So geht Integration

Preisgekrönte Stiftung bereitet Flüchtlinge auf Berufsausbildung vor

Im badischen Kehl gibt es eine Rundum-Förderung für junge Flüchtlinge. Für die exzellente Unterstützung erhält die Bürgerstiftung Kehl den Förderpreis Aktive Bürgerschaft. Eine wichtige Würdigung, denn nicht überall wird Flüchtlingen so gut geholfen.

Der Tag von Ali Hazara beginnt früh: Der Weg von der Flüchtlingsunterkunft bis zum Industriegebiet in der Vorstadt ist weit, für den Bus hat er kein Geld. Also nimmt er ein Fahrrad, das er geschenkt bekommen hat. Bis zum Nachmittag lernt er den Umgang mit Metall, Fräse und Schutzbrille – oder aber Deutsch, je nach Schulstunde. Ist er fertig, fährt er noch ein bisschen Pizza aus, um etwas Geld zu verdienen. Am Abend versucht er zu lernen. Im Sechsbettzimmer ist das aber schwierig. „Nur am Sonntag spiele ich zwei Stunden Fußball“, sagt der 19-Jährige. Für ihn ist klar: „Aus mir soll etwas werden.“

Ali Hazara hat Glück: Er ist einer von sechs Jugendlichen, die an einer preisgekrönten Qualifizierung teilnehmen. Der zehnmonatige Intensivkurs, den er und die anderen Azubis in Deutsch und Metallbearbeitung absolvieren, ist ein Beispiel für das, was möglich ist, wenn Geld investiert wird: 125.000 Euro kostet die Ausbildungsvorbereitung der Geflüchteten, also mehr als 20.000 Euro je Teilnehmer.

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Qualifikation auf fremdsprachige Jugendliche zugeschnitten

Gesammelt hat das Geld die Bürgerstiftung Kehl bei verschiedenen Sponsoren. Für diese Arbeit wird die Stiftung im Mai mit dem begehrten Förderpreis Aktive Bürgerschaft ausgezeichnet. Eine solche „Rundumbetreuung“ ist eben nicht der Regelfall.

Schon länger ist die Qualifikation im badischen Kehl auf fremdsprachige Jugendliche zugeschnitten. „In Deutschland gibt es nicht genug junge Menschen, die sich für eine Ausbildung hier interessieren. Im unmittelbar benachbarten Frankreich, wo eine hohe Jugendarbeitslosigkeit herrscht, hingegen schon“, sagt Karl Haase von der Bürgerstiftung Kehl. Also sei es von Franzosen zu Flüchtlingen kein großer Schritt gewesen. 70 Bewohner der Unterkunft lud man ein und ließ sie drei Tage probearbeiten. Am Ende wurden die besten sechs ausgewählt.

Garantierter Ausbildungsplatz

„Wir können jedem, der die Qualifikation erfolgreich abschließt, einen Ausbildungsplatz garantieren“, sagt Ausbildungsleiter Michael Enderle. Damit sei nicht nur den Flüchtlingen geholfen, sondern auch der Wirtschaft. „Dass der Ausbildungsjahrgang nur aus jungen Männern besteht, ist Zufall“, sagt Haase. Junge Frauen hätten sich für die Metallarbeit nicht interessiert. Allerdings seien einige von ihnen in einem vergleichbaren Pflege-Projekt aktiv.

Selten steht für die Qualifikation von Geflüchteten so viel Geld bereit wie in Kehl. Es gibt noch keine aktuellen Zahlen, wie teuer eine Ausbildungsvorbereitung im Schnitt ist – wohl aber eine Prognose aus dem Nationalen Bildungsbericht aus dem Sommer 2016: Für zwischen 66.000 und 88.000 Geflüchtete, die eine Qualifikation absolvierten, wurden Kosten zwischen 644 und 860 Millionen Euro veranschlagt. Das wären knapp 10.000 Euro pro Teilnehmer – also nicht einmal die Hälfte des Kehler Projektes.

Rechtslage erschwert Integration

Es ist eine komplizierte Situation: Die Investition in die jungen Menschen kann für am Ende völlig überflüssig sein – nämlich dann, wenn der Flüchtling während der Qualifikation abgeschoben wird. Zwar gibt es seit der Verabschiedung des Integrationsgesetzes im vorigen Sommer eine sogenannte Ausbildungsduldung, die Flüchtlinge in dieser Zeit in der Regel vor Abschiebung bewahrt. Allerdings gilt diese nur für die Dauer einer geregelten Ausbildung, die vorgeschaltete Einstiegsqualifizierung fällt nicht darunter.

Dabei ist diese in vielen Fällen genau das, was die jungen Menschen benötigen: „Wir stemmen hier wirklich eine Intensivbetreuung. Wir haben für einige Teilnehmer Fahrkarten besorgt, für andere Fahrradspenden. Wir organisieren Sprachunterricht und das Lernen in der Werkstatt. Andere junge Menschen sind einfach sich selbst überlassen“, sagt Ausbildungsleiter Enderle.

Was das bedeutet, weiß Ali Hazara: Vier seiner Zimmergenossen haben keine Ausbildung und keine Qualifikation. „Es ist schwer, sich auf das Lernen zu konzentrieren, wenn man von Menschen umgeben ist, die zu viel Zeit haben“, sagt er. Sie könnten nachts nicht schlafen – und er auch nicht. (epd/mig)