"Widersinnig"

Kritik an Gesetzesplänen der Regierung für mehr Abschiebungen

Die zwischen Bund und Ländern vereinbarten Maßnahmen mit dem Ziel, mehr Abschiebungen durchzusetzen, gehen im Eilverfahren durchs Parlament. Bei Verbänden stoßen sie auf heftige Kritik. Auch die Datenschutzbeauftragte der Regierung hat Zweifel.

Die Pläne der Bundesregierung für eine konsequentere Abschiebepraxis stoßen bei Experten auf Bedenken – selbst aus den eigenen Reihen. Anlässlich einer Anhörung des Bundestagsinnenausschusses am Montag in Berlin beklagten Diakonie, Paritätischer Wohlfahrtsverband und Pro Asyl, durch die Neuregelungen würden Grundrechte von Asylbewerbern und Geduldeten erheblich eingeschränkt. Unter anderem soll für bestimmte Gruppen die Abschiebehaft ausgedehnt werden. Die Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Andrea Voßhoff, kritisiert zudem die Pläne für das Auslesen von Handys von Asylantragstellern, wenn diese keinen Pass bei sich haben.

Mit dem „Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ will die Koalition die mit den Ländern vereinbarten Maßnahmen zur konsequenteren Rückführung abgelehnter Asylbewerber umsetzen. Dazu gehören eine Ausweitung der Abschiebehaft für Ausländer, von denen eine erheblich Gefahr ausgeht, sowie eine neue Residenzpflicht für Asylbewerber, die über ihre Identität täuschen. Außerdem soll künftig das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Handys von Flüchtlingen auslesen dürfen, wenn kein Pass vorliegt.

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Der Rechtswissenschaftler Carsten Hörich von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg kritisierte bei der Ausweitung der Haft eine „gewisse Uferlosigkeit“. Der pauschale Verweis auf eine Fluchtgefahr der betreffenden Personen sei nicht ausreichend und nicht mit Europarecht vereinbar, sagte er. Der Jurist Daniel Thym aus Konstanz hat gegen den Passus keine Bedenken. Dieser sei nicht abstrakter als andere geltende Normen im deutschen Recht, sagte er.

Auslesen von Smartphone-Daten unverhältnismäßig

Die Datenschutzbeauftragte Voßhoff äußerte in ihrer Stellungnahme Zweifel daran, dass das Auslesen von Smartphone-Daten verhältnismäßig ist. Sie kritisierte, dass nicht ein Gericht, sondern Mitarbeiter des Bundesamts entscheiden sollen, ob Daten ausgelesen werden. Immerhin könnten Geo- und Anruferdaten auch nur Indizien über Identität oder Staatsangehörigkeit des Antragstellers liefern. Das Bundesamt selbst begrüßte dagegen die in Aussicht gestellte neue Möglichkeit, weil bisherige Verfahren zur Identitätsfeststellung aufwendiger seien. Zudem betonte Abteilungsleiter Markus Richter, es würden keine Inhalte etwa von Chats ausgelesen.

Die Diakonie sieht vor allem kritisch, dass die Verweildauer in Erstaufnahmeeinrichtungen von Antragstellern mit geringer Chance auf einen positiven Asylbescheid ausgeweitet werden soll. Dies werde der Tatsache nicht gerecht, dass die Unterbringung der Betroffenen ein zentraler Aspekt bei der Integration sei, heißt es in der Stellungnahme. Auch die geplanten Verschärfungen bei Gefährdern lehnt der Verband ab. Das Aufenthalts- und Asylrecht sei nicht geeignet, Lücken und Defizite im Bereich der Sicherheitspolitik und Gefahrenabwehr zu bekämpfen, resümiert die Diakonie.

„Abschiebung widersinnig“

Der evangelische Wohlfahrtsverband fordert stattdessen eine großzügigere Umsetzung der Bleiberechtsregelung für lang Geduldete. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sprach sich für ein flexibleres Bleiberecht aus. Die langen Asylverfahren in der Vergangenheit hätten dazu geführt, dass Asylbewerber mit ihren Familien in Deutschland heimisch geworden sind, sagte der bayerische Landesbischof am Montag in seinem Bericht vor der in Coburg tagenden Landessynode. Viele dieser Flüchtlinge lebten deshalb bereits seit mehreren Jahren in Deutschland und seien gut integriert. Eine Abschiebung dieser Menschen sei widersinnig.

Die Maßnahmen mit dem Ziel, mehr Abschiebungen durchzusetzen, waren Anfang Februar zwischen Bund und Ländern vereinbart worden. Einzelne Regierungschefs hatten ihre letztliche Zustimmung aber unter Vorbehalt gestellt. Bundestag und Bundesrat müssen noch abschließend über das Gesetz beraten. (epd/mig)