YouTube, Video, Rassismus, Diskriminierung
Szene aus dem YouTube-Video von Bilal Chanchiri

"Des willste net wissen"

Student entlarvt mit youtube-Video Vorurteile und hintergründigen Rassismus

Sein ausländisch klingender Name hat schon manchen Mietvertrag verhindert. In größeren und kleineren Reaktionen hat Bilal Chanchiri öfter Formen alltäglicher Diskriminierung zu spüren bekommen. Dabei ist er Deutscher - mit badischem Dialekt.

Von Dieter Sell Montag, 27.03.2017, 4:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 30.03.2017, 18:07 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Bilal Chanchiri ist gebürtiger Deutscher und fühlt sich auch so. Besonders seit Beginn der Flüchtlingskrise sieht sich der 25-jährige Student aus Fulda aber verstärkt mit Vorurteilen konfrontiert und wird für einen „frisch Geflüchteten“ gehalten. Das sei aufgrund seines Aussehens gar nicht so abwegig, räumt der junge Mann mit schwarzen Locken, braunen Augen und dunklem Teint ein. Auf YouTube hat er ein Video veröffentlicht, das Vorurteile und hintergründigen Rassismus entlarvt. Es wurde bereits tausendfach angeklickt.

Ein Sozialexperiment, das zum Nachdenken anregt: „Was ist Ihr erster Gedanke, wenn Sie mich sehen?“, lautet die Frage, mit der Chanchiri und seine Mitstudierenden Daniel Günther, Clara Schmitt und Paula Heusgen auf der Straße Passanten befragten – mit unterschiedlichen Ergebnissen. Doch oft fördert die Frage Vorbehalte zutage. „Des willste net wissen“, sagt ein Taxifahrer und lächelt dabei. „Das war hart“, sagt Chanchiri dem epd. Er sei wahrscheinlich ein Türke, mutmaßt ein anderer und fügt gleich hinzu: „Alles gut.“

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„Ein ungutes Gefühl“

Auf die Frage, was sie wohl denken würde, wenn sie ihm nachts auf der Straße begegnen würde, kommt von einer jüngeren Frau zunächst eine Rückfrage. „Ehrlich?“ Und dann: „Wahrscheinlich ein ungutes Gefühl.“ Woran das liegen könne? „Nacht, dunkel“, entgegnet die Frau. „Wer, ich oder die Straße?“, setzt der Student nach. „Beides“, meint die Interviewte mit entwaffnender Offenheit.

Chanchiris Eltern kommen aus Palästina, er selbst ist in Freiburg aufgewachsen, was unverkennbar sein leicht badisch-alemannischer Akzent verrät. Und doch hatte er schon oft mit Diskriminierungen zu kämpfen. Beispielsweise, als er nach Fulda kam und eine Wohnung suchte. Mit seinem Nachnamen funktionierte das nicht, mit dem deutschen Familiennamen einer WG-Mitbewohnerin schon: „Bei Vermietern, deren Wohnung für mich angeblich schon vergeben war, bekam sie einen Termin für eine Wohnungsbesichtigung.“

Irritierende Erlebnisse

Auch in der Gastronomie, in der Chanchiri seit rund zehn Jahren zuerst als Schüler und nun als Student jobbt, hat er schon Irritierendes erlebt. Oft bekomme er zu hören, wie gut er Deutsch spreche und werde gefragt, woher er denn komme. Es sei dann das Gefühl des Andersseins, des Nicht-Dazugehörens, das ihn schmerze.

Entstanden ist der Film im Rahmen eines Medienseminars der Hochschule Fulda, das die Lehrbeauftragten Riza-Rocco Avsar und Nicolas Julian Weyel geleitet haben. Er habe darauf aufmerksam machen wollen, dass in jüngster Zeit Vorurteile nicht nur gegenüber Geflüchteten, sondern auch gegenüber Deutschen mit einem Migrationshintergrund massiv zugenommen hätten, sagt Chanchiri.

„Angst ist kein guter Ratgeber“

Dabei sei ihm klar, dass jeder Mensch Vorurteile und Schubladendenken habe. „Die habe ich auch. Aber man sollte in der Lage sein, diese Schubladen zu öffnen und Menschen dort wieder rauszuholen.“ Der Student möchte erreichen, dass Menschen dafür sensibel werden und sich selbst reflektieren. Damit das gelinge, seien Begegnungen wichtig, die Brücken bauten und Ängsten vorbeugten: „Vorurteile sind oft durch Angst motiviert. Und Angst ist kein guter Ratgeber.“

Zum Schluss endet das Video übrigens versöhnlich – mit Komplimenten. „Du siehst sehr sympathisch aus“, sagt eine junge Frau. Andere sprechen von einem „schönen Mann“ und „hübschen Locken“. Ein älterer Herr meint „Sie sind ein lieber Mensch“. Und lächelt. (epd/mig) Gesellschaft Leitartikel Videos

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  1. Zum Beitrag „Des willste net wissen“:

    Mit diesem Satz befreit er sich selbst von einer Antwort und schiebt dem Fragenden hierfür die Verantwortung in die Schuhe.

    Die Reaktion des Fragenden müßte eigentlich sein: „Doch, deshalb frage ich ja!“