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Leitkultur © MiG

Offener Brief

Migrantenorganisationen werfen de Maizière Spaltung vor

Einer Umfrage zufolge wünscht sich die Mehrheit der Deutschen eine "Leitkultur". Unterstützung bekommt de Maizières Vorstoß auch aus der CSU. Migrantenorganisationen hingegen werfen dem Minister Spaltung vor. Alt-Bundespräsident Wulff plädiert für eine "freiheitlich-demokratische Leitkultur".

Montag, 08.05.2017, 4:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 08.05.2017, 17:28 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Thesen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zu einer deutschen Leitkultur sorgen weiter für Diskussionen. Am Freitag kritisierten Migrantenorganisationen den CDU-Politiker in einem offenen Brief. Seine Thesen seien eher geeignet „die Gesellschaft zu spalten als zusammenzuführen“, heißt es darin. Absender ist das Forum der Migrantinnen und Migranten, das sich im Paritätischen Wohlfahrtsverband zusammengefunden hat. Unterstützung für de Maizière kam indes vom früheren Bundespräsidenten Christian Wulff. Laut einer Umfrage im Auftrag des Magazins Focus hat der Innenminister auch Rückendeckung in der Bevölkerung für die von ihm angestoßene Debatte.

Demnach stimmen 52,5 Prozent der Deutschen der Aussage zu, dass Deutschland eine Leitkultur braucht. Ein Viertel (25,3 Prozent) sprach sich dagegen aus. Der Rest war unschlüssig oder machte in der Umfrage, für die das Meinungsforschungsinstitut Insa den Angaben zufolge 1.000 Personen befragt hat, keine Angaben.

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Wulff für eine freiheitlich-demokratische Leitkultur

Mit seinen zehn Thesen zu einer deutschen Leitkultur und dem darin enthaltenen provokanten Satz „Wir sind nicht Burka“ hatte de Maizière eine kontroverse Debatte ausgelöst. Auf Kritik stieß vor allem die Nutzung des Wortes „Leitkultur“, weil viele darunter eine konservative Abgrenzung gegen Neues verstehen.

Wulff sprach sich im Focus für eine „freiheitlich-demokratische Leitkultur“ aus, deren Grundpfeiler sich im Grundgesetz ausdrückten. Zur Kritik am Begriff „Leitkultur“ schrieb er in seinem Gastbeitrag, viele Menschen, gerade auch Kulturschaffende, wehrten sich durchaus nachvollziehbar gegen den Begriff, weil sie Freiheit nutzen, Grenzen überschreiten und Avantgarde sein wollten. „Sie dürfen aber nicht übersehen, dass gerade ihre Freiheit überall dort bedroht ist, wo Grundregeln des Zusammenlebens negiert werden“, sagte er.

Migrantenorganisationen werfen de Maizière Spaltung vor

Die Migrantenorganisationen warnen in ihrem Brief hingegen, jeder Versuch, eine Leitkultur einseitig festzuschreiben, führe zu einer Spaltung in „wir“ und „ihr“. Die Inhalte, die de Maizière als Bestandteil einer deutschen Leitkultur festlege, beschrieben zudem nur Äußerlichkeiten. Es seien nicht ein Händedruck oder die Kleidung, auf die es ankomme, sondern Werte wie Respekt, Offenheit und Wertschätzung von Vielfalt, die ein gesellschaftliches Zusammenleben ermöglichten.

Auch der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, erklärte, man solle die Leitkultur nicht an Äußerlichkeiten festmachen. Es tue beispielsweise nichts zur Sache, ob ein Fußballer wie Mesut Özil die Nationalhymne mitsinge, schrieb er in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Wichtiger sei es, die Bedeutung von „Einigkeit und Recht und Freiheit“ zu verstehen.

CSU gibt de Maizière Rückendeckung

Rückendeckung erhielt de Maizière unterdessen von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU), der die Leitkultur-Debatte für wichtig hält und christliche Traditionen betonte. „Es muss nicht jeder einen Christbaum aufstellen. Aber verstehen und akzeptieren, dass der Jahresrhythmus bei uns von christlichen Feiertagen geprägt ist, das darf man schon verlangen“, sagte er der Passauer Neuen Presse.

Der evangelische Bischof der Landeskirche in Hannover, Ralf Meister, warb dafür, religiöse Vielfalt zuzulassen, ohne deshalb Eigenarten zu verleugnen. Für die evangelische Kirche sei die Mitgestaltung der religiösen Vielfalt ein Gebot. Er verwies auf das 2005 gegründete „Haus der Religionen“, eine gemeinsame Initiative von Christen, Juden, Muslimen, Hindus, Buddhisten und Angehörigen der Bahai-Religion. (epd/mig) Aktuell Politik

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