich zu distanzieren und „auf die Straße“ zu gehen, sei „längst zu einem politischen Mittel geworden, Muslime und deren Verbände in „Gute“ und „Schlechte“ zu trennen.“ Die zahlreichen innermuslimischen Verurteilungen des Extremismus mit den Methoden der islamischen Lehre und Gelehrsamkeit sind für Çelebi etwas Anderes, als „wenn marginale Bewegungen Friedensmärsche organisieren um sich politisch und medial zu etablieren und die nicht existierende Basis durch Omnipräsenz in der Medienlandschaft zu ersetzen und schließlich Muslime und Verbände, die tagtäglich harte Basisarbeit machen, unter Druck zu setzen.“

Houaida Taraji, ebenfalls Mitglied im ZMD-Bundesvorstand, pflichtete ihrem Vorstandskollegen bei und kommentierte, seine Bewertung habe es „auf den Punkt gebracht“. Bemerkenswert insoweit als Taraji gleichzeitig auch als Unterstützerin des Demonstrationsaufrufes gelistet war und somit zwei gegensätzliche Positionen gleichzeitig vertrat.

Noch deutlicher wurde Nurhan Soykan, stellvertretende Bundesvorsitzende des ZMD, in ihrem Kommentar unter dem Posting ihres Vorstandskollegen Çelebi; „Vollkommen richtig, es bringt auch nicht viel, nur Distanzierungen und Beileidsbekundungen zu erneuern. Es wird Zeit, dass die Kriegstreiber, Waffenhändler und die Profiteure der Kriege entlarvt werden und gegen die Regierungen, die sie unterstützen protestiert wird. Es gibt nicht nur einen Bösen bei diesem Spiel.“

Man traut sich kaum, nachzufragen, was sie mit dieser Äußerung genau meint.

Zuletzt hatte sich auch noch Mohammed Khallouk, ebenfalls Mitglied des ZMD-Vorstandes, mit einem Beitrag im Tagesspiegel gegen öffentliche Aktionen „innermuslimischer Kleingruppen“ ausgesprochen. Man muss davon ausgehen, dass diese Formulierung nicht selbstkritisch auf den ZMD gemünzt war, sondern auf den Aufruf Kaddors zielte.

Damit haben sich vier von neun Vorstandsmitgliedern, darunter beide Vertreter Mazyeks, öffentlich gegen den Demonstrationsaufruf ausgesprochen. Sie konnten sich mit dieser Ablehnung aber nicht gegen ihren „Chef“ durchsetzen.

Denn öffentlich wahrgenommen wurde nicht dieser klaffende Riss im ZMD-Vorstand, sondern eher die Stellungnahme des ZMD-Vorsitzenden Aiman Mazyek in seinem Gastbeitrag in der FAZ. Dort wollte Mazyek dann auch nicht mehr die „Profiteure der Kriege“ entlarven, sondern den Extremismus. Dieser sei ein „areligiöser Nihilismus“ – was wohl als bloß stilistische Abwandlung der von Mazyek sonst beharrlich vertretenen Meinung – „Das hat nichts mit dem Islam zu tun!“ – gemeint war.

Was aus dieser Diagnose aber für die muslimischen Verbände resultiert, konnte auch Mazyek nicht greifbar formulieren. Er beklagte vielmehr, dass die deutlichen und zahlreichen Stellungnahmen, die es in den vergangenen Jahren von muslimischer Seite gab, nicht wahrgenommen werden. Warum das so ist, konnte sich auch Mazyek nicht erklären und verwies die Behauptung, Muslime würden sich nicht klar genug gegen Gewalt und Terror aussprechen, ins Reich der „Ammenmärchen“.

Zwischen Schein und Sein

Allerdings lieferte Mazyek – ohne sich dessen bewusst zu sein(?) –  im gleichen Text implizit eine mögliche Erklärung für die geringe Wahrnehmbarkeit muslimischer Stellungnahmen.

Mazyek führte aus: „Allein der ZMD organisierte in den vergangenen Jahren Demonstrationen in über 50 bundesdeutschen Städten. Erinnert sei hier nur an die Mahnwachen „Muslime stehen auf gegen Hass und Unrecht“, die in 1500 Moscheegemeinschaften stattfand (2014) oder an die Initiative des ZMD mit dem Titel „Aufstand gegen den Terror – Gesicht zeigen“ am Brandenburger Tor mit Vertretern des Staates, der Kirchen und aller namhaften zivilgesellschaftlichen Organisationen (2015).“

Allein der ZMD? Die Mehrheit der Leserinnen und Leser wird nicht wissen, dass die Aktion in 2014 von den KRM-Verbänden organisiert und in deren „1500 Moscheegemeinschaften“ durchgeführt wurde, wobei der ZMD eher Mühe damit hatte, die Aktion auch in seinen wenigen Gemeinden umsetzen zu lassen. Und die meisten Leserinnen und Leser werden sich nicht mehr daran erinnern, dass nach der Aktion 2015 eine unrühmliche Diskussion darüber geführt wurde, bei wem die Kosten der Veranstaltung am Brandenburger Tor letztlich hängen bleiben. Mazyek ließ damals verlautbaren, der ZMD könne nur ein Viertel der Kosten erstatten. Die anderen drei KRM-Verbände konnte er nur „einladen“ sich an den Kosten zu beteiligen – denn diese waren von den inhaltlichen und organisatorischen Vorbereitungen der Veranstaltung im Wesentlichen nicht informiert und wussten so auch nichts von irgendwelchen Kosten oder sonstigen Zusagen Mazyeks an die politischen Sponsoren der Aktion.

Es sind diese Erfahrungen des individuellen Inszenierungsdranges, die den Kaddorschen Aufruf im Hintergrund begleitet haben. Die Tatsache, dass der ZMD mit seinem Vorsitzenden Mazyek den Aufruf unterstützte – offenbar noch bevor im KRM überhaupt eine gemeinsame Haltung zu dieser Frage gefunden werden konnte – ist auch deshalb an Ironie kaum zu überbieten, da gegenwärtig Aiman Mazyek als Sprecher des KRM fungiert.

Vielleicht liegt es ja an diesem wenig koordinierten Vorgehen muslimischer Verbände, dass ihre Stimmen in der Vergangenheit kaum gehört werden konnten – und sie auch gegenwärtig kaum vernehmbar sind. Dass vor diesem Hintergrund in der Öffentlichkeit eher Märchen als Fakten zu der Arbeit der muslimischen Verbände kursieren, sollte da niemanden mehr verwundern. Es mag aber durchaus sein, dass die Vermischung von Wahrheit und Dichtung manchen Verbänden sogar ganz genehm ist.

Eine Wahrheit ist aber angesichts der geringen Teilnehmerzahl der Demonstration endgültig erkennbar geworden: Der Zentralrat ist in Wirklichkeit ein Marginalrat mit einem faktisch nicht vorhandenen Mobilisierungspotential. Und mit einem Vorsitzenden ohne Gefolgschaft in der Basis.

Engagement mit Geschmäckle

Kaddors forscher Alleingang erinnerte an den Solovorstoß Mazyeks bei der Aktion am Brandenburger Tor 2015. Was damals als persönliche Inszenierung eines „muslimischen Statesman“ wahrgenommen wurde, scheint sich nun im Interesse der Dokumentation von Mobilisierungspotential wiederholt zu haben.

Will sich hier ein Verein ohne relevante Mitgliederzahlen durch das Potential der Straße den Anstrich gesellschaftlicher Relevanz zulegen? Wird das sang- und klanglos dahingedämmerte Projekt „Muslimisches Forum Deutschland“ (MFD) nun in Gestalt des „LIB“ als vermeintliche „Stimme der schweigenden muslimischen Mehrheit“ wiederbelebt?

Wobei an dieser Stelle das Argument, es handele sich um die Initiative von Einzelpersonen, nie wirklich überzeugt hat. Lamya Kaddor wird öffentlich nicht als Einzelperson, sondern als Vorsitzende des LIB wahrgenommen. Dass sie das nicht mehr ist, ändert nichts an dieser Wahrnehmung. Oder kennt irgendjemand den Namen der amtierenden LIB-Vorsitzenden?

Diese Fragen und das darin mitschwingende Unbehagen gegenüber Vereinnahmungstendenzen, mögen viele Muslime dazu bewogen haben, dem Demonstrationsaufruf nicht zu folgen. Denn glaubt man den bereitwillig verbreiteten Zahlen, wonach die Verbände vermeintlich nur eine Minderheit der Muslime vertreten, dann hätte sich dies bei der Kaddorschen Aktion in Gestalt tausender muslimischer Demonstrationsteilnehmer niederschlagen müssen.

Die schweigende Mehrheit hat gesprochen

Womit eine weitere Wahrheit deutlich geworden ist: Wer ab dem heutigen Tag weiterhin behauptet, für eine schweigende Mehrheit der Muslime zu sprechen, macht sich und seinem Publikum etwas vor. Nach dieser Resonanz – oder besser Nicht-Resonanz – muss konstatiert werden, dass die Mehrheit der Muslime entweder weiter schweigt und sich keinesfalls von vermeintlich „liberalen“ Einzelspielern vertreten sieht. Oder aber, sie fühlt sich bei den Verbänden wohl, auch wenn sie dort nicht mitgliedschaftlich organisiert ist.

Auch diese Worte sind nicht als gehässige Geringschätzung individueller muslimischer Akteure zu verstehen. Die oben beschriebene Wahrheit gilt es aber in Zukunft zu berücksichtigen, will man eine realistische Religionspolitik gestalten, statt sich immer wieder nur auf die utopische Suche nach muslimischen Lichtgestalten zu begeben. Denn die muslimische Basis hat sich insoweit erkennbar als resistent erwiesen.

Jedenfalls im Hinblick auf die Veranstaltungsvorbereitung hat der LIB bewiesen, dass er sich in nichts von den etablierten Verbänden unterscheidet. Deren Unvermögen, sich 2015 bei der Aktion am Brandenburger Tor auf eine gemeinsame, geschlossene Aktion zu verständigen, weil ein Akteur einfach im Alleingang Fakten schuf, wiederholte sich aktuell in nur leicht verändertem Gewand. Auch jetzt könnte es nur darum gegangen sein, dass ein Akteur seine Idee umsetzt und die damit verbundene soziale Anerkennung abschöpft und zu diesem Zweck bereit ist, alle anderen Akteure vor sich herzutreiben: Aus dem Kreis der bei den Vorbereitungen Involvierten war jedenfalls zu hören, dass es Querelen darüber gegeben haben soll, den Kaddorschen Aufruf als Auftakt für eine Reihe von Friedensmärschen in verschiedenen Städten zu nutzen und unter einem gemeinsamen Motto laufen zu lassen. Dazu hätte die Aktion auch in der Außendarstellung von Einzelpersonen gelöst und breiter aufgestellt werden müssen. Zu einer solchen gemeinsam orchestrierten Veranstaltungsreihe, heißt es, soll man – frei nach dem Motto: „Unsere Demo“ vs. „Eure Demo“ – nicht bereit gewesen sein.

So wurde wohl anfangs auch der LIB als Verantwortlicher im Impressum des Demonstrationsaufrufs geführt. Dies wurde dann offenbar schnell geändert und durch das Narrativ der individuellen Initiative Kaddors ersetzt. Als Unterstützer des Demonstrationsaufrufs tauchte der LIB dann nur noch auf Platz 2 hinter dem ZMD auf. Dadurch ergibt sich das kuriose Bild, dass der ZMD den Aufruf früher unterstützt haben soll, als Kaddors eigener Verein LIB.

Vertrauen schaffen solche Manöver eher nicht. Und auch das war auf dem Kölner Heumarkt zu sehen.

Wieder keine Gelegenheit verpasst, eine Gelegenheit zu verpassen

Auf die Idee, zunächst ohne öffentliche Begleitung innerhalb der muslimischen Landschaft für das Konzept einer gemeinsamen Aktion zu werben und diese in Trägerschaft vieler Organisationen und gesellschaftlicher Akteure umzusetzen, scheint man auch im LIB nicht gekommen zu sein. Der Vorsitzende des „Erstunterstützers“ ZMD, Aiman Mazyek, ist der aktuelle Sprecher des KRM. Eine Entscheidung aller im KRM vertretenen Verbände vor Veröffentlichung der Unterstützerliste war wohl dennoch nicht möglich.

Damit wurde erneut die Chance vertan, die unterschiedlichen Kompetenzen und Qualitäten der muslimischen Organisationen zu vereinen. Die medialen Reichweiten-Könige und -Königinnen „Ohneland“ (sprich ohne breite Gemeindebasis) verlassen sich darauf, dass alle anderen im Zweifel auch auf Druck durch Öffentlichkeit und Politik in die Gefolgschaft treten. Die gemeindlichen Basis-Könige wiederum halten es gar nicht für nötig, die medial populären Gesichter und deren Netzwerke und Fähigkeiten in die eigene Arbeit einzubinden. Statt diese Potentiale zusammenzubringen, verwaltet jeder lieber eifersüchtig sein eigenes kostbares soziales Kapital.

Um ehrlich zu sein, wäre eine solche gemeinsame Aktion auch schwer vorstellbar gewesen. Zu intensiv und zu lange schon gibt es Bestrebungen, die Legitimation der etablierten Verbände zu Gunsten wesentlich kleinerer aber inhaltlich genehmerer Player zu relativieren. Wie will man da mit der Idee einer gemeinsamen Aktion auf Verbände zugehen, deren Existenzberechtigung in der öffentlichen Debatte wiederholt in Frage gestellt worden ist? Wenn im öffentlichen Diskurs das eigene Profil immer nur alternativ zu der breiten Masse der verbandlich organisierten Muslime geschärft worden ist, kann aus einer solchen Haltung schwerlich eine kumulative Aktion folgen. Wie konsequent kann – in einem übertragenen Sinn verstanden – aber dann der gleichzeitige Aufruf, die Gesellschaft nicht in „IHR“ und „WIR“ spalten lassen zu wollen, überhaupt noch sein?

Kaum, muss die Antwort wohl lauten, betrachtet man den Rückfall aller Beteiligten in wechselseitige Marginalisierungsnarrative unmittelbar nach der Absage der Verbände. Statt sich darüber Gedanken zu machen, woran ein gemeinsames Handeln scheiterte, fielen alle Seiten zurück in gegenseitige Zuschreibungen darüber, wer die ehrenvollere Absicht, das muslimischere Profil oder die demokratischere Gesinnung hat. Besonders tragisch ist, dass sich gar bundespolitisch aktive Parteivertreter als Sekundanten ihrer muslimischen Favoriten an solchen Schlammschlachten beteiligen. Demokratisch und liberal ist das alles nicht mehr.

Im Gegenteil: Sollte es nicht die Absicht der Initiatoren gewesen sein, durch diese Demonstration die muslimische Community in „sichere“, „ungefährliche“ und auf der Gegenseite „gefährliche“, „problematische“ Muslime zu separieren, so haben sie aber – fast mehr noch als die Absagen selbst – durch ihre Reaktionen darauf eben genau diese Wirkung befördert. So wurde die Demonstration noch im Vorfeld zu einer Art demokratischer „Abrenuntiatio diaboli“ – zu einer feierlichen Entsagung von dem Bösen – stilisiert, bei der alle nichtteilnehmenden Muslime nun zum Objekt gesellschaftlicher Skepsis und Segregation disqualifiziert werden.

Als ethischen Tiefpunkt dieser Reaktionen darf man wohl die rhetorische Entgleisung Volker Becks betrachten, der mit Blick auf DITIB vom „Problembären“ der muslimischen Verbandslandschaft sprach. Wer in Zeiten eskalierender Angriffe auf Muslime und Moscheen so redet, bereitet zum billigen Preis einer neckischen Schlagzeile gedanklich das Feld für jene, die Muslime lieber heute als morgen „zum Abschuss freigeben“ wollen. Bei aller auch berechtigten Kritik an den Verbänden: Mit verantwortungsvoller Politik hat das nichts mehr zu tun.

Währenddessen träumen alle Akteure natürlich wahlweise weiter von „muslimischer Einheit“ oder gesellschaftlicher Einigkeit.