Fairere Handelspolitik

Ungerechte Globalisierung steigert Flüchtlingszahlen

Armut, Hunger und Krieg zwingen Millionen Menschen, aus ihren Heimatländern zu fliehen. Eine gerechtere Handelspolitik könnte ihre Lebensbedingungen verbessern. Experten fordern die Bundesregierung auf, die G-20-Präsidentschaft dafür zu nutzen.

Angesichts steigender Flüchtlingszahlen und populistischer Bewegungen fordern Gewerkschafter sowie Umwelt- und Entwicklungsexperten eine Kehrtwende in der Globalisierungspolitik. Weltweit seien 63 Millionen Menschen auf der Flucht, nicht nur weil sie in Kriegsgebieten lebten, sondern weil Armut und Hunger sie vertrieben, sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann, am Dienstag in Berlin: „Dafür hat die industrialisierte Welt Verantwortung zu übernehmen.“

Hoffmann äußerte sich bei der Konferenz „Globalisierung in der Sackgasse – Visionen für den Neustart“. Neben dem DGB und der IG Metall zählen die beiden kirchlichen Hilfswerke „Brot für die Welt“ und Misereor sowie die Umweltschutzorganisation Greenpeace und das Forum Umwelt und Entwicklung zu den Veranstaltern. Die Konferenz findet anlässlich der deutschen G-20-Präsidentschaft statt.

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Hoffmann fordert verbindliche Zusagen

Als Beispiel nannte DGB-Chef Hoffmann die Agrarwirtschaft in afrikanischen Ländern. Hochsubventionierte Billigprodukte würden aus den Industriestaaten dorthin exportiert und zerstörten die Grundlagen der Landwirtschaft vor Ort. Zudem kritisierte er Missstände in internationalen Lieferketten. Auf Kaffee- und Kakaoplantagen in armen Staaten oder auch in Textilfabriken müssten die Menschen für einen Hungerlohn arbeiten.

Hoffmann forderte verbindliche Zusagen der Unternehmen, die Arbeitsbedingungen entlang der Lieferkette zu verbessern und die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) einzuhalten. Zudem appellierte er an das Verantwortungsbewusstsein der Bürger als Konsumenten.

Protektionismus hilft nicht

Ankündigungen wie die von US-Präsident Donald Trump, aus internationalen Handelsabkommen auszusteigen, hält Hoffmann für den falschen Weg. „Protektionismus oder der Aufbau neuer Grenzen werden die globalen Probleme nicht lösen“, sagte er. Es gehe um eine verstärkte internationale Zusammenarbeit und Verantwortung.

Die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks „Brot für die Welt“, Cornelia Füllkrug-Weitzel, warnte vor populistischen Strömungen weltweit, die sich die wachsende Kluft zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden zunutze machen. „Mehr denn je benötigen wir eine politisch gesteuerte, inklusive Globalisierung – zum Wohle einer gerechten Welt, des globalen Gemeinwohls, der Armen und der Umwelt“, erklärte Füllkrug-Weitzel.

Globalisierungspolitik in einer „tiefen Krise“

Der Hauptgeschäftsführer des katholischen Hilfswerks Misereor, Pirmin Spiegel, sprach von einer „tiefen Krise“ der Globalisierungspolitik der vergangenen Jahre. Die globale Wirtschaftsordnung räume den Interessen transnationaler Unternehmen Vorrang ein vor Menschenrechten, vor Arbeitsrechten und dem Umweltschutz, sagte Spiegel. Er forderte eine gesetzliche Sorgfaltspflicht für Unternehmen. Firmen, die gegen ein solches Gesetz verstießen, müssten sie ein Bußgeld zahlen. Freiwillige Selbstverpflichtungen reichten nicht aus.

„Globale Handelsverträge müssen sozial und ökologisch verantwortungsvoll gestaltet werden“, sagte die Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland, Sweelin Heuss. Die Umweltschutzorganisation veröffentlichte anlässlich der Konferenz einen Forderungskatalog an die Industrienationen für den globalen Handel. Darin fordern die Experten unter anderem einen besonderen Schutz weniger entwickelter Länder, damit Abkommen ihnen nicht gegen ihren Willen aufgezwungen werden. Soziale und Umweltstandards dürften nicht als Handelshemmnisse angesehen werden, hieß es weiter. (epd/mig)