"Schleichender Gewöhnungsprozess"

Debatte über Abschiebungen in den Irak

Debatten um Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern in Kriegsgebiete reißen nicht ab. Jetzt fordert Bayerns Innenminister Herrmann Abschiebungen in den Irak. Pro Asyl kritisiert den Vorstoß und warnt vor einem schleichenden Gewöhnungsprozess.

Bayern fordert eine Ausweitung der Abschiebungen in den Irak. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will sich bei der am Montag beginnenden Innenministerkonferenz in Dresden dafür einsetzen, dass zumindest Straftäter und Gefährder wieder in alle Landesteile abgeschoben werden können. Pro Asyl kritisierte den Vorstoß. Der Irak sei ein Pulverfass, sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Zustimmung erhielt Herrmann aus der Unionsfraktion.

Zuletzt war heftig über Abschiebungen nach Afghanistan gestritten worden. Die Abschiebungen wurden kurz nach dem Terroranschlag im Diplomatenviertel der afghanischen Hauptstadt Kabul Ende Mai ausgesetzt. Pro-Asyl-Geschäftsführer Burkhardt warnte am Wochenende: „Mit der Forderung nach Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete soll ein schleichender Gewöhnungsprozess eingeleitet werden.“

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Der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer (CSU), begrüßte dagegen die Forderung seines Parteifreundes Herrmann. Die Sicherheitslage im Irak habe sich in den letzten Jahren deutlich verbessert und stabilisiert, so dass man vom Irak nicht länger als von einem Krisen- oder Kriegsgebiet sprechen könne, erklärte Mayer am Sonntag auf epd-Anfrage. „Außerdem stellt der Irak nach Syrien und Afghanistan das Hauptherkunftsland der nach Deutschland einreisenden Migranten dar.“

Herrmann: Abschiebung nicht möglich

Herrmann verwies auf vier abgelehnte Asylbewerber in Bayern, die als verurteilte Straftäter nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe wegen ihrer Gefährlichkeit mit einer elektronischen Fußfessel überwacht würden. Trotz intensiver Bemühungen sei es bislang nicht gelungen, sie abzuschieben, erklärten Innen-, Justiz- und Sozialministerium des Freistaats.

Drei von ihnen kommen aus dem Irak und konnten den Angaben zufolge wegen eines Abschiebestopps in weite Teile des Landes nicht abgeschoben werden. Die politische Situation dort habe sich aber seit den entsprechenden Beschlüssen der Innenminister von 2006 und 2007 „deutlich verändert“, erklärten die bayerischen Ministerien. Der vierte Straftäter stammt aus Westafrika. Seine Abschiebung sei bisher gescheitert, weil die nötigen Reisedokumente nicht beschafft werden konnten.

Pro Asyl: Lage im Irak verschlechtert

Burkhardt von Pro Asyl sagte, die Lage im Irak habe sich seit 2007 tatsächlich verändert, „jedoch in die gegenteilige Richtung“: Derzeit tobe ein Kampf um die Stadt Mossul und der Nordirak stehe wegen der Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden vor einer ungewissen Zukunft. Burkhardt warf Herrmann vor, er wolle von Fehlentscheidungen und Versagen bayerischer Behörden ablenken. Potenziell Gewaltbereite gehörten nicht in Asylbewerberunterkünfte.

Am vergangenen Wochenende hatte ein Flüchtling aus Afghanistan in einem Asylbewerberheim in Arnschwang nahe Regensburg einen Jungen getötet, obwohl er mit einer elektronischen Fußfessel überwacht worden war. Der Mann saß bereits wegen schwerer Brandstiftung im Gefängnis, wo er zum Christentum konvertierte. Mit dem Argument, dass er wegen seines Glaubens in seiner Heimat verfolgt würde, konnte er seine Abschiebung verhindern. (epd/mig)