Einfache Alltagsfreundlichkeit

Experte fordert trauma-sensiblen Unterricht für Flüchtlinge

Jeder zweite Flüchtling hat dem Experten Spitczok von Brisinski zufolge Anzeichen von Trauma-Symptomen. Demgegenüber seien die wenigsten Integrationslehrer darauf vorbereitet.

Von Jörg Nielsen Mittwoch, 19.04.2017, 4:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 20.04.2017, 17:46 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Rund die Hälfte aller Flüchtlinge in Deutschland zeigen nach Ansicht des Berliner Soziologen und Trauma-Fachberaters Marek Spitczok von Brisinski Anzeichen von Trauma-Symptomen. Dies könne sich durch psychische Unruhe und Bewegungsdrang, plötzliche Apathie bis hin zu Wut- und Gewaltausbrüchen oder Depressionen ausdrücken, sagte er dem Evangelischen Pressedienst. Nur die wenigsten Integrationslehrer und Leiter von Sprachkursen seien darauf vorbereitet und könnten im Zweifelsfall adäquat reagieren.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge finanziere bisher nur wenige Fortbildungen für einen trauma-sensiblen Unterricht, sagte Spitczok von Brisinski. Außerdem gebe es nur wenige Experten auf diesem Gebiet. Der Umgang mit Trauma-Erfahrungen gehöre nicht zur Ausbildung von Lehrern, Sozialpädagogen oder Psychologen. Hier müsse es mehr Angebote an den Universitäten geben.

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Es sei wichtig zu verstehen, dass die Geflüchteten eine gefährliche Reise hinter sich hätten und vor Not und Gewalt aus ihrer Heimat geflohen seien: „Sie alle haben Todesängste und große Verluste von der Heimat und Familienangehörigen erlebt“, sagte der Fachberater. Außerdem sorge ein unsicherer Aufenthaltsstatus für weiteren Stress. „Manche können diese Erfahrungen gut wegstecken, bei anderen kommt es zu einer Überflutung der Erinnerungen, die sie überwältigen.“

Einfache Alltagsfreundlichkeit

Solche Ausbrüche könnten auch erst Jahre später auftreten, sagte Spitczok von Brisinski. Darum sei es nötig, die Menschen zu stabilisieren, um die Selbstheilungskräfte wirken zu lassen. „Dabei geht es aber nicht darum, den Geflüchteten besondere Vorsicht oder eine Sonderbehandlung zukommen zu lassen.“ Vielmehr müsse ihnen mit „einfacher Alltagsfreundlichkeit“ begegnet werden.

Damit es nicht zu traumatischen Reaktionen komme, sollte der Integrationsunterricht eine „sichere Insel“ sein, unterstrich der Experte. Klare Absprachen und viele Pausen mit Bewegung seien wichtig. „Wer nur stillsitzt, kommt ins Grübeln und dies fördert Traumata.“ Ziel des Unterrichtes müsse neben dem Erwerb der deutschen Sprache und Gepflogenheiten vor allem die Selbstständigkeit sein. „Jeder Sprachkurs, jede Begleitung hat irgendwann ein Ende. Dann müssen die Menschen allein in der deutschen Gesellschaft klar kommen.“ (epd/mig) Aktuell Panorama

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